Ist Altersvorsorge-Management in Deutschland dringend notwendig?
07.07.2015
In einer jährlichen neuen Studie untersucht die AXA Gruppe Deutschland das Vorsorgeverhalten und die Einstellung zur Altersvorsorge bundesweit in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen die Trends auf.
2015-07-08 (fw/db) Jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland fragt sich, ob private Altersvorsorge überhaupt noch sinnvoll ist und die gesetzliche Rente oder Betriebsrente ideal ergänzt. 59 Prozent klagen über eine wachsende Angst beim Thema Altersvorsorge und bereits 39 Prozent erwarten als Rentner oder Pensionär eine verschlechterte Lebensqualität.
Dieses, laut einer AXA-Studie alarmierende Bild steht in deutlichem Gegensatz zur Einschätzung der schon im Ruhestand befindlichen Deutschen: Drei Viertel von ihnen (76 Prozent) berichten über eine gleiche oder sogar verbesserte Lebensqualität als zuvor im Beruf. In Bremen sind es sogar 81 Prozent der Rentner und Pensionäre und selbst bei den Schlusslichtern Bayern und Thüringen sind es immerhin noch 69 Prozent.
Das sind Ergebnisse des neuen Reports zu Ruhestandsplanung und –Altersvorsorgemanagement der AXA-Gruppe Deutschland, der repräsentativ in allen 16 Bundesländern die Einstellungen und Verhaltensweisen der Berufstätigen und Ruheständler erfasst. Durch insgesamt 3.243 Telefoninterviews (CATI) wurden repräsentativ in allen 16 Bundesländern Erwerbstätige und im Ruhestand befindliche Personen befragt. Die Ergebnisse wurden zudem bevölkerungsrepräsentativ gesamtgewichtet, um auch bundesweite Aussagen ableiten zu können. Die Befragung wurde in den Monaten März und April 2015 durchgeführt.
"Wie unterschiedlich Ruheständler ihre Situation erleben gegenüber dem Bild, das sich die Erwerbstätigen davon machen, stellen wir immer wieder fest. Gegenüber einer AXA Erhebung aus 2005 hat sich dieser Gegensatz in den vergangenen zehn Jahren nun nochmals deutlich verstärkt", erläutert Dr. Patrick Dahmen, Mitglied des Vorstands der AXA Konzern AG."
Bundesweit weniger Altersvorsorgemanagement
Insgesamt zeigt sich in Deutschland ein stark sinkendes Engagement bei der Ruhestandsplanung. Sechs von zehn Erwerbstätigen haben damit begonnen (60 Prozent). Vor zehn Jahren hingegen gab dies bei einer gleichlautenden Befragung durch AXA noch ein gutes Drittel mehr an (82 Prozent). Und offensichtlich ist dieses Versäumnis den Befragten auch bewusst: So halten die Erwerbstätigen bundesweit im Durchschnitt 60 Prozent mehr an monatlicher Vorsorgeleistung zur privaten Altersvorsorge für nötig (412 Euro), als sie selbst tatsächlich aufbringen (257 Euro).
Resignation in Ostdeutschland – die Niedrigzinsen entmutigen
Am generellen Sinn privater Altersvorsorge zweifeln laut AXA Report auffallend mehr Berufstätige in Ostdeutschland als im Westen. Zugleich liegen im Osten auch die monatlichen Sparraten zur privaten Altersvorsorge klar unter denen in Westdeutschland. Bundesweit am wenigsten investieren dabei laut eigener Aussage die Sachsen mit nur 178 Euro sowie die Berliner mit 194 Euro im Monat für die private Altersvorsorge. Am meisten und fast doppelt so viel wenden dagegen die Saarländer auf mit 345 Euro im Monat, gefolgt von den Erwerbstätigen in Hamburg mit 323 Euro und in Baden-Württemberg mit 315 Euro.
Allerdings hat die anhaltende Niedrigzinsphase bereits drastische Spuren hinterlassen: Sechs von zehn Erwerbstätigen in Deutschland (59 Prozent) schließen wegen der niedrigen Zinsen keine neuen Vorsorgeverträge mehr ab. Und jeder fünfte von ihnen hat wegen der Niedrigzinsen auch schon bestehende Vorsorgeverträge gekündigt.
"Die heute Erwerbstätigen verstärken mit diesem Verhalten fatalerweise genau den Effekt der Niedrigzinsphase: Aus Vorsorgeverträgen steht weniger für den späteren Ruhestand zur Verfügung, während gleichzeitig das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente in den nächsten Jahren stetig sinkt. Und auch der Risikoausgleich durch Abschluss unterschiedlicher Vorsorgeformen wird durch dieses Verhalten unterminiert", konstatiert AXA-Experte Dahmen.
Immobilienbesitz beruhigt – Saarländer und Schwaben an der Spitze
Bundesweit die wenigsten Sorgen um ihre finanzielle Situation im Ruhestand machen sich Berufstätige im Saarland und in Baden-Württemberg. Nirgends sonst gehen so viele davon aus, dass das Renteneinkommen im Alter ausreichend sein wird.
Interessant ist dabei, auf welche Vorsorgeformen hierzu gesetzt wird. So bauen in keinem anderen Bundesland so viele Erwerbstätige auf ein selbstgenutztes Eigenheim wie an der Saar (68 Prozent) und in Baden-Württemberg (67 Prozent), wo zudem fast jeder vierte Erwerbstätige auch auf den Besitz einer vermieteten Immobilie zur Vorsorge setzt - ein bundesweit einsamer Spitzenwert.
"Der beruhigende Effekt von Immobilieneigentum bei der Ruhestandsplanung zeigt sich in unserer Studie auch insgesamt", erläutert AXA Vorstand Dahmen.
Demnach befürchten Befragte ohne Immobilienbesitz im Bundesschnitt annähernd doppelt so häufig ein nicht ausreichendes Einkommen im Alter wie Immobilienbesitzer (56 zu 32 Prozent). Zudem geben 41 Prozent derjenigen ohne Immobilienbesitz an, sich zu stark auf die gesetzliche Rente bei der Ruhestandsplanung verlassen zu haben - unter Immobilieneigentümern sind dies nur 27 Prozent.
Jeder Dritte hat sich zu stark auf die gesetzliche Rente verlassen
Exakt jeder dritte im Ruhestand lebende Deutsche gibt ausdrücklich zu, dass er sich rückblickend zu stark auf die gesetzliche Rente bei der Planung verlassen hat. In Sachsen-Anhalt und Sachsen sagt dies sogar fast jeder zweite Ruheständler. Dagegen ist es in Rheinland-Pfalz nur etwa jeder siebte Ruheständler, in Bremen und Schleswig-Holstein nur jeder vierte.
Erbschaften haben in Stadtstaaten die höchste Bedeutung
Erhaltene oder erwartete Erbschaften spielen nirgends eine so große Rolle für das anstehende Ruhestandseinkommen der Erwerbstätigen wie in Bremen. Mehr als jeder vierte Berufstätige in der Hansestadt (26 Prozent) gibt dies zu Protokoll. Solche hohen Werte werden auch in Hamburg (25 Prozent) und Berlin (23 Prozent) erreicht. Außerhalb der Stadtstaaten kann aber nur Baden-Württemberg (25 Prozent) damit konkurrieren. In den übrigen Bundesländern erwarten weit weniger Erwerbstätige, durch Erbschaften ihr Ruhestandseinkommen signifikant aufbessern zu können. Das Schlusslicht bildet hier Thüringen mit nur 3 Prozent der Erwerbstätigen.
Ruhestand ist Start für soziales Engagement in Hessen und Baden-Württemberg
Gefragt nach dem, was Erwerbstätige mit dem Beginn des Ruhestands am meisten verbinden, offenbart der AXA Deutschland-Report: Mit deutlichem Abstand wird der Ruhestand damit verbunden, "keinen beruflichen Stress mehr zu haben". 89 Prozent der Berufstätigen stimmen dem zu.
Auf Platz zwei mit 79 Prozent Nennung folgt "die Möglichkeit, sich in sozialen Projekten zu engagieren."
Erst dahinter rangiert die Chance, "mehr zu verreisen" (63 Prozent). Am häufigsten wird die Verbindung zwischen Ruhestand und der Möglichkeit für vermehrtes soziales Engagement von den Erwerbstätigen in Hessen und Baden-Württemberg gesehen. Interessant ist auch: Gegenüber einer gleichlautenden Befragung durch AXA vor fünf Jahren geben heute noch mehr Erwerbstätige als damals (75 Prozent) an, den Ruhestand mit der Chance auf mehr soziales Engagement zu verbinden.
Dietmar Braun