In gesunden wie in kranken Zeiten

12.07.2023

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Die Kanzlei Jöhnke & Reichow aus Hamburg berichtet in einer neuen Stellungnahme über einen Fall der Generali Deutschland Lebensversicherung AG in Streit um Berufsunfähigkeit vor dem LG Berlin einen Vergleichsbetrag zahlt.

Als Fertigungsmitarbeiter bei einem deutschen Automobilhersteller war der Versicherungsnehmer am Ende eines oder zweier Produktionsabschnitte dafür zuständig, die geleistete Arbeit der Mitarbeiter zu prüfen und zu kontrollieren. Da die anderen Mitarbeiter teilweise über mehrere Stunden hinweg ein hohes Konzentrationsvermögen leisten müssen, ist diese qualitätssichernde Maßnahme des Versicherungsnehmers unerlässlich. Auch verbergen sich oft Fehler der Mitarbeiter aufgrund der immensen Produktvielfalt und der verschiedenen Konfigurationsmöglichkeiten. Neben falsch montierten Teilen kommt es häufig auch zu fehlenden Bauteilen aufgrund von Logistikproblemen. Auch dies musste der Versicherungsnehmer kontrollieren. Die Kernaufgabe war es, das Anhalten der Produktion auf ein Minimum zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Somit erforderte die Stelle ein hohes Maß an Sorgfalt und Verantwortung.

Ferner gehörte die Kommunikation mit vor- und nachgelagerten Bereichen, mit Teamsprechern, den Meistern, den Schichtleitern, gegebenenfalls Bauteilverantwortlichen, Logistikern, Fahrzeugsteuerungen und allen, die in der Prozesskette bei dem konkret auftretenden Fehlern Relevanz haben, zu den Aufgaben des Versicherungsnehmers, um ein Wiederholen von vermeidbaren Störungen zu unterbinden. Schließlich war der Versicherungsnehmer auf für Fehlerrückspiegelungsgespräche in erster Eskalationsstufe mit Mitarbeitern verantwortlich.

Der Versicherungsnehmer litt an einer Coxarthrose (Hüftgelenkverschleiß), welche zu überaus starken Schmerzen führte (siehe hierzu Berufsunfähigkeit bei Coxathrose). Durch einen defekten Knorpelüberzug am Hüftgelenk fingen alle Arten von Bewegungen im Hüft-Becken-Bereich an zu schmerzen. Dies führte unteranderem zu einer ausgeprägten Dysbalance sowohl in der Hüfte als auch im beckenstabilisierenden Bereich.

Nach einiger Zeit entschied sich der Versicherungsnehmer zu einer OP. Hierbei wurde ihm eine Hüft-Total-Endprothese implantiert. Solch eine Prothese wird erst dann eingesetzt, wenn die konservative Therapie nicht mehr anschlägt oder der Schmerzgrad zu hoch ist.

Nachdem die Wundheilung begonnen hatte und sich der Allgemeinzustand des Versicherungsnehmers stabilisiert hatte, wurde eine Physiotherapie absolviert. Als Folge der Operation musste der Versicherungsnehmer jedoch darauf achten, dass die auszuübende berufliche Tätigkeit möglichst wenig den Hüftbereich belastet.

So entschied sich der Versicherungsnehmer intern eine überwiegend sitzende Tätigkeit anzunehmen, in welcher er lediglich Hilfsarbeiten leistete und keinerlei Entscheidungsgewalt ausübte, da er überwiegend weisungsgebunden arbeitet. Die neue Tätigkeit des Versicherungsnehmers beinhaltet das Ausfüllen von Excel-Tabellen und dem Kopieren von Dokumenten.

Nach reichlicher Überlegung entschied sich der Versicherungsnehmer einen Antrag aus Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu stellen. Die Generali Deutschland Lebensversicherung AG erkannte die Leistungspflicht an. Nach einiger Zeit erreichte den Versicherungsnehmer jedoch eine Einstellungsmitteilung, in welcher der Versicherer den Versicherungsnehmer auf die neuausgeübte Tätigkeit verweisen wollte. Daraufhin wandte sich der Versicherungsnehmer an die Hamburger Fachanwaltskanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

Diese wandte sich daraufhin umgehend an den Versicherer um einen Aktenauszug zu erhalten und die Verweisung des Versicherungsnehmers auf seine neue Tätigkeit prüfen zu können. Auch die medizinischen und wirtschaftlichen Unterlagen wurden inhaltlich geprüft. Anschließend wurden die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer aufgezeigt und dieser wurde zur Leistungserbringung aufgefordert.

Nach mehrfachem Schriftwechsel, blieb der Versicherer bei seiner Rechtsauffassung und lehnte die weitere Leistungserbringung endgültig ab. Die Entscheidung stütze der Versicherer darauf, dass der Versicherungsnehmer ja trotz der neuen Tätigkeit dasselbe Bruttogehalt erhält und somit durch die neue Tätigkeit seine bisherige Lebensstellung gewahrt sei. Die Generali Deutschland Lebensversicherung AG betrachtete die Verweisung des Versicherungsnehmers daher als gerechtfertigt.

Der Versicherungsnehmer war mit der weiteren Leistungsverweigerung des Versicherers nicht einverstanden und beauftragte die Kanzlei Jöhnke & Reichow daraufhin mit der gerichtlichen Weiterverfolgung seiner Forderungen. Die Rechtsanwälte erhoben daraufhin vor dem zuständigen Landgericht Berlin Klage auf weiterführende Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Die Anwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow argumentierten, dass die Anforderungen an eine konkrete Verweisung des Versicherungsnehmers in dem vorliegenden Fall nicht erfüllt seien. Der Versicherer beharrte jedoch darauf, dass der Versicherungsnehmer dasselbe Bruttogehalt wie vor Eintritt der Berufsunfähigkeit beziehen würde. Außer Acht gelassen wurde jedoch, dass der Versicherungsnehmer in gesunden Tagen steuerfreie Schichtzulagen erhalten hatte und das Nettogehalt somit deutlich höher ausfiel als bei der neuen Tätigkeit. Da der Versicherungsnehmer innerhalb seiner neuen Tätigkeit lediglich die Arbeit eines Hilfsangestellten ausübt und somit ausschließlich weisungsgebunden gewesen ist, war die neue Stelle auch nicht mit der Tätigkeit als qualitätssichernder Mitarbeiter vergleichbar.

Die Parteien erörterten schriftsätzlich die Rechtslage und wurden seitens des Gerichts anschließend zur mündlichen Verhandlung geladen. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung erließ das Gericht einen Hinweis und der Versicherer zeigte sich daraufhin bereit, Vergleichsgespräche zu führen. Die Parteien einigten sich danach schlussendlich darauf, dass der Versicherungsnehmer rückwirkend ab der Einstellung des Versicherers bis zum Vertragsende 75 % der vertraglich vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente erhält und von der Beitragszahlung freigestellt wird. Im Weiteren einigten sich die Parteien darauf, dass auf den nunmehr ausgeübten Beruf des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner Hilfstätigkeit in einer beruflichen Nachprüfung zukünftig nicht mehr verwiesen werden darf.

Fazit: Das Verfahren vor dem Landgericht Berlin zeigt wieder einmal, dass es durchaus sinnvoll ist, sich bei Unstimmigkeiten mit der eigenen Berufsunfähigkeitsversicherung von Anfang in die Hände versierter Rechtsanwälte zu begeben, die sich im Versicherungsrecht spezialisiert haben. Dabei ist stets anzuempfehlen, sich an Fachanwälte zu wenden, die auf eine langjährige Erfahrung in Versicherungsprozessen mit Berufsunfähigkeitsversicherungen zurückblicken können. Die entsprechende Erfahrung aus der Praxis führt zu guten und adäquaten Ergebnissen, da die rechtlichen Fallstricke im Bereich des Berufsunfähigkeitsrechts zahlreich sind und nur die tägliche Praxis eine entsprechende Kenntnis sichert. (fw)