Knappes, überlebenswichtiges Gut

18.04.2023

Nedim Kaplan und Verena Kienel im Doppelinterview - © ÖKOWORLD

Wasser ist die Quelle des Lebens. Ein Menschenrecht. Es kann doch nicht sein, dass auch 2023 noch immer mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Der Weltwassertag zeigt auf, wie ernst die Lage nach wie vor ist. Trotz erzielter Fortschritte. Verena Kienel, die zusammen mit Mathias Pianowski der Abteilung Nachhaltigkeits-Research der ÖKOWORLD vorsteht, mit Senior Portfoliomanager Nedim Kaplan im Doppel-Interview.

finanzwelt: Winterdürre in Europa, Überflutungen andernorts. Angesichts des kürzlich stattgefundenen Weltwassertages, wie ist es um die lebenswichtige Ressource Wasser bestellt?

Verena Kienel: Wasser ist eine unverzichtbare Lebensgrundlage. Aber sauberes Wasser schwindet. Zum einen ist da die Bedrohung durch den Klimawandel: Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Niederschlagsraten und Grundwasserspiegel sinken, Wetterextreme wie Dürren, Starkregen und Überflutungen werden häufiger. Zum anderen die Verschmutzung von Wasserressourcen durch Menschen und Industrie. Gleichzeitig wächst der Wasserbedarf durch Mensch, Landwirtschaft, Energie und Industrie. Auch der UN-Weltklimarat schlägt Alarm. Demnach sind schlechtere Ernten weltweit und der Kampf um schwindende Wasserressourcen merkliche Gefahren, die als Folge der sich fortsetzenden Erderwärmung auf uns zukommen.

Nedim Kaplan: Wasser ist ein knappes Gut. Wasser ist überlebenswichtig, nicht nur als Trinkwasser, sondern vor allem für die Nahrungsproduktion, denn weltweit ist die Landwirtschaft der größte Wasserverbraucher. Zudem ist Wasser auch ein wichtiger Input in vielen industriellen Prozessen. Das alles gilt es, ständig im Blick zu haben.

finanzwelt: Das Motto des Weltwassertages 2023 der UN lautete: „Accelerating Change“. Ist der Fortschritt zu langsam; stockt er?

Kienel: Ich denke, dass die Botschaft der Dringlichkeit bei den Verantwortlichen in Politik, Unternehmen und Gesellschaft schon weitgehend angekommen ist, jedoch ist noch viel zu wenig passiert und es bedarf eines enormen Kraftaufwandes auf einer Vielzahl von Ebenen. Ein reines „Weiter so!“ kann und darf es nicht geben. Bis 2030 sollte nach dem Ziel 6 für Nachhaltige Entwicklung jeder Mensch Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung haben. Von diesem Ziel ist man jedoch noch weit entfernt. Zum Glück sind jetzt aktuell Fortschritte erkennbar. Nehmen Sie beispielsweise den kürzlich abgeschlossenen Vertrag über den Schutz der Weltmeere. Lange galt eine Einigung über den Vertrag als eher unwahrscheinlich. Ein Meilenstein; weitere müssen folgen.

finanzwelt: Wahrscheinlich bedarf es auch zusätzlicher Regulierung.

Kaplan: Wasser wird oft als Gold des gegenwärtigen Jahrhunderts angesehen. Es ist Wirtschaftsgut und zugleich wesentliche Grundlage allen Lebens. Und es wird immer knapper. Obwohl es das Recht auf einwandfreies, sauberes Trinkwasser gibt, haben mehr als zwei Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu einer sicheren Trinkwasserversorgung. Hier müssen Staaten und internationale Organisationen einwirken. Die Zeit drängt. Positiv stimmt, dass Staaten sich verstärkt ihrer globalen Verantwortung bewusst sind und in eine bessere Wasserinfrastruktur investieren. Auch Unternehmen investieren zunehmend in entsprechende Lösungen/Lösungsansätze, um nachhaltiger zu werden. Es geht um eine knappe Ressource und dem verantwortungsvollen Umgang.

finanzwelt: Wasser als Investmentthema – kein kurzzeitiger Hype, sondern beständiger Begleiter und wichtiger denn je?

Kaplan: Absolut. Das Thema Wasser hat für Investoren eine zunehmende Bedeutung. Die Treiber sind unter anderem eine wachsende Bevölkerung und Urbanisierung, der erwähnte Klimawandel, der enorme und ständig wachsende Bedarf an Wasserinfrastrukturinvestitionen sowohl in Entwicklungs-, aber auch in Industrieländern. Der steigende Wohlstand in vielen Emerging Markets geht auch mit einem höheren Wasserbedarf einher. Aber wir brauchen nicht unbedingt in die Ferne zu schweifen. Anhaltende Trockenheit und Überflutungen sind Phänomene, die wir auch hierzulande immer öfter wahrnehmen. 

finanzwelt: Nun gibt es einige Produktlösungen zum Schwerpunkt Wasser. Lassen Sie uns über Ihren Ansatz im ÖKOWORLD WATER FOR LIFE reden. Wie heben Sie sich ab?

Kienel: Die Marke ÖKOWORLD gibt es mittlerweile seit fast fünf Jahrzehnten. In dieser langen Zeit sind wir unserem Selbstverständnis des nachhaltigen Investierens treu geblieben. Faule Kompromisse passen nicht ins Bild und werden unserem Ansatz nicht gerecht. Heißt, wir wenden einen strikt getrennten Investmentprozess an, so dass es keine Interessenkonflik­te zwischen finanziellen und nachhaltigkeitsrelevanten As­pekten gibt. Nur aus dem durch vorherige Nach­haltigkeitsanalyse gefilterten Anlageuniversum darf das Fondsmanagement Unternehmen für ein Investment auswählen. Wir sprechen hier über ein Anlageuniversum von circa 600 Titeln für unseren Wasserfonds, aus denen dann aktuell ungefähr 100 investiert sind. Diese Investmentphilosophie, die für alle ÖKOWORLD-Fonds gleichermaßen gilt als auch das „Nein“ zu Kompromissen, zeichnet uns aus. Unternehmen, die unverantwortlich mit Wasser umgehen oder Wasser in Flaschen abfüllen und für Profit verkaufen, finden sich bei uns jedenfalls nicht.

Kaplan: Ich möchte ergänzen, dass wir neben den Ausschlusskriterien auch immer einen Blick darauf werfen, inwieweit die Portfoliounternehmen einen wirklich messbaren Beitrag zu einer nachhaltigen Welt leisten.

finanzwelt: Das Thema Wasser ist vielschichtig. Verfügbarkeit und Qualität sind wichtig. Artverwandte Sektoren ziehen Sie aber auch in Betracht.

Kaplan/Kienel: Richtig. Neben den beiden Top-Themen „Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung“ bzw. „Effiziente Wassernutzung in Prozessen“ schauen wir auch jenseits des Offensichtlichen. Nachhaltige Mobilität ist ein Stichwort, aber auch Aspekte wie das Wassermanagement innerhalb von Gebäuden oder die benötige Wassermenge von Kleidung und Textilien. Was wir sehen, ist das Wasser, das aus dem Hahn kommt. Doch die Bandbreite ist viel größer. Hier gilt es, anzusetzen und das machen wir.

finanzwelt: Schließen wir mit Ihrer Kernbotschaft.

Kaplan/Kienel: Die Ressource Wasser ist knapp und überlebenswichtig. Der Zugang zu Wasser kein Privileg. Insofern bedarf es nach wie vor einer enormen Kraftanstrengung auf einer Vielzahl von Ebenen, um dieses zu gewährleisten. Wir alle stehen in Verantwortung und können unseren Beitrag im Sinne einer nachhaltigen Welt leisten. (ah)