Können die Emerging Markets der Korruption Herr werden?

04.11.2015

Anlagen in die Emerging Markets (EM) waren in jüngster Zeit einigen Turbulenzen ausgesetzt, doch auf mittlere Sicht rechnen wir hier mit einer Besserung. Grund dafür ist die von verschiedenen Regierungen beabsichtigte Bekämpfung der Korruption.

Anlagen in die Emerging Markets (EM) waren in jüngster Zeit einigen Turbulenzen ausgesetzt, doch auf mittlere Sicht rechnen wir hier mit einer Besserung. Grund dafür ist die von verschiedenen Regierungen beabsichtigte Bekämpfung der Korruption.

Von Asien bis Lateinamerika arbeiten Regierungen am Abbau von Korruption sowie an einer transparenteren Gestaltung von Politik und Wirtschaft. In Brasilien beispielsweise führte der Bestechungsskandal um die staatliche Ölgesellschaft Petrobras zu einer Anklage hochrangiger Politiker sowie zu Haftstrafen für einige Top-Manager.

Das Bestreben, Betrug, Bestechung und andere Korruptionspraktiken einzudämmen, sorgte an den Märkten für Unternehmensanleihen der Emerging Markets ironischerweise für erhöhte Volatilität. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Inhaftierung von Politikern und Geschäftsführern häufig zu kurzfristigen politischen Unruhen, politischer Lähmung, verlangsamtem Wachstum und nicht zuletzt schlaflosen Nächten für Anleger führt.

Im Falle Brasiliens hat der Petrobras-Skandal die dringend erforderlichen Fiskalreformen der Regierung erschwert und die kurzfristigen Konjunkturaussichten verschlechtert. Standard & Poor‘s antwortete darauf mit einer Herabstufung Brasiliens von dessen Investment-Grade-Rating. Und Anleger ließen brasilianische Anlagen plötzlich links liegen.

Schritte zur besseren Unternehmensführung

In den Emerging Markets preisen Marktteilnehmer diese kurzfristigen Risiken ein. Der Kurs vieler Lokalwährungen ist stark eingebrochen und die Volatilität hat zugenommen.

Doch bislang übersehen Anleger die mittelfristigen Vorteile, die sich unseres Erachtens aus den Antikorruptionsmaßnahmen ergeben. Hierzu zählen eine bessere Unternehmensführung, Offenlegung der Finanzen gegenüber Anlegern, Unabhängigkeit der Justiz sowie freie und lebendige Berichterstattung in den lokalen Medien.

Den Turbulenzen der vergangenen Monate zum Trotz verzeichnete der JPMorgan EMBI Global, ein Index aus auf US-Dollar lautenden EM-Staatsanleihen, über einen Zeitraum von zwei Jahren per 31. August 2015 eine annualisierte Rendite von 5,1 %. Damit zählt dessen Wertentwicklung zu den besten im Bereich festverzinslicher Vermögenswerte.

Im selben Zeitraum erzielte der JPMorgan CEMBI Broad Diversified, ein Index aus EM-Unternehmensanleihen, eine annualisierte Wertentwicklung von knapp 5,3%. Der Schritt zu mehr Transparenz in Politik und Wirtschaft dürfte in den kommenden Jahren in vielen Ländern der Emerging Markets für ein besseres Anlageklima sorgen.

Die Menschen gehen auf die Straße

Doch warum wurden in so unterschiedlichen Ländern wie China, Brasilien, Indien, Malaysia und Guatemala endlich Antikorruptionskampagnen gestartet ?

Gewiss nicht auf Drängen ausländischer Anleger. Wie zahlreiche andere Vermögensverwalter halten auch wir die politischen Entscheidungsträger der Emerging Markets seit Jahren dazu an, ihren Fokus auf höhere Transparenz und eine bessere Unternehmensführung zu richten, doch bisher meist vergeblich.

Nun hat sich folgendes geändert: In vielen Ländern stecken Bürger die Erwartungen an ihre Regierung plötzlich höher. Sie fordern ein schärferes Vorgehen gegen Bestechung und Betrug. Zudem verlangen sie von Politikern endlich das Angehen wichtiger Themen wie etwa Umweltverschmutzung, Sozialfürsorge und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten.

Erst wenn die Menschen in den Straßen protestieren – wie in Brasilien, Guatemala oder auch andernorts der Fall – und in den lokalen Medien täglich über Korruption berichtet wird, hören die Staats- und Regierungsoberhäupter hin. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff beispielsweise sah ihre Zustimmungswerte in den einstelligen Bereich sinken. Und sowohl von ihren Wählern als auch von ihren politischen Gegnern wurden Rufe nach einer Amtsenthebung laut.

Mehr Einfluss für Anleger

In zunehmendem Maße verlangen Anleger auch eine Offenlegung der Finanzen von Unternehmen (sei es von Rohstoffunternehmen in Hongkong oder Bauunternehmen in Mexiko) und Regierungen.

Seit Jahren hegen Anleger weltweit z.B. Bedenken hinsichtlich der Verlässlichkeit chinesischer Wirtschaftsdaten. Und im Zuge der einsetzenden Konjunkturverlangsamung in China verstärkten sich diese Vorbehalte, insbesondere mit Blick auf das BIP-Wachstum oder die hohe Zahl an faulen Krediten in den Büchern chinesischer Banken.

Fühlen sich Anleger hinters Licht geführt, preisen sie im Hinblick auf das chinesische Wirtschaftwachstum ein Katastrophenszenario ein. Dieser Umstand hat Auswirkungen auf die Rohstofftitel bzw. auf Länder und Unternehmen, deren wirtschaftliche Entwicklung eng an die Rohstoffpreise gekoppelt ist.

Noch ist Vorsicht geboten

Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die Emerging Markets über Nacht ihrer Probleme Herr werden. Schließlich gehen nicht alle Länder mit derselben Entschlossenheit gegen Korruption vor. Doch selbst in den Ländern ohne nennenswerte Gegenmaßnahmen verfolgen Politiker und Unternehmensführer die Entwicklungen unseres Erachtens sehr genau und lernen eine wertvolle Lektion.

Wie immer sollten Anleger mit Blick auf die Emerging Markets Vorsicht walten lassen und mithilfe eines unternehmens- und länderspezifischen Ansatzes gezielte Entscheidungen treffen. Den bedeutenden kulturellen Wandel in zahlreichen Ländern der Emerging Markets sollten sie dabei jedoch nicht außer Acht lassen.

Auf kurze Sicht bedeutet dies mehr Volatilität und Ungewissheit sowie wahrscheinlich auch langsameres Wachstum. Doch langfristig rechnen wir mit einer verbesserten Unternehmensführung in den Emerging Marktes. Zukünftig könnte es sich für Anleger daher auszahlen, Länder mit bestehenden Antikorruptionsmaßen nicht länger abzustrafen.

Autorin: Shamaila Khan, Portfolio Manager—Emerging Markets Corporate Bonds bei AB