Kommt die Europa-Rente?

14.08.2016

Europa-Rente als eine grenzüberschreitende Lösung - ein EU-Thema © Syda Productions - Fotolia.com

Vor lauter abgehakten Themen, wie etwa dem Brexit, übersehen viele die Themen welche Europäer mehr interessieren sollten. Die Europa-Rente ist so ein Thema, das viel mehr an Beachtung verdient.

2016-08-15 (fw/db) In der Diskussion rund um das Thema Altersvorsorge erhält ein Vorschlag bisher recht wenig Aufmerksamkeit: die „Europa-Rente“. Es gibt schon seit Jahren seitens der Kommission der Europäischen Union (EU) Überlegungen, ein im gesamten Binnenmarkt geltende Lösung für die Altersvorsorge einzuführen. Nach den Stellungnahmen der Vertreter aus den Mitgliedsstaaten und der Aufsichtsbehörde EIOPA können nun auch die Bürger ihre Meinung dazu äußern.

Warum eine Europa-Rente?

Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungssysteme in der EU werden für kommende Rentnergenerationen nicht ausreichen. Diese Erkenntnis ist nicht nur in Deutschland hinlänglich bekannt, auch die EU-Kommission hat sich des Themas angenommen. Ursachen sind sowohl die demografischen Veränderungen – immer mehr ältere Menschen stehen immer weniger jüngeren und Erwerbstätigen gegenüber – als auch die nach wie vor schwierige Lage, in der sich viele Staatshaushalte befinden. Zur Sanierung von nationalen Sozialversicherungen wird nicht vor Leistungskürzungen oder Anhebung von Renteneintrittsaltern Halt gemacht. Die Kommission schlägt daher eine Europa-Rente („Pan European Personal Pensions Products“ – PEPP) vor. „Mit der Europa-Rente verfolgt die EU-Kommission mehrere Ziele: Zum einen sollen die EU-Bürger mehr für das Alter vorsorgen, zum anderen würde ein solches Produkt einen Meilenstein im Rahmen des Aktionsplans der Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion darstellen“, so Dr. Paulgerd Kolvenbach von der Longial GmbH, eine Tochter der ERGO-Versicherungsgruppe. Aus der Verbindung von langfristig angelegtem Sparen und dem damit einhergehenden Bedarf an langfristig orientierten Kapitalanlagemöglichkeiten der Produktanbieter entsteht nach Einschätzung der EIOPA hierfür ein attraktives Marktumfeld. Die wohl noch länger anhaltende Niedrigzinsphase ist eine besondere Herausforderung. Für nachhaltige Investitionen hat die europäische Aufsichtsbehörde in Infrastrukturprojekte und für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ins Auge gefasst, die zudem die europäische Wirtschaft stärken und zu zusätzlichen Arbeitsplätzen führen sollen.

Was ist anders zu vorhandenen Altersvorsorgesystemen?

Was macht die Europa-Rente anders als die heute schon vorhandenen Angebote zum Aus- beziehungsweise Aufbau einer adäquaten Altersversorgung? „Die zentralen Anforderungen der EIOPA ähneln der ‚Quadratur des Kreises‘“, meint der Experte der Longial. Eine Lösung soll ohne großen Erklärungsbedarf verständlich, zudem transparent, kostengünstig, sicher und mit attraktiven Renditechancen versehen sein. Um den Wettbewerb innerhalb der EU zu entfachen, sollen die Lösungen grenzüberschreitend angeboten werden. Die Folge: Zieht ein EU-Bürger in ein anderes EU-Land, ist er nicht mehr gezwungen, seine Europa-Rente zu kündigen. Vertriebskosten sollen aufgrund eines Online-Vertriebs nahezu entfallen. Die Vielfalt der Produkte soll eine breite Palette an Anbietern gewährleisten, darunter Banken, Versicherungen, Investmentgesellschaften, (staatliche) Pensionseinrichtungen und Versorgungskassen. Die Europa-Rente soll neben allen bereits vorhandenen Lösungen, beispielsweise der betrieblichen Altersversorgung oder privater Altersvorsorgelösungen wie der Riester-Rente, angeboten werden.

Direkte Befragung der EU-Bürger

Nachdem für die beiden bisherigen Stellungnahmen im Wesentlichen Interessenvertreter der einzelnen Mitgliedsstaaten und Produktanbieter einbezogen wurden, richtet sich EIOPA nun an die EU-Bürger. Online haben sie bis zum 31.Oktober 2016 die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit und Anforderungen an Altersvorsorgeprodukte der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. In einem zweiten Abschnitt richtet EIOPA Fragen an Verbraucherorganisationen, in einem dritten Abschnitt an Produktanbieter. „Leider weiß außer den Fachleuten kaum jemand von dieser Befragung, dabei würde eine hohe Beteiligung der EU-Bürger und Verbraucherorganisationen wichtige Erkenntnisse liefern können“, stellt der Longial Experte fest.

Offene Fragen suchen klare Antworten

Fragen bleiben bei dem Ziel, kostengünstige und langfristige, vor allem aber auch renditeträchtige Anlagen zu bieten sowie bei der steuerlichen Behandlung der Europa-Rente. Lassen sich Altersvorsorgeprodukte ohne persönliche Beratung vermitteln? Gibt es einen eigenen steuerlichen Rechtsrahmen auf der ganzen EU-Ebene? Und vor allem: Wie schafft man europaweit das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass zusätzliche Vorsorge für das Alter dringend notwendig ist? Es besteht also noch Klärungsbedarf. „Eine europäische Initiative, das Bewusstsein für eine zusätzliche Altersversorgung zu schärfen, verbunden mit grenzüberschreitenden Lösungen, ist eindeutig zu begrüßen“, so die Experten der ERGO-Tochter Longial.