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09.04.2014
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Die Bundesregierung will die Pflege reformieren. Vom eigentlichen Thema ablenken sollte dies aber nicht. Deutschland steuert mitten hinein in einen Pflegenotstand. Zu verhindern ist der nur mit zusätzlichem Geld für Pflegekräfte – und deutlich größeren Anstrengungen des Vertriebs beim Verkauf entsprechender Policen.
Wieder einmal hat sich eine Bundesregierung den großen Wurf für die Pflegeversicherung vorgenommen. CDU/CSU und SPD wollen in dieser Legislaturperiode eine bahnbrechende Reform zustande bringen. Es soll mehr Leistung und mehr Pflegekräfte geben, und der Begriff der Pflegebedürftigkeit soll reformiert werden. Zudem ist geplant, Kinderlose über einen höheren Beitragssatz als bisher stärker an den Kosten zu beteiligen. Diese Überlegung gibt es zumindest in den Reihen der Christdemokraten. Dass es für alle teurer wird, dürfte feststehen. Der Beitragssatz soll schon Anfang kommenden Jahres von 2,05 % auf 2,35 % klettern, Kinderlose werden dann 2,6 % vom sozialversicherungspflichtigen Einkommen zahlen müssen. Ob es zudem einen Vorsorgefonds geben wird, ist allerdings noch hochumstritten.
Inhaltliche Kernelemente der Reform werden der zahlenmäßige Ausbau der Pflegekräfte und eine Umgestaltung der Pflegestufen werden. Aus den zusätzlich eingenommenen Beiträgen werden gut 2 Mrd. Euro in eine qualitativ bessere und personell aufgerüstete Betreuung vor allem von stationär untergebrachten Demenzkranken gesteckt. Darüber hinaus soll gerade diesen Menschen eine Reform der Pflegestufen zugutekommen. Möglicherweise wird die starre Aufteilung in der bisherigen Form völlig wegfallen und stattdessen ein System von Pflegegraden eingeführt. Gerade für Demenzkranke kämen die Veränderungen wie gerufen. Denn es ist unerlässlicher denn je, dass eine Pflegevorsorge auf jeden Fall auch bei Demenz leistet. Nach Angaben des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen sind mehr als 60 % derjenigen, die stationäre Pflegeleistungen beantragen, von Demenz oder vergleichbaren Erkrankungen betroffen. Und die Lage wird sich deutlich verschärfen. Laut Bundesgesundheitsministerium wird die Zahl der Demenzpatienten von heute 1,4 Mio. auf 2,2 Mio. im Jahr 2030 steigen. Das ist ein Sprung um mehr als 57 % – und ein dringendes Signal zum Handeln.
Doch ob die von den Berliner Koalitionären geplanten Maßnahmen schon der seit vielen Jahren von Experten erwartete und geforderte Befreiungsschlag sein wird, sei dahingestellt, so Eberhard R. Sautter, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur Krankenversicherung AG: „Nein, der große Wurf ist den Koalitionären bei der Pflegeversicherung nicht gelungen. Positiv sind die Maßnahmen zur Leistungsverbesserung und -dynamisierung zu sehen. Mit dem Aufbau eines Pflegevorsorgefonds wird zwar grundsätzlich anerkannt, dass die Umlagefinanzierung der Pflegeversicherung an ihre Grenzen stößt. Nur leider hat die GroKo das falsche Instrument gewählt. Denn die geplante Verwaltung der Gelder bei der Bundesbank weckt Begehrlichkeiten, in Zeiten knapper Kassen diese Reserve wieder zur Finanzierung anderer Maßnahmen zu nutzen. Die Vergangenheit zeigt, dass es im politischen Prozess keine heiligen Töpfe gibt. Daher wäre eine kapitalgedeckte Säule im Rahmen der PKV der konsequente Weg gewesen, da nur so den Kunden über privatrechtlich garantierte Eigentumsansprüche eine nachhaltige Vorsorge garantiert gewesen wäre."
Was bei der Altersvorsorge über Riester- und Rürup-Förderung als richtig erkannt wurde, gilt auch für die Absicherung für den Pflegefall im Alter. Die steigenden Abschlüsse beim „Pflege-Bahr" (täglich etwa 1.600) zeigen, dass viele Bürger die Notwendigkeit zu mehr Kapitaldeckung erkannt haben. Die Kunden in der Privaten Pflegepflichtversicherung (PPV) haben in 30 Jahren etwa 26 Mrd. Euro an Alterungsrückstellungen aufgebaut. Dass die Kapitaldeckung funktioniert, zeigt sich auch daran, dass die Beiträge in der PPV in den letzten Jahren trotz Leistungsausweitung mehrfach gesenkt werden konnten, während seit Einführung der Sozialen Pflegepflichtversicherung seit 1995 der Beitragssatz dreimal angehoben werden musste. Denn längst überrollt die demografische Entwicklung alle – zudem langwierigen – Gesetzesinitiativen. 2,5 Mio. Pflegebedürftige gibt es bereits heute, nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes werden es im Jahr 2030 schon 3,4 Mio. sein – also rund 40 % mehr. Doch dies ist nicht das einzige Problem.
Angesichts der derzeitigen „Minutenpflege im Dauerlauf" warnte der Deutsche Pflegerat bereits: „Jede Reform wird im Ansatz verpuffen und scheitern, wenn nicht die pflegenden Menschen im Vordergrund stehen." Doch dem mittlerweile von vielen als unattraktiv empfundenen Beruf fehlt es an Zulauf – und auch Nachwuchs. Die demografische Entwicklung wird dies noch verschärfen. Letztlich werden diejenigen Angehörigen von Pflegebedürftigen besser dastehen, die auf eine zusätzliche private Pflegeversicherung zurückgreifen können – auch im Rahmen einer häuslichen Betreuung. Jedoch fehlt es dazu (auch) an ausreichender Beratung durch geschulte Vermittler. Diesen Schluss legt zumindest eine Umfrage der SDK vom vergangenen Herbst nahe. 70 % der Befragten gaben darin nämlich an, unsicher in der Frage zu sein, ob sie für den Pflegefall ausreichend abgesichert sind. 73 % fürchten, dauerhafte Pflege im Heim nicht bezahlen zu können. Weitgehende Unkenntnis herrscht vielen Beobachtern zufolge auch hinsichtlich einer in wirklich allen Pflegestufen erforderlichen Leistung. Dabei ist gerade dieser Aspekt entscheidend, wie Philipp J.N. Vogel, Vorstand der DFV Deutsche Familienversicherung AG, erläutert: „Die unteren Pflegestufen sind es schließlich, in denen die Betroffenen am längsten verweilen. Besonders hohe Leistungen in Pflegestufe III sind daher eigentlich eher Augenwischerei, weil diese laut Statistik gerade einmal für durchschnittlich rund 6 Monate gezahlt werden müssen. Daher haben wir bei der Entwicklung der Tarife rund um unsere DFV-Deutschland Pflege ganz bewusst auf entsprechende Leistungen in den unteren Pflegestufen geachtet." Aber es kommt in der SDK-Umfrage noch schlimmer. Denn fast jeder Dritte (30 %) gab zu, sich mit diesem Thema überhaupt nicht zu beschäftigen. Liegt das einfach an unzureichender Beratung? Dr. Ralf Kantak, Vorstandsvorsitzender der Süddeutschen Krankenversicherung a.G. (SDK), erklärt dazu: „Vor zehn Jahren war den meisten Menschen der Bedarf privater Vorsorge für den Pflegefall überhaupt nicht bewusst. Im Vergleich zu damals versichert die SDK heute über sechsmal so viele Personen im Bereich Pflegezusatz. Insofern haben die Vermittler schon viele Menschen dafür sensibilisiert, dass sie für den Pflegefall eigenverantwortlich vorsorgen müssen. Bei uns ist die Pflegevorsorge fester Bestandteil einer jeden Beratung. Mit Einführung der staatlichen Förderung erleben wir aktuell einen Durchbruch im Bewusstsein der Menschen. Das zeigt: Für ein Vorsorgefeld zu sensibilisieren funktioniert am besten, wenn die Aufgabe auf mehreren Schultern verteilt wird. Wer die Verantwortung allein bei den Vermittlern sieht, springt zu kurz."
Immerhin konnten die Versicherer mit dem Pflege-Bahr bislang reichlich Umsatzmachen. Im vergangenen Jahr wurden rund 353.400 Verträge abgeschlossen. Und der Absatz nimmt rasant zu. Bis Ende Januar waren es laut PKV-Verband bereits 400.000 Policen, und die Privaten Krankenversicherer erwarten, dass noch in diesem Jahr die Marke von 1 Million Verträgen geknackt wird. Der Vertrieb leistet in diesem Bereich offenbar Überzeugungsarbeit. Wurden laut Verband in den ersten Monaten nach der Einführung Anfang 2013 bundesweit pro Arbeitstag nur knapp mehr als 200 Policen verkauft, so sind es mittlerweile 1.600 Verträge. Offenbar reizt die Menschen aber auch der staatliche Zuschuss von 5 Euro pro Monat, oder auch die von Verbrauchermedien mittlerweile verbreitete Erkenntnis, dass sich selbstmit einemgeringen Beitrag durchaus ordentliche Leistungen darstellen lassen. Denn wenn es keinen Obolus gratis dazu gibt, sind die Bundesbürger deutlich knauseriger. So konnten im vergangenen Jahr lediglich 174.100 ungeförderte Policen abgeschlossen werden.
Branchenweit liegt der Bestand an Pflegezusatzversicherungen nur bei etwas mehr als 2,7 Millionen Policen. Die Gründe für diese Zurückhaltung erklärt Michael Kurtenbach, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Krankenversicherung AG, seien allerdings nicht zu erkennen: „Es gibt nicht den einen Grund, sondern eine Vielzahl mit unterschiedlicher Gewichtung. Fragt man die Menschen, warum sie bislang keine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen haben, ist die häufigste Antwort, dass sie sich mit dem Thema Pflege noch gar nicht befasst haben, vielleicht wird es auch ganz einfach verdrängt. Mangelnde finanzielle Mittel führen immerhin 27 % der Menschen an, genau so viele hoffen im Pflegefall auf die Unterstützung durch Angehörige oder Freunde. "Dies zeige die Biometrie-Studie, die der Versicherer im April veröffentlicht. Offensichtlich seien die Menschen nicht ausreichend informiert, denn eine gute private Absicherung für den Pflegefall sei meistens günstiger als sie glaubten. Allerdings kommt es auch auf eine gute Kommunikation an. Nicht ohne Grund will beispielsweise die Basler hier einen Schritt weiterkommen, wie Hartmut Holz, Bereichsleiter Produktmanagement Leben der Basler Versicherungen, ankündigt: „Wir wollen wie analog zu unserer Produktlinie ‚Basler Beruf + Pflege' für weitere Produkte die Bedingungen verbraucherfreundlicher formulieren. Diese Bedingungenwurden als erste BU-Produkte am deutschen Markt von der ITA (Institut für Transparenz und Altersvorsorge) für ihre Transparenz mit ‚sehr gut' ausgezeichnet. Unsere Kunden möchten klare Formulierungen und auch für Laien verständliche Texte. Gerade bei einer Risikoabsicherung ist es wichtig, alles zu verstehen und sich auf den Versicherer verlassen zu können." Und natürlich benötigen Makler Unterstützung von den Produktgebern, wie Vogel erläutert: „Eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine qualifizierte, lösungsorientierte Beratung ist die umfassende persönliche Betreuung unserer Vertriebspartner .Darüber hinaus kommt es auf das richtige Handwerkszeug an. Auf Basis unserer Erfahrungen aus dem täglichen Austausch mit Maklern haben wir daher Vertriebskonzepte ‚aus der Praxis für die Praxis' entwickelt und diese gleichzeitig als Weiterbildungsangebote konzipiert. Hierzu zählen zum Beispiel unsere DFV-Pflege- Webinare, in denen wir spezifische Einzelthemen beleuchten oder in aufeinander aufbauenden Modulen umfangreichere Themenkomplexe behandelt werden. Für die Teilnahme an den Qualifizierungsangeboten der Deutschen Familienversicherung können Makler ab sofort übrigens auch Weiterbildungspunkte der Initiative ‚gutberaten' erhalten." Mit der freiwilligen Teilnahme an diesem Projekt stärken Makler ihre Position hinsichtlich der von ihren Kunden geforderten Fachkompetenz. Und verschaffen sich somit letztlich auch noch einen Marktvorteil.
Fazit
Binnen 16 Jahren wird die Zahl der Pflegefälle um fast 60 % explodieren. Vor diesem Hintergrund sehen Versicherer die Pläne der Bundesregierung für eine Pflegereform nicht gerade als großen Wurf. Richten könnten es allein private Zusatzpolicen. Doch bei deren Verkauf tun sich Vermittler denkbar schwer. Das muss sich dringend ändern. (hwt)