Liebhaberfahrzeuge sind nichts Rationales!
24.08.2023
Zufällig einen 1954er Porsche Speedster, einen 1961er Mercedes 190 SL und einen 1973er Chevrolet Monte Carlo in der Garage und Sie wissen nicht, wohin mit den schicken Karossen? In gute Hände natürlich! Marcel Neumann, Mitglied der Geschäftsleitung bei OCC Assekuradeur GmbH sowie Carsten Möller Geschäftsführer der „Herzenssache. Der Assekuradeur! GmbH“ wissen alles, wenn es um die beste Versicherung für richtige Schätze geht. Wir haben die beiden Experten getrennt voneinander befragt.
finanzwelt: Meine Herren, Sie versichern eine Bandbreite an Liebhaber-Autos: Oldtimer, Youngtimer, Premium Cars oder gar Sammlungen. Wo liegt für Sie als Versicherer das größte Potenzial und warum?
Marcel Neumann» Grundsätzlich bilden Oldtimer bei uns den größten Anteil und wir sind sehr dankbar über den anhaltenden, großen Zuspruch unserer Community. Aber auch Fahrer von Luxuskarossen sind bei OCC bestens aufgehoben. In dieser Zielgruppe und in großen Fahrzeug-Sammlungen sehen wir noch erhebliche Potenziale. Bei unseren Kooperationspartnern beobachten wir, dass immer noch viele Oldtimer über herkömmliche Kfz-Versicherungen abdeckt sind. Dies birgt einerseits ein hohes Risiko im Schadensfall, andererseits sehen wir auch die Möglichkeit, die Kundenbindung zu stärken, indem wir spezielle Angebote von OCC platzieren.
Carsten Möller» Jeder einzelne der Bereiche bietet großes Potenzial. Wir haben im Markt wohl um die eine Million Oldtimer, ca. zwei Millionen Youngtimer und ca. 600.000 Premiumfahrzeuge, die als Liebhaberfahrzeuge bezeichnet werden können. Der Markt ist ein echter Nischenmarkt und daher für die meisten Versicherer nicht interessant genug, um hierfür ein eigenes Produkt im Portfolio zu haben. Und das ist unser eigentliches Potenzial: Diese Versicherer gehen mit uns ins Gespräch bzgl. einer Zusammenarbeit in diesem Bereich. Warum? Weil wir komplett unabhängig sind und viele Themen anders lösen als üblich.
finanzwelt: Das 1. Halbjahr 2023 ist vorüber. Wie hat sich die Wirtschaftslage (Inflation, Zinserhöhung, Krieg in Europa) auf die Branche ausgewirkt?
Neumann» Unsere Hypothese zu Beginn des Jahres, dass durch Inflation und Krieg das Geschäft mit günstigeren Klassikern leiden wird, hat sich teilweise bewahrheitet. Dadurch war eine Verschiebung der Saison zu beobachten, im Juni konnten wir dagegen einen scheinbar hohen Nachholbedarf feststellen. Deswegen bleiben wir bei unseren ambitionierten Wachstumszielen für 2023 in einem immer stärker umkämpften Marktumfeld.
Möller» Alles wird teurer. Und das leider auch in unserem speziellen Marktsegment. Die Stundenverrechnungssätze der Werkstätten steigen, Ersatzteile sind teurer geworden usw. Das geht auch an unserem Bereich leider nicht spurlos vorbei.
finanzwelt: Welche Pläne haben Sie für das 2. Halbjahr für das Unternehmen, was das Portfolio anbetrifft?
Möller» Unser Portfolio besteht aus den Absicherungsvarianten Teilkasko, Vollkasko und MultiRisk für die Segmente Oldtimer, Youngtimer, Newtimer und Premiumfahrzeuge. Mit intelligenten und passenden Bausteinen kann der Kunde seinen Versicherungsschutz flexibel erweitern. An diesem Portfolio werden wir im 2. Halbjahr 2023 grundsätzlich nichts verändern, nehmen aber innerhalb der Bestandteile regelmäßig Optimierungen und Anpassungen vor.
Neumann» Wir sehen Potenzial außerhalb unserer Kernzielgruppen und darüber hinaus. Durch die Weiterentwicklungen unserer Technologien und Services erfahren wir zudem einen immensen Zuspruch. Darüber sind wir dankbar und wollen diesen Schwung mit ins Jahreswechselgeschäft nehmen.
finanzwelt: Sind Klassiker ein kostspieliges Hobby und daher eher für eine gehobene Kundschaft oder handelt es sich bei den Objekten auch um Familienbesitz?
Neumann» Teilweise sind es mobile Klassiker aus Erbschaften, andere Fahrzeuge sind erfüllte Kindheitsträume, Anschaffungen von Hobbyschraubern oder Investitionsobjekte. Die Bedürfnisse unserer Community sind so individuell wie die schönen Formen der Automobile aus vergangenen Jahrzehnten. Konkret aber muss das Hobby nicht teuer sein.
Möller» Das kommt ganz darauf an! Es gibt Klassiker, die sehr wertvoll und selten sind. Diese findet man eher im Besitz von Sammlern und wohlhabender Klientel. Mittlerweile sind aber auch einstige ‚Alltagsfahrzeuge‘ alt genug, um als Oldtimer zu gelten. Kürzlich begegnete mir auf einer Rallye sogar ein VW Polo aus dem Jahr 1992! Oldtimerei muss nicht teuer sein, kann aber! Es kommt immer darauf an, um was für ein Schmuckstück es sich handelt, wie dessen Zustand ist und welche Möglichkeiten man hat.
finanzwelt: Worauf muss der Makler bei einem Verkaufsgespräch besonders achten, wenn es um solche „Herzstücke“ geht?
Möller» Liebhaberfahrzeuge sind nichts Rationales! Der Kunde hängt mit seinem Herz an diesem Fahrzeug, verbindet Erinnerungen mit ihm. Und daher sollten Vermittler auch mit dem entsprechenden Fingerspitzengefühl an das Thema herangehen und es nicht wie eine ‚klassische Sachversicherung‘ behandeln. Und ebenfalls aus diesem Grund ist die Absicherung eines Klassikers oder Premiumfahrzeugs ein super Türöffner, den Kunden auch in anderen Versicherungsbelangen zu vertreten.
Neumann» Ich würde niemals empfehlen, Sammler-Fahrzeuge mit Wertsteigerungspotenzial in einer Standard-Kfz-Versicherung abzusichern. Im Schadenfall wird zuerst der Kunde und dann der Makler das Nachsehen haben. OCC versichert den Markt-, Wiederbeschaffungs- und Wiederherstellungswert. Reguliert wird am Tag des Schadens der maximal vereinbarte Versicherungswert – gemäß eines erstellten Wertgutachtens oder der von uns geforderten Selbsteinschätzung durch ein digitales Wertgutachten. Bei der Standard-Kfz-Versicherung wird nur der Wiederbeschaffungswert bezahlt, der – abzüglich eines etwaigen Restwerts – einen hohen Unterschied zum eigentlichen Wert des Fahrzeugs ausmachen kann. (ml)