Internet der Dinge – Lösung und Risiko
09.06.2017
Die Insolvenz-Risiken im Einzelhandel nehmen zu, warnt Euler Hermes. /Foto: © Cybrain - Fotolia.com
Die Allianz SE will den Kreditversicherer Euler Hermes vollständig kaufen. in einer Studie warnen Euler Hermes Experten aktuell vor Insolvenz-Risiken im Einzelhandel als Folge digitaler Veränderung.
Der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes, gehört bereits mehrheitlich zur Allianz SE. Die Allianz beabsichtigt als marktführender Versicherer den Marktführer in der globalen Versicherung von Kreditrisiken in naher Zukunft vollständig zu übernehmen.
In der aktuelle Studie „Retail, Disrupted – Pressure and Potential in the Digital Age“ haben die Experten von Euler Hermes die weltweiten Auswirkungen der Digitalisierung und die veränderte Konsumnachfrage auf den Einzelhandel untersucht.
Danach ist die Insolvenzquote in diesem Sektor 2016 weltweit um zwei Drittel gestiegen. Die Einschätzung der Risiken, Herausforderungen und Chancen des Einzelhandels im Umfeld der Digitalisierung basiert auf den Informationen von 1.500 hauseigenen Kredit- und Risikoanalysten in zwölf Ländern.
Preiskriege setzen auch Konzernen weltweit zu
Der nominale Einzelhandelsumsatz ist in der letzten Dekade weltweit um 4,8 Prozent pro Jahr gestiegen. 2016 lag der Umsatzanteil des Onlinehandels bei neun Prozent. In den kommenden drei Jahren dürfte die Quote auf 15 Prozent weiter deutlich ansteigen. Das lässt die Angebots- und Nachfrageentwicklung erwarten, die durch das geänderte Kaufverhalten der sogenannten „Digital Natives“ sowie neuer elektronischer Plattformen unterstützt wird. Damit wird das System empfindlich gestört und neu definiert.
„Preiskriege haben die finanzielle Lage vieler traditioneller Einzelhändler extrem strapaziert. Viele haben den Digitalisierungsaspekt unterschätzt und hinken nun den Kundenerwartungen hinterher“, warnt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe.
Als Folge ist die Profitabilität weltweit von acht Prozent im Jahr 2011 auf 5,7 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Große Einzelhändler mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen USD haben 2016 mit einem Insolvenzanstieg von weltweit mehr als 66 Prozent einen stolzen Preis im Zuge dieser Entwicklung bezahlt.
„Die aktuellen Diskussionen zum Ladenschlussgesetz in Deutschland ähneln denen in Frankreich vor einem Jahr, die Emmanuel Macron als damaliger Finanzminister angeführt hat. Einkäufe nach Feierabend oder an Sonntagen finden immer häufiger vor dem Computer statt. Damit offenbaren sich Nachteile der gesetzlich geregelten Öffnungszeiten der Kaufhäuser gegenüber Rund-um-die-Uhr zugänglichen Onlineshops immer deutlicher. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs: Der Einzelhandel sollten im Ganzen überdacht und traditionelle Aufteilungen zugunsten eines übergreifenden Kundenerlebnisses on- und offline aufgehoben werden“, so Experte Subran
Grenzenlose Shopping-Erfahrung ist die Zukunft
Um der drohenden finanziellen Schieflage vorzubeugen, sind viele Unternehmen vergangenes Jahr auf Einkaufstour gegangen. Rund 2 Billionen USD haben Einzelhändler 2016 in Technologie-Firmen investiert. Das entspricht einem Vielfachen der Summe von 148 Milliarden USD, die 2014 für spezielle Technik-Expertise ausgegeben wurde.
„Der Einzelhandel steht vor einem entscheidenden Umbruch. Viele alteingesessene Anbieter müssen ihr gesamtes Geschäftsmodell überdenken“, empfiehlt Maxime Lemerle, Leiter der Sektor- und Insolvenzanalyse bei Euler Hermes.
Während es beachtliche regionale und lokale Unterschiede gibt, haben die Experten von Euler Hermes übergreifend drei zentrale Herausforderungen für den Einzelhandel in den kommenden Jahren identifiziert:
Ein All-Kanal-Vertrieb, der es Kunden jederzeit ermöglicht, grenzenlos online, telefonisch oder in einen physischen Laden einzukaufen.
Ein Internet-Auftritt, der aufgrund der signifikanten Kosten eine Hürde für Einzelhändler ohne Wachstumshebel sein kann, um gleichzeitig den Preisdruck auszugleichen.
Die Gestaltung einer „mobilen Kundenreise“ durch die Digitalisierung des Angebots und die Nutzung des Internets der Dinge (Internet of Things).
„Es gibt nur die eine Wahl für Einzelhandelsunternehmen, sich anzupassen. Die Alternative ist die Schließung“, ergänzt Lemerle zum notwendigen Risiko-Management.
USA, GB, Deutschland und Südkorea unter Druck
Regional können die analysierten zwölf Länder in vier Gruppen zusammengefasst werden. Danach ist der Anpassungsdruck für Einzelhändler in den USA, in Großbritannien (GB), Deutschland und Südkorea am höchsten. Bislang seien jedoch viele Unternehmen gut positioniert, um veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden.
Einzelhändler in Frankreich und Japan, in einem geringeren Umfang auch in Italien und Spanien, leiden unter größerem Druck durch die veränderte Kundennachfrage. Die Bereitschaft, diesen Veränderungen Rechnung zu tragen, ist aktuell noch nicht stark ausgeprägt.
China und Indien gut aufgestellt
Dagegen ist man sich China und Indien über die Vorteile der Digitalisierung zum größten Teil bereits bewusst, aber hohe und gut verteidigte Markteintrittsbarrieren vermindern den Anpassungsdruck. Versierte Marktteilnehmer mit einem erhöhten Digitalisierungsbewusstsein haben dennoch das Potenzial, signifikante Marktanteile zu gewinnen. In Brasilien und Russland ist nahezu der gesamte Einzelhandel veraltet, und vor allem große Anbieter haben mit massiven strukturellen Problemen kämpfen.
Speziell in Deutschland haben Einzelhändler innerhalb von fünf Jahren bis 2016 einen dramatischen Rückgang der Profitabilität von sieben Prozent auf nur noch knapp drei Prozent erlitten.
„Mit der Rückkehr der Inflation und einem verlangsamten Konsum-Wachstum dürfte sich der Gegenwind noch verschärfen. Während Discounter und reine Online-Händler in diesem Umfeld gut positioniert sind, stehen vor allem Einzelhändler in der Mode- und Elektronik-Branche vor großen Herausforderungen“, bringt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz den Trend im Risiko-Management abschließend auf den Punkt. (db)