Kommt jetzt die Inflations-Dekade?

05.07.2021

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Die extreme Ausweitung der weltweiten Geldmengen, verbunden mit historisch hoher Staatsverschuldung, begünstigt und nur dadurch finanzierbar durch rekordniedere Zinsen, dürften nun zu einer inflationären Entwicklung führen, die das „Ziel“ zwei Prozent übersteigen. Bei uns jüngst schon 2,5 Prozent (höchste Rate seit 2008), in USA fünf Prozent, wobei die gelebten Lebenshaltungskosten (Geldbeutelinflation ohne Statistiken des Bundesamtes) schon seit Jahren darüber liegen.

Die Maßnahmen zum Klimawandel und eine Neuordnung der Lieferketten (sicherer, aber teurer) werden diesen Trend verstärken oder zumindest verstetigen. Die Verharmlosung „vorübergehend“ durch die Notenbanken könnte sich als „versagende Beruhigungspille“ herausstellen. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, die während der Pandemie fast eingeschlafen war, wird nach Ende des Lockdowns eine Renaissance erfahren.

Die Inflation der Konsumentenpreise wird der der Vermögenswerte folgen. Pauschalreisen, Restaurants und Hotels haben die Preise schon erhöht. Nach den Zurückhaltungen beim Lohn in 2020 und 2021 werden im kommenden Jahr die Forderungen wieder aufleben, zumal viele größere Firmen eine erstaunliche Entwicklung vorweisen und die Vorstände hohe Boni einstreichen.

Auf aktuellem Niveau dürften die Rohstoffe und die Edelmetalle prozentual besonders von einem Inflationszuwachs profitieren. Denn die Zinsen müssen aufgrund der Weltverschuldung auf Dauer nieder bleiben. Nun will die FED die Inflationsängste aus dem Markt nehmen, indem sie verkündet, dass sie in 2023, also in anderthalb Jahren (!!!!) Zinserhöhungen vornehmen wollen. Dass bedeutet zunächst, dass die nächsten 18 Monate keine Zinserhöhung vorgesehen ist. Warum eigentlich nicht? Aktuell boomt Amerika und könnte eine Anhebung der Zinsen gut verkraften. Eventuell hat sich die Wirtschaft in 2023 wieder beruhigt. Und dann sollen die Zinsen erhöht werden (was die Wirtschaft noch mehr bremst)? Nie und nimmer! Eine „Ausrede“ wird sich dann finden.

Auch wenn wir uns grundsätzlich politisch neutral verhalten, muss ich feststellen, dass in meinem Umfeld (Familie, Freunde, Kunden, Vereine, Kollegen, alle w/m) sich ein grundsätzliches Urteil gebildet hat: Wir wurden noch nie so schwach regiert. Auch bei der kommenden Wahl wählt man nicht seinen Favoriten/innen (Brandt, Schmidt, Kohl, Genscher, Schröder, Merkel), sondern das „kleinste Übel“. Erschreckend: 30 Prozent der Wahlberechtigten wollen keinen der drei Kandidaten.

Wichtige Erkenntnis daraus für den Anleger ist der steigende Vertrauensverlust bezüglich der Politik. Aber auch gegenüber den Hütern des Geldes, nämlich den „neutralen“ Notenbanken schwindet das Vertrauen, verstärkt durch die zunehmende Verschmelzung von Geld- und Fiskalpolitik. Als gravierend gilt aktuell das übergreifende Postengescharrere (Ex- FED-Chefin Yellen wird Finanzministerin, Ex EZB-Chef Draghi wird Ministerpräsident). Neuerdings werden nun digitale Zahlungsmittel und Vermögenswerte von den politischen Gremien als „große Weiterentwicklung“ angepriesen. Aber verbunden mit der Reduzierung/Abschaffung des Bargeldes wird der Spielraum für mittelfristig falsche, aber „angenehme“ Maßnahmen unkontrollierbar erweitert.

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