Klein aber fein ist in

05.08.2015

Griechenland stimmt mit Nein, der DAX hält sich vergleichsweise ungerührt auf über 10.000 Punkten, und über Sparzinsen nachzudenken, verbietet der gute Geschmack – das Thema „Anlagenotstand“ ist im Sommer 2015 kein Luxusproblem mehr, sondern weitverbreitete Normalität. Ein neuer Trend im Immobilienmarkt eröffnet Möglichkeiten.

Die Suche nach Alternativen verläuft immer schwerfälliger: Gold – zu teuer; Anleihen – zu riskant; Kunst – zu kompliziert. Also Immobilien. Immobilien gehen immer. „Die unsichere Situation an den Finanzmärkten und der Wunsch nach einer stabilen Geldanlage fördern die Investition in Immobilien“, urteilt Kai Enders, Vorstand der Engel & Völkers AG. Und das gilt sowohl für institutionelle wie private Investoren, und beide Gruppen bevorzugen gleichermaßen den deutschen Immobilienmarkt – aus dem kranken Mann Europas ist das Zugpferd der europäischen Wirtschaft und der attraktive Stabilitätsanker geworden. Diese Zuneigung blieb am Markt nicht ohne Wirkung: Im letzten Jahr wurden in Deutschland Wohnungspakete (ab 10 Wohneinheiten) für 15,8 Mrd. Euro umgesetzt, meldet das Maklerhaus Jones Lang LaSalle, das ist der höchste Stand seit 2005 (s. Grafik 1). Doch die Ära der Rekordanstiege neigt sich ihrem Ende zu. Das Immobilienklima in Deutschland, wie es die Deutsche Hypo in Form des Immobilienkonjunktur-Index monatlich erhebt, hat sich seit Januar 2009 fast ausschließlich verbessert. Erst seit Ende 2012 sind anfängliche Abkühlungstendenzen erkennbar, die allerdings erst seit Juni 2015 auch auf den Markt für Wohnimmobilien durchschlagen, so die Deutsche Hypo. Jones Lang LaSalle führt diesen Trend nicht zuletzt auf den Preisanstieg bei Wohnungen zurück, 2014 betrug der Durchschnittspreis für einen Quadratmeter in Wohnungspaketen 1.000 Euro – zwei Jahre zuvor waren es noch 860 Euro. Jetzt scheint der Wohnimmobilienrallye jedoch die Luft auszugehen: Im Mai 2015 ist der EPX-Index für Ein- und Zweifamilienhäuser erstmals leicht zurückgegangen. „Nach dem deutlichen Anstieg in den ersten beiden Mai-Wochen haben sich die Zinsen für Immobilienfinanzierungen in der zweiten Monatshälfte seitwärts bewegt. Doch das hat genügt, um den Preisanstieg bei Immobilen erneut niedrig zu halten“, erläutert Thilo Wiegand, Vorsitzender des Vorstands der EUROPACE. „Zu einem wirklichen Rückgang der Preise ist es zwar noch nicht gekommen. Aber wenn die Zinsen weiter steigen, dürfte sich das auch bei der Nachfrage nach Immobilien und entsprechend ihren Preisen bemerkbar machen.“

Der Erwerb einer Anlageimmobilie ist also eine Frage des Timings und der Abwägung – sind die momentan überaus günstigen Finanzierungszinsen den Einstieg auf dem Preispeak wert? Der Zinsbarometer von Dr. Klein lässt eine Trendwende bei den Bauzinsen erkennen: Tatsächlich haben die Bauzinsen ihren Rekordtiefststand Mitte April 2015 verlassen, mittelfristig gehen die Experten der Dr. Klein AG für kurz-, mittel- und langfristige Zinsbindungen von steigender Tendenz aus (s. Grafik 2).

Wohnraum ist in Deutschland ausgesprochen teuer geworden. Der Traum von der stuckverzierten Altbauwohnung wird sich sowohl auf Investoren- als auch auf Mieterseite nur für einen handverlesenen Kreis verwirklichen lassen. Bezahlbarer Wohnraum darf jedoch nicht an die Peripherie oder aufs Land abgedrängt werden, sondern muss auch in den Städten ausreichend zur Verfügung stehen. Caspar Schmitz-Morkramer beschäftigt sich als Architekt bereits seit Jahren mit der Fragestellung, welche Bedürfnisse zeitgemäßes Wohnen in den Städten befriedigen sollte. Zentraler Trend ist die zunehmende Vereinzelung – durchschnittlich liegt die Anzahl der Singlehaushalte in deutschen Städten inzwischen bei 42 %. Auch für den Fachmann überraschend jedoch ist, dass die Mehrheit der alleinwohnenden Menschen der Altersgruppe von 45 bis 65 Jahre angehört, also über studentische Wohnformen lang hinaus ist.

Welche Anforderungen stellt die wachsende Zielgruppe der 45- bis 65Jährigen an städtischen Wohnraum? Für wünschenswert hält Schmitz-Morkramer flexiblere Nutzungsformen, die in Bürogebäuden beispielsweise durch Einbau neuer oder durch Abriss nicht mehr benötigter Wände realisierbar sind. Städtische Altbauwohnungen hingegen wurden in der Vergangenheit überwiegend für mehrköpfige Familien gebaut und lassen sich wegen statischer und brandschutzrechtlicher Restriktionen nur sehr eingeschränkt an moderne Wohnkonzepte anpassen. Tragende Wände definieren so vielfach traditionelle Grundrisse, beispielsweise mit kleinen Küchen und engen Bädern, die nur sehr eingeschränkt flexibilisierbar sind. Deshalb ist die Sanierung von Altbauten vielerorts unter Kostengesichtspunkten und erst recht hinsichtlich der konstruktiven Variabilität kritisch zu überprüfen, stellt Schmitz-Morkramer fest, und erwartet deshalb weiterhin zunehmende Neubautätigkeit im Wohnsektor, die etwa durch Nachverdichtung in jüngster Zeit vorangetrieben wird. Entscheidendes Kriterium ist vielfach die Bezahlbarkeit neuen Wohnraums. Schmitz-Morkramer hat beobachtet, dass häufig auch ältere Menschen Mikroapartments nutzen, die konzeptionell für Studenten geplant und errichtet wurden und deshalb nur sehr geringe Quadratmeterzahlen von unter 30 m² aufweisen.

Abhilfe verspricht der Trend zu Wohnungen mit „effizienten Grundrissen“ – ein Schlagwort, das für eine intelligente Neudefinition des Zuschnitts von Wohnungen steht. Die durchschnittliche Wohnungsgröße in Deutschland beträgt einer aktuellen Studie von Savills zufolge 93 m², doch klassische Grundrisse verschenken einiges an kostbarer Fläche. Bauträger Dolphin Trust fasst die Kernaussagen der zeitgemäßen Bauphilosophie wie folgt zusammen: Durch den Verzicht auf nur unvollkommen nutzbare Flächen, bspw. im Flur, steht in den Wohn- und Schlafbereichen mehr nutzbarer Raum zur Verfügung. Dass sich die Wohnungen über die gesamte Breite einer Etage erstrecken, verschafft den Bewohnern mehr Licht, Luft und damit mehr Wohnqualität als bei herkömmlichen Grundrissen. Zusätzlich verstärken geräumige Wohn-Ess-Zimmer mit offenem Kochbereich den großzügigen Eindruck, ohne unnötig Quadratmeter zu kosten. Dieses Konzept verwirklicht Dolphin bereits auf Flächen ab 53 m², doch nicht im Kern von Metropolen, sondern z. B. in Hanau mit guter Anbindung an den Frankfurter Ballungsraum. Ein ähnliches Konzept verfolgt die ZBZ Wohnen GmbH in Königsbrunn bei Augsburg, ebenfalls nicht gerade der Nabel der Welt, aber immerhin fast in Sichtweite. Denn eines ist klar: Der Vorzug moderater Wohnungspreise und Gestehungskosten hat seinen Preis, wie den Verzicht auf den Traum der nobelsanierten Altbauwohnung in der Innenstadt mit Tiefgaragenplatz und möglichst noch einem Südbalkon, denn romantisch sind diese Wohnungen nicht. Es sind Investitionen für kühle Rechner, nicht für romantische Träumer, aber dennoch nicht unattraktiv durch die Lage im Grünen und viele zusätzliche Gimmicks.

Wesentlich zentraler ist ein aktuelles Angebot der VALERUM Invest AG, das in einem ehemaligen Kaufhaus in Leipzig das offene Wohnkonzept ohne abgeschlossene Räume konsequent zu Ende denkt: Abgeschlossen ist in dieser 2-Zimmer-Wohnung nur das großzügig geschnittene Bad, alle anderen Bereiche gehen unter Verwendung raffinierter Raumteiler ineinander über und vermitteln so ein luftiges, großzügiges Wohngefühl auf knapp 42 m². Der weitgehende Verzicht auf Trennwände und Türen schafft Flexibilität und gleichzeitig das Potenzial für barrierefreies Wohnen und damit für eine nachhaltige Nutzbarkeit der Wohnung auch bei Beeinträchtigungen.

Für Vermittler steht bei der Prüfung dieser und anderer Angebote die Bewertung der Immobilienqualität hinsichtlich Lage, Flexibilität und Preiswürdigkeit im Vordergrund. Ohne gute Anbindung an den ÖPNV und komplette Infrastruktur vor Ort sind Wohnungen weder längerfristig vermietbar noch jederzeit gut verkäuflich – beides ist jedoch ein KO-Kriterium für eine Investition in „rationale“ Wohnträume mit effizienten Grundrissen, die nicht zuletzt durch ihre Marktgängigkeit bestechen, da sie in erster Linie nicht Romantiker, sondern kühle Rechner und Strategen ansprechen. Menschen also, die rationell wohnen wollen, ohne deshalb auch Komfort und Stil zu verzichten. „Ob 130-m²-Loft mit Dachterrasse oder Single-Apartment, wir legen bei allen Objekten großen Wert auf ganzheitliche Wohnkonzepte. Mieter und Käufer wollen keine Kompromisse, sie wollen ein nachhaltiges Energiekonzept, eine hochwertige Ausstattung und Wohnraum, der so viel Gestaltungsfreiheit wie möglich bietet. Das zeichnet eine Wohnung mit Flair im 21. Jahrhundert aus“, betont Sven Herbst, Vorstand der VALERUM Invest AG. _(sk)

_

Interview

„Wichtig ist eine nachhaltige Wohn- und Lebensqualität“

finanzwelt im Interview mit Juliane Mann, Vorstand Vertrieb und Marketing der PROJECT Immobilien Wohnen AG.

finanzwelt: Welche Wohnungen verkaufen sich Ihrer Ansicht nach am besten? Die kleinen und feinen oder doch die Traumimmobilie im Altbau?

Mann: Die größte Zielgruppe lässt sich mit dem Angebot von kompakten 3-Zimmer-Wohnungen ansprechen. Wohnungen mit einer Größe von ca. 70 bis ca. 75 m² sind für Einzelpersonen genauso interessant wie für Paare. Ein gut durchdachter Grundriss bietet größtmögliche Wohnqualität bei möglichst geringer Wohnfläche. So bleibt der Verkaufspreis für viele bezahlbar. Wichtig ist hierbei eine nachhaltige Lebensqualität für die Bewohner. Dazu zählen die Ausrichtung der Wohnungen in ruhige Innenhöfe, eine gewisse Mindesttiefe der Balkone oder der Platz für einen 3m-Schrank in jedem Schlafzimmer.

finanzwelt: Welche Wohntrends erwarten Sie in den nächsten 10 Jahren und wie reagiert Ihr Haus darauf?

Mann: Die Auswirkungen des demografischen Wandels werden erst in den nächsten Jahren massiv spürbar werden. Der Zuzug in die Städte und die Abwanderung aus ländlichen Gegenden wird anhalten und noch zunehmen. Städte sorgen für urbane Verdichtung. Unsere Käufer werden noch mehr Wert darauf legen, dass die Bedürfnisse des täglichen Lebens in unmittelbarer Nähe liegen und eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr besteht. Auch rechnen wir mit Änderungen bezüglich nachgefragten Wohnungsgrößen. Die Nachfrage nach 2- und 3-Zimmer Wohnungen wird weiter steigen. Mit unserem Konzept der Wohnentwicklung mit Konzentration auf bedeutende Metropolregionen bedienen wir genau diesen Bedarf.

finanzwelt: Was sind denn für Sie die absoluten „No-Gos“ bei der Entwicklung von Wohnprojekten?

Mann: Das sind beispielsweise Grundrissgestaltungen, die am Bedarf vorbeigehen. Große Wohnungen mit 150 m² Wohnfläche mögen zwar vielen gefallen, doch die wenigsten können und wollen sich diesen Luxus gerade in hochpreisigen Ballungszentren leisten. Ein weiteres No-Go sind Wohnprojekte mit schlecht nutzbarem Grundriss, der nicht genug Stellflächen bietet. Doch auch Kleinigkeiten sind für den späteren Wohlfühlfaktor entscheidend. Ein Fenster am Kopfende des Bettes bringt auch Licht ins Schlafzimmer, mit einem Fenster im Rücken schläft es sich jedoch nicht wirklich gut. Wir haben klare Anforderungen und standardisierte Vorgaben hinsichtlich Wohnungsgrößen und Ausstattung entwickelt, die für uns planende Architekten konsequent einhalten.

finanzwelt: Wir haben ja festgestellt, dass die alleinwohnende Altersgruppe zwischen 45 und 65 Jahren eine stetig wachsende Zielgruppe für Immobilieninvestitionen ist. Was glauben Sie, welche Anforderungen stellen diese Menschen an städtischen Wohnraum?

Mann: Die Zunahme an Single-Haushalten führt zur weiteren Verknappung von städtischem Wohnraum und die Nachfrage nach Single-Wohnungen in Ballungszentren übersteigt an vielen Stellen das Angebot um ein Vielfaches. In dieser Zielgruppe nehmen auch die Anforderungen an die Gestaltung und Ausstattung des Wohnraums zu. Doch viele Bestandswohnungen sind nicht barrierefrei erreichbar, haben keine Tiefgaragen oder Aufzüge. Daher sollten die Wohnungen für diese Zielgruppe über ein Mindestmaß an Barrierefreiheit verfügen, um auch nachhaltig für den Bewohner nutzbar zu sein. Ebenso sollten die Wohnungen von der Tiefgarage schwellenlos über einen Aufzug erreichbar sein. Wir bieten bspw. besondere Ausstattungsmerkmale für Best Ager an, wie entsprechende Türbreiten, zusätzliche Haltegriffe im Bad oder bodengleiche Duschen, die auch mit einem Rollstuhl befahren werden können. Bestandswohnungen entsprechend umzurüsten ist nur mit großem Aufwand bis gar nicht machbar. (sk)

Printausgabe 04 / 2015