Ist das Lebensversicherungs-Reformgesetz ein Rohrkrepierer?

25.06.2015

Gleich zwei Berliner Institute, die sich auf Altersvorsorge spezialisiert haben, kritisieren die Umsetzung des LVRG in der Assekuranz. Soziale Reformen ohne klare Vorgaben sind Schilda-Politik.

2015-06-26 (fw/db) Das Lebensversicherungs-Reformgesetz (LVRG), das die Versicherer im Interesse der Versicherungsnehmer stabilisieren und den Verbraucherschutz verbessern sollte, hat die gestellten Ziele nur zum Teil erreicht. Das stellte Dr. Mark Ortmann, Geschäftsführer des Berliner Instituts für Transparenz GmbH (ITA), in einem Gespräch mit dem Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) fest. Im Auftrag des DIA hat Ortmann die Auswirkungen des Gesetzes untersucht. Die Stabilisierung der Lebensversicherer wurde weitgehend erreicht.

„Beim Verbraucherschutz hingegen führte schlechtes gesetzgeberisches Handwerk zu einem Rohrkrepierer“, kritisiert Ortmann.

Der mit dem Gesetz vorgeschriebene Ausweis der Effektivkosten bringt unter den jetzigen Umständen nicht mehr, sondern weniger Transparenz. Das liegt nicht an der Kennziffer selbst, sondern an der mangelhaften Arbeit des Gesetzgebers, der es unterließ, einheitliche Vorgaben für die Berechnung vorzuschreiben. Daher rechnen die Versicherer nach Gutdünken.

In der DIA-Studie wurden durch das Analysehaus Morgen & Morgen GmbH für alle Tarife, bei denen es möglich war, nach einer einheitlichen Methode die Effektivkosten errechnet. Sie stimmt weitgehend mit dem vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft vorgeschlagenen Verfahren überein. Zwischen den Werten von Morgen & Morgen und denen der Anbieter liegen zum Teil Welten.

Die Differenzen machen bis zu 100 Prozent aus. Die Gothaer kommt zum Beispiel bei ihrem klassischen Rententarif auf Effektivkosten von 0,58 Prozent, nach den einheitlichen Berechnungen von Morgen & Morgen sind es hingegen 1,14 Prozent. Beim Vergleich der unternehmenseigenen Angaben zu den Effektivkosten wäre die Gothaer einer der günstigsten Anbieter. Nimmt man die Werte von Morgen & Morgen, zählt der Versicherer hingegen zu der Gruppe mit den höchsten Effektivkosten in der klassischen Rente. Nur bei wenigen Lebensversicherern, zum Beispiel Allianz, Alte Leipziger, Barmenia und Cosmos, stimmen die eigenen Werte mit den von Morgen & Morgen ziemlich genau überein.

„Die Versicherer haben wieder einmal eine Chance verpasst, aus eigener Kraft die Transparenz ihrer Produkte zu verbessern. Manche Kundendokumente, die wir für die Studie ausgewertet haben, sind schlicht eine Zumutung für die Versicherten. Nach wie vor herrschen Komplexität statt Einfachheit und Unverständlichkeit statt Transparenz“, warnt Ortmann.

Mehr Transparenz wird nach Auffassung von Ortmann nur auf Druck des Gesetzgebers zu erreichen sein.

finanzwelt-Fazit: Nach der Reform ist vor der Reform. Das gilt auch beim LVRG. Der Gesetzgeber wird prüfen wie die Branche die Vorgaben umgesetzt hat und bei Bedarf die Rahmenbedingungen anpassen. Dass einige Versicherer das LVRG nur in Form von einseitigen Courtage-Kürzungen auf beispielsweise Versicherungsmakler abgewälzt haben, war vermutlich nicht im Sinne des Gesetzgebers. Der wollte nicht die Vermittlungsunternehmer als mittelständische Unternehmer in Existenznöte stürzen, sondern die Versicherer zu Kosteneinsparungen und Transparenz zwingen.

In der deutschen Politik entsteht durch unklare Vorgaben, so etwas wie die in den Schildbürger-Streichen beschriebenen Situationen, Die vermeintlich „dummen“ Betroffenen machen daraus das aus ihrer jeweiligen Sicht Beste. So ist das bei anscheinend bei der „Nahles-Zwangsrente“ oder dem LVRG. Manchmal ist die deutsche Sozialpolitik eben eine Art „Schilda-Politik“, oder?

Dietmar Braun