Lage, Lage, Lage wird beim Wohnen nicht mehr das einzige Argument sein!
30.06.2021
Henrik Diemann, Geschäftsführer von URBAINITY / Foto: © URBAINITY
Der Wohnungsmarkt ist in Bewegung und die Nachhaltigkeitsdebatte heizt das Thema Immobilien zusätzlich an. Der Zuzug in die urbanen Zentren und die Individualisierung der Gesellschaft führen seit über einer Dekade zu einem enormen Preisdruck im Bereich Eigentumswohnungen und Mieten. Glücklich sind die, die vor Jahren eine Eigentumswohnung erworben haben. Denn wenn die Wohnung auch zu damaligen Zeiten zu Höchstpreisen erworben wurde, ist sie heute überdurchschnittlich im Wert gestiegen. Dies gilt insbesondere für gute Lagen, denn alle wollten in die Stadtzentren oder in die gut angebundenen Stadtteillagen.
Der Einfluss neuer Arbeitsmodelle
Die fortschreitende Digitalisierung und coronabedingten Veränderungen der Arbeitswelt lassen inzwischen jedoch einen ganz anderen Blick zu: Das in vielen Branchen erfolgreich umgesetzte Homeoffice erlaubt nun auch das Arbeiten in den Vororten oder auf dem Land, ohne lange Fahrtzeiten in Kauf zu nehmen. Remote Work und hybride Arbeitsmodelle werden auch weiterhin Bestand haben. Deshalb wird die Nähe zu den Flughäfen für kommende Geschäftstermine keine große Rolle mehr spielen. Viele Besprechungen werden jetzt und zukünftig über Videokonferenzen erledigt. Die Auswahl an Wohnorten wird demnach wieder größer und andere Kriterien werden, neben der Lage, zukünftig eine entscheidende Rolle spielen.
Warum nachhaltige Gebäudekonzepte auch in B-Lagen zu neuen Marktwerten führen können
Der neue Trend in der Immobilienbranche heißt Sustainable Living. Nachhaltige Gebäudekonzepte sind gefragt. Dies wird insbesondere durch die Klimakrise und die Transformation der Städte beflügelt. Die Initiative Fridays for Future hat in kürzester Zeit ein neues Bewusstsein in Bewegung gesetzt und die Generation Z legt insgesamt ein völlig anderes Konsumverhalten an den Tag. Vegan oder vegetarisch, weniger Flugreisen, verantwortungsvolle Mode und ein gesunder, bewusster Lebensstil prägen diese für die Wirtschaft wichtige Zielgruppe. Für den Immobiliensektor und alle die darin investieren wollen, bedeutet dies ein ganz anderes Projektverständnis. Nur die Lage wird zukünftig nicht mehr das stärkste Argument sein. Die Zielgruppen von morgen (und auch schon heute) fragen nach den Umweltauswirkungen eines Gebäudes, wollen wissen, ob ausschließlich erneuerbare Energien eingesetzt werden und wie es sich mit dem Raumklima verhält. Gesundes Essen wird dem Stadtbewohner der Zukunft nicht mehr reichen, denn jeder wird in einem Gebäude wohnen wollen, das die Umwelt nicht schädigt, sondern im besten Fall sogar eine positive Auswirkung auf diese hat.
[caption id="attachment_142941" align="alignnone" width="640"] Zukunftsweisend: Die begrünte Fassade des Projekts URABINITY JUNGLE / Foto: © URABINITY[/caption]
Das ist zum Beispiel bei sogenannten Plusenergiehäusern der Fall oder Gebäuden mit intensiven Fassadenbegrünungen. Die begrünten Außenwände funktionieren wie ein vertikaler Garten, erhöhen die Biodiversität und schaffen für Bienen einen wichtigen Lebensraum. Diese Art nachhaltiger Gebäude kann nicht nur in den Innenstädten für eine neue Form des Wohnens sorgen, auch außerhalb des Stadtzentrums sind solch durchdachte Wohnprojekte gefragt und besonders für Kapitalanleger, die sich bewusst für eine nachhaltige Investition entscheiden, attraktiv. Für Kapitalanleger ist es wichtig, zukunftssichere Mieterträge zu erzielen und gleichzeitig eine geringere CO 2 -Besteuerung für die Immobilie bezahlen zu müssen. Gerade in nicht zentrumnahen Lagen werden konsequente und innovative Nachhaltigkeitskonzepte eine bisher nicht gekannte Alleinstellung bieten, die langfristig zu einer besseren Wertentwicklung führt. Dies bewegt zurzeit auch intensiv die großen Investmentgesellschaften und Versorgungswerke, die sich fast alle neue Portfolio-ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) ins Pflichtenheft schreiben. Die Immobilienbranche wird sich in den nächsten Jahren im Hinblick auf die Einhaltung der Klimaziele auf erhebliche Gesetzesänderungen einstellen müssen. Das Gute ist dabei nicht nur die Priorisierung des Klimaschutzes, auch der Markt wird diesen Wandel nachfragen und der Wohnungsbau wird noch einmal neu gedacht.
Gastbeitrag von Henrik Diemann, Geschäftsführer von URBAINITY