Kann KI zwischenmenschliche Beziehungen ersetzen?

17.10.2023

Sören Flimm - Foto: © www.sören-flimm.de

Die rasante Geschwindigkeit und die Möglichkeiten, die sich uns durch das exponentielle Wachstum künstlicher Intelligenz eröffnen, werfen die Frage aus der Überschrift zwangsläufig auf. Ob im Job, in der Schule, im Privatleben – überall nutzen wir die Möglichkeiten steigender Technisierung und künstlicher Intelligenz. Doch wird damit die zwischenmenschliche Verbindung ersetzbar?

Was Resonanz bedeutet

Immer wieder treten wir in Beruf und Alltag mit Menschen in Verbindung: beim Wocheneinkauf, der Geburtstagsfeier, einem Beratungsgespräch oder dem Team-Meeting. Kaum etwas beeinflusst unseren Alltag so sehr, wie Begegnungen mit Menschen. Solche Begegnungen sind immer dann besonders wertvoll, wenn gegenseitige Resonanz entsteht: wenn eine Interaktion beziehungsweise eine Form von Miteinander entsteht, die beide Seiten positiv bereichert. Doch brauchen wir das in Zukunft überhaupt noch? Brauchen wir ein so hohes Maß an Zusammenarbeit, Austausch und Kollaboration, wo uns insbesondere künstliche Intelligenz doch immer mehr an Arbeit abnehmen und Inhalte verknüpfen kann? Bei der Frage danach, ob zwischenmenschliche Verbindung und soziale Resonanz ersetzbar sind oder werden, gilt es zunächst, eine Definition dessen zu finden.

Der Versuch, es kurz zu fassen: Meiner Ansicht nach stellt sich eine resonante Verbindung zwischen Menschen dann ein, wenn beide Interaktionspartner ein Gefühl der Wahrnehmung sowie des Erkannt- und Verstandenwerdens empfinden und darauf aufbauend eine respektvolle und wertschätzende Begegnung entsteht, die in der Folge zu einem innerlichen Bewegt-werden führt. Das kann sowohl durch antwortbasierte Reaktion als auch durch emotionale Ansteckung geschehen.

Um ein kleines Beispiel zu wählen: Habe ich in einer Verkaufssituation als Kunde das Gefühl, dass der Verkaufsmitarbeitende mich wahrnimmt, mir zuhört, erkennt, worum es mir geht, mich versteht und basierend darauf eine Lösung für mich bereithält, die mich weiterbringt, entsteht Resonanz. Authentizität und Leidenschaft im Tun tragen mindestens genauso dazu bei: emotionale Ansteckung. Kann das alles durch eine künstliche Intelligenz ersetzt werden?

Was Künstliche Intelligenz zunehmend ersetzt

Wir sind uns sicher einig, dass eine künstliche Intelligenz – schauen wir auf einen Chatbot – uns das Gefühl vermitteln kann, dass sie uns wahrnimmt, uns zuhört, erkennt, worum es geht und eine Antwort für uns bereithält. Und das Ganze in sachlicher und lösungsorientierter Art und Weise. Eigentlich klasse, oder? Endlich kann man mehrfach nachfragen und das Gegenüber permanent um etwas bitten, ohne dass Emotionen die Sachebene ins Wanken bringen. Keiner, der sich zu wenig gesehen, niemand, der sich angegriffen fühlt. Wir können uns mit einem Chatbot beinahe unterhalten und profitieren von einem unglaublichen Fachwissen, Schnelligkeit und vernetztem Denken. Und dann noch Ergebnisse, die in der Kürze der Zeit und in inhaltlicher Perfektion von Menschen kaum gemacht sein können. Hieraus kann Resonanz entstehen – doch bestenfalls als Simulation.

Was niemals ersetzbar wird

Was braucht es also für echte Resonanz? Was schafft die künstliche Intelligenz nicht? Das habe ich ChatGPT selbst gefragt. Folgende Zitate stammen aus der Antwort:

Menschen erleben Wahrnehmung, Erkennen und Verständnis aufgrund ihres eigenen Bewusstseins und ihrer Fähigkeit, Informationen aus der Welt um sie herum zu verarbeiten. Diese menschlichen Erfahrungen basieren auf komplexen Prozessen im Gehirn, die ich als KI nicht replizieren kann. (...)

Zusammengefasst kann man sagen, dass ich ein Werkzeug bin, das auf Textverarbeitung und Mustererkennung basiert, während Menschen ein komplexes Bewusstsein, Emotionen und eine tiefe Verbindung zur physischen Welt haben. (...)

Menschen sind unersetzbar aufgrund ihrer einzigartigen Kombination aus Bewusstsein, Emotionalität, Kreativität, sozialer Intelligenz und moralischer Urteilsfähigkeit.

Da haben wir die Antwort. Darin steckt die Tatsache, dass die menschliche Begegnung unersetzbar ist und bleibt. Sie basiert auf der „einzigartigen Kombination aus Bewusstsein, Emotionalität, Kreativität, sozialer Intelligenz und moralischer Urteilsfähigkeit.

 Menschliche Begegnung ist und bleibt unersetzlich

 Das ist es, was nicht nur in der Business-Welt den Unterschied ausmacht in einer Welt, in der alles Andere zunehmend ersetzbar wird. Wir (er)spüren uns gegenseitig, wir schaffen Verbindung, wir treten in echte Resonanz. Wir haben ein Gefühl darüber, ob Stille im Raum Desinteresse oder gespannte Aufmerksamkeit bedeutet. Wir merken, wenn es dem Kollegen oder der Kollegin nicht gut geht oder etwas sprichwörtlich „im Raum steht“. Wir lieben das Gefühl, mit Menschen Emotionen und Erlebnisse zu teilen. Die digitale Transformation bietet uns sicher Tools und Instrumente, die uns dabei eine Hilfe sein können. Um es in musikalischem Kontext zu formulieren: Sie kann uns beispielsweise wundervolle Songtexte schreiben, aber der Konzertbesuch – das Miteinander-Schwingen – wird dadurch niemals ersetzbar. Emotionale Ansteckung wird niemals ersetzbar.

Das gleiche gilt für Beratungsgespräche, Führungssituationen, innerbetriebliche Zusammenarbeit sowie unser alltägliches Miteinander. Hier war Resonanzkompetenz schon immer wichtig, doch noch nie so wichtig, wie heute und in Zukunft. Wir brauchen insbesondere in Organisationen mehr Resonanzkompetenz. Die Qualität des Miteinanders, wie sehr sich Menschen als (selbst-)wirksam erleben und wie sehr sich der Einzelne erkannt und verstanden fühlt, wird in Zukunft eine noch tragendere Säule, als sie in der Vergangenheit ohnehin schon war.

Dabei geht es nicht um permanente Harmonie, sondern um eine Verbindung, die auf Wertschätzung und Respekt beruht. Vermeintliche Soft Skills, die geradezu Hard Facts werden, schaut man sich das historische Hoch der Kündigungsbereitschaft der Menschen und die Gründe dafür an. In einer Zeit, wo Inhalte und Produkte immer austauschbarer werden, machen menschliche Qualitäten zunehmend den Unterscheid.

Auf gute Resonanz.

Gastbeitrag von Sören Flimm, Diplom-Betriebswirt und zertifizierter Vertriebscoach