Kein Ende der fallenden Rohstoffpreise in Sicht?

03.08.2015

Die Rohstoffpreise sind in den Fokus der Investoren gerückt. Teils, weil es am Markt erhebliche Bewegung gibt und teils, weil die Preise in letzter Zeit eine auffällig fallende Tendenz zeigten. Unserer Meinung nach haben im Augenblick insbesondere drei wichtige Faktoren Einfluss auf die Rohstoffmärkte, die im Folgenden näher erläutert werden.

Abnehmendes Wachstum in China und auf der Welt und

die Entwicklung der Finanzmärkte als wesentliche Einflussfaktoren

Während der letzten fünfzehn Jahre erschien Chinas Nachfrage nach einer ganzen Reihe von Rohstoffen schier unersättlich. Die Nachfrage stieg dramatisch und China war bei bestimmten Rohstoffen, wie Kupfer oder Eisenerz, die wesentliche Triebkraft einer insgesamt gestiegenen Nachfrage. Hintergrund dafür war vor allem der massive Bauboom, den China in den letzten fünfzehn Jahren erlebte. Die Bautätigkeit explodierte geradewegs - und so ist heute beispielsweise Chinas Stahlproduktion unbestritten immer noch die weltweit größte. Bereits in den 1990er Jahren überholte China die seinerzeit größten Stahlproduzenten der Welt - die USA und Japan. Heute, 20 Jahre später, hat sich die Stahlproduktion in China verachtfacht. Seit 2010/11 begann sich das chinesische Wirtschaftswachstum jedoch zu verlangsamen. In den letzten beiden Jahren hat es bei der Bautätigkeit praktisch keinen Zuwachs mehr gegeben und in den vergangenen sechs bis zwölf Monaten ist die Tätigkeit sogar deutlich zurückgegangen. Für einen Markt, der größtenteils eine ewig steigende Nachfrage von China erwartete, war das eine große Überraschung. Dies war einer der Gründe dafür, dass die Rohstoffpreise so deutlich nachgaben. Beispielsweise ist der Kupferpreis seit 2011 um 40 Prozent gefallen. Im gleichen Zeitraum fiel der Preis für Eisenerz sogar um 60 Prozent.

Der zweite wichtige Faktor, der für anhaltend niedrige Rohstoffpreise sorgt, ist das globale Wachstum. Dann natürlich spielt nicht nur China bei den Rohstoffen eine Rolle. Obgleich sowohl die USA als auch die Eurozone wieder Zuwächse verzeichnen können, handelt es sich um ein historisch gesehen relativ schwaches Wachstum.

Der dritte Einflussfaktor sind die Finanzmärkte. Waren Rohstoffe früher etwas, was vor allem für die Industrie- und Lebensmittelproduktion verwendet wurde, haben sie sich heute auch zu einer bedeutenden Anlageklasse etabliert. Rohstoffpreise werden - anders als noch vor 20 Jahren - in weit höherem Maße von Faktoren beeinflusst, die auch für die Entwicklung der Finanzmärkte maßgeblich sind. Bedeutende Einflussfaktoren sind beispielsweise die Risikoaversion der Investoren sowie die weltweite Zinsentwicklung - ins Gewicht fällt dabei insbesondere die künftige amerikanische Geldpolitik.

Boom der amerikanischen Ölproduktion

Bevor wir uns fragen, wie sich diese drei Faktoren in Zukunft auswirken, sollten wir auch einen genaueren Blick auf den Rohstoff Öl werfen. Fast von einem Tag auf den anderen haben wir einen enormen Boom der Ölproduktion in den USA erlebt, der durch das Fracking erreicht wurde.

Noch gibt es keine Anzeichen dafür, dass das Wachstum der amerikanischen Ölproduktion endet. Stattdessen werden wir immer wieder davon überrascht, welche Produktionszuwächse die amerikanische Ölindustrie liefern kann.

Der massive Preisverfall des Erdöls liegt vor allem daran, dass das Angebot an Öl weit stärker gewachsen ist, als von den Märkten erwartet wurde. Die tatsächliche Produktion ist deutlich höher, als wir noch vor wenigen Jahren erwartet hätten.

Das Besondere an den Gewinnungsmethoden in den USA ist jedoch die Fähigkeit, sehr schnell zu reagieren. Es ist sehr einfach, eine Quelle zu öffnen und sie relativ schnell wieder zu schließen, wenn die Preise nachgeben. Daher haben die USA die Rolle eines „Ausgleichsproduzenten der Welt“ übernommen. Mit anderen Worten: Steigen die Ölpreise deutlich, so reagiert die amerikanische Ölindustrie sehr schnell und steigert das Angebot, woraufhin die Preise unter Druck geraten und wieder nachgeben. Dies funktioniert natürlich auch im umgekehrten Sinne, wenn die Ölpreise fallen.

Wir befinden uns aktuell in einer Phase, in der die Ölpreise eine ganze Zeit lang höchstwahrscheinlich deutlich niedriger bleiben werden als noch vor wenigen Jahren. Seit 2010 bis zum letzten Sommer kostete ein Barrel Brent-Öl etwa 110 Dollar. Im Augenblick bewegt sich der Preis bei etwa 50 Dollar pro Barrel.

Weitere Aussichten für die Rohstoffmärkte

Wenden wir uns nun wieder dem Rohstoffmarkt insgesamt und unseren drei Faktoren zu, so sind die Aussichten weiterhin pessimistisch, soweit es China betrifft. Bestenfalls wird die Bautätigkeit auf dem jetzigen Niveau verharren. In drei bis fünf Jahren rechnen wir damit, dass sie sogar abnimmt. Die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen bleibt dementsprechend zunächst höchstens einigermaßen stabil. Im Horizont von drei bis fünf Jahren kann sie vielleicht sogar rückläufig sein.

Wir rechnen damit, dass China für den Rest dieses Jahrzehnts weiterhin mit einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von etwa fünf Prozent aufwarten kann. Doch dieses Wachstum wird weitaus weniger rohstoffintensiv als früher sein. Dies ist eine schlechte Nachricht für die Rohstoffförderer/ -produzenten, die über einen längeren Zeitraum enorme Summen investiert haben, um das Angebot zu erhöhen und der - wie man glaubte - ewig steigenden Nachfrage Chinas gerecht zu werden.

Für das globale Wachstum sind wir jedoch etwas optimistischer. Wir erwarten, dass die Wirtschaft der USA in den nächsten Jahren um etwa zwei bis drei Prozent wachsen wird, während das Wachstum in Europa noch einige Zeit lang bei zwei Prozent liegen wird. Dies stützt zwar das globale Wachstum, kann aber unserer Ansicht nach nicht ganz die Abschwächung in China auffangen.

Schließlich rechnen wir damit, dass die US-Zentralbank im Herbst damit beginnt, die Zinssätze zu erhöhen. Dies wird nicht nur eine einmalige Aktion sein, sondern der Beginn eines längeren Zinszyklus. Wir erwarten, dass die kurzfristigen Zinsen in den USA bis 2018 um mindestens vier Prozent steigen werden. Höhere Zinsen bedeuten höhere Opportunitätskosten bei Investitionen in Rohstoffe, was auf die Rohstoffpreise drückt.

Für langfristige Investoren sehen wir daher das Renditepotenzial von Rohstoffen eher skeptisch. Wir halten das Risiko von Investitionen in Rohstoffe für überdurchschnittlich hoch. In den nächsten sechs bis zwölf Monaten richtet sich unser Fokus auf die beiden negativen Einflüsse, nämlich China und die Geldpolitik. Das Risiko von Verlusten bei Rohstoffen ist unserer Meinung nach für den kurzfristigen Investor besonders hoch.

Welche Nebenwirkungen haben niedrigere Rohstoffpreise?

Niedrigere Rohstoffpreise werden die vom Rohstoffexport abhängigen Länder negativ treffen. Deshalb haben wir bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass wir damit rechnen, dass Lateinamerika in Schwierigkeiten geraten wird. Doch hat dies selbstverständlich auch Auswirkungen auf Länder, die sehr abhängig vom chinesischen Wachstum sind - hierzu zählt auch Australien. Daneben schafft dies auch Probleme für Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell auf ein ewig anhaltendes hohes Wirtschaftswachstum in China ausgerichtet hatten.

Aber wir möchten betonen, dass es unserer Einschätzung nach auch positive Auswirkungen geben wird. Viele Industrieunternehmen profitieren von den anhaltend niedrigen Rohstoffkosten. Dies stützt ihre Erträge. Zugleich wird die Gesamtinflation gedämpft, was die Kaufkraft der Verbraucher stärkt und dafür sorgt, dass die Zentralbanken nicht zu unnötigen Zinserhöhungen gezwungen sind.

_Autor: Bo Bejstrup Christensen, Danske Invest

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