Manchmal ist es einfach zu spät - ein Nachruf

10.09.2019

Winfries Spies ist tot / Foto: © Generali

Gestern Abend erst habe ich davon erfahren, dass schon vor gut zwei Wochen Winfried Spies verstorben ist. Im Alter von nur 65 Jahren. So ist das, wenn man wie ich schon seit Jahren im Ausland lebt. Die Dinge verschieben sich, die persönlichen Kontakte nach Deutschland werden weniger, auch die zu Freunden. Und Winfried Spies, langjähriger Vorstandeschef von Cosmos und Generali Deutschland, war für mich deutlich mehr als ein beliebiger Versicherungsmanager, zu dem man als Journalist eine berufliche Beziehung unterhält. Er war stets ein wertvoller Ratgeber und – ja – er war ein Freund.

Kennengelernt habe ich ihn vor 17 Jahren, als er zum Vorstandsvorsitzenden der Cosmos Versicherungen berufen wurde. Wir waren uns von Anbeginn an sympathisch. Es sollten viele Treffen in Saarbrücken folgen. Und etliche gemeinsame Mittag- und Abendessen. Mir imponierte, mit welch ruhiger Hand er das Unternehmen nach der eher wilden Gründungs- und Aufbauphase auf einen auch langfristigen Erfolgspfad führte. Unser Kontakt intensivierte sich noch, als Spies 2009 als Vorstandschef zu den Generali Versicherungen nach München wechselte; ein Jahr zuvor war er bereits in den Vorstand der Holding eingezogen.

Mehrmals jährlich verabredeten wir uns zu Abendessen in der bayerischen Landeshauptstadt, vorzugsweise bei seinem Stamm-Italiener im Stadtteil Haidhausen, wo der überzeugte Saarländer unter der Woche wohnte. Wir sprachen dann sehr vertraut miteinander, aber auch sehr vertraulich. Tabu waren lediglich sensible Themen, die sein Unternehmen direkt betrafen. Wollte ich beruflich mit ihm sprechen, dann stand seine Tür in der Generali-Zentrale für mich immer offen, auch ohne Voranmeldung. Statt gespielte Attitüde – wie so Manche in seiner Position – strahlte er Warmherzigkeit aus.

Ich erinnere mich auch an einen Abend im Sommer 2009, für den er mich zu einem gemeinsamen Essen in ein Separee im Obergeschoss des Spatenhauses an der Münchener Oper eingeladen hatte. Dort unterbreitete er mir ein berufliches Angebot, das man normalerweise nicht ablehnt. Ich tat es dennoch, denn ich hatte damals andere Pläne. Unserer Freundschaft tat dies keinen Abbruch. Als mich Jahre später das Angebot erreichte, in die Chefredaktion der finanzwelt zu wechseln, rief ich ihn an und fragte um seine Meinung. Er riet mir zu, und diesmal folgte ich seinem Rat.

Für den heutigen Tag hatte ich mir vorgenommen, ihn anzurufen und mit ihm über ein – vielleicht sogar gemeinsames – Projekt zu reden.  Doch Winfried Spies lebt nicht mehr. Man kann die Gegenwart nicht in die Zukunft verschieben.

Nachruf von Hans-Werner Thieltges