In Einheit und Vielfalt?
30.10.2020
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Die Europäische Union ist sehr heterogen. Nicht unbedingt vergleichbar mit anderen Kontinenten. Doch gelegentlich schweißt die Vielfalt zusammen und erzeugt ungeahnte Stärke. Längere Zeit standen die Märkte insbesondere im Schatten der USA mit ihrer ureigenen Hausse. Mitunter könnte nun eine Phase der relativen partiellen Outperformance einsetzen. Insofern sollten Berater durchaus einen Blick darauf werfen, wenngleich auch die möglichen Gefahrenherde nicht außer Acht lassen.
Der europäische Kontinent umfasst mehr als 700 Millionen Einwohner. In den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) leben aktuell, nach dem Austritt der Briten, rund 450 Millionen Einwohner. Deutschland war mit 83 Millionen Einwohnern dabei der bevölkerungsreichste EU-Staat – gefolgt von Frankreich, Italien und Spanien. Allein dieses Quartett sagt schon viel über die Vielfalt Europas aus. Vom Musterschüler Deutschland zum dolce Vita-Lebensgefühl der Italiener. Natürlich hat die Corona-Pandemie auch den europäischen Volkswirtschaften ordentlich zugesetzt. Die Märkte sackten ab; im Süden verstärkten interne Faktoren zusätzlich noch das Dilemma. Nun geht die EU davon aus, dass die Wirtschaft in der Europäischen Union langsam, aber sicher wieder Fahrt aufnimmt. Sie prognostiziert im laufenden Jahr einen Rückgang der Wirtschaft von etwas mehr als 8 % und einem Wachstum von 5,8 % im kommenden Jahr. Haben demzufolge europäische Märkte das Potenzial, den davon gelaufenen US-Werten, insbesondere Tech- Aktien, etwas den Rang abzulaufen? „Die Bewertungsdivergenz zwischen amerikanischen und europäischen Aktien ist weiterhin enorm und größtenteils auf das Übergewicht an Technologieaktien am amerikanischen Kapitalmarkt zurückzuführen. Jedoch bietet Europa je nach Anlegerfokus in der Breite eine große Vielfalt an interessanten Börsenwerten. Diese Bandbreite umfasst klassische Dividendenaristokraten, Innovationsführer in Old-Economy- Sektoren, Weltmarktführer in Nischenmärkten oder auch allgemein Titel, die stark wachsen und gegenüber amerikanischen Pendants in keiner Weise das Nachsehen haben“, bemerkt Maximilian-Benedikt Köhn, Europaexperte aus dem Hause DJE Kapital. Ähnlich gestimmt zeigt sich Guillaume Brisset, Partner und Fondsmanager bei Clartan Associés und betont, dass es durchaus sehr interessante Einstiegschancen bei ausgewählten europäischen Firmen gibt. „Derzeit sind diese Unternehmen deutlich günstiger zu haben als US-Pendants und punkten zudem mit attraktivem wiederkehrenden Geschäft und einer zuverlässigen Renditeprognose“, so Brisset.
Insofern sind Chancen vorhanden, allerdings nicht im breiten Markt. Ein Pauschalurteil zu europäischen Aktien ist an dieser Stelle nicht angebracht. Gut prüfen und richtig auswählen wird indes wichtiger. Europa entwickelt sich mehr und mehr zum Stock-Picking-Markt. Insofern ein verhalten grünes Signal für europäische Titel. Und die Risiken, mögen Sie sich nun fragen? Tatsächlich gibt es in Europa einige ungelöste Problemfelder, die auch in der Corona- Zeit verstärkt zutage treten. Ein erneutes Aufflammen des Handelsstreits zwischen den USA und China könnte das Geschäft europäischer Firmen belasten. Damit nicht genug. Dr. Holger Schmitz, Gründer, Geschäftsführer und Fondsmanager der Schmitz & Cie. GmbH, sieht in diesem Zusammenhang gleich mehrere Faktoren, die für Europa erschwerend hinzukommen. Neben der expansiven Geldpolitik ist für ihn die Staatsverschuldung sozusagen eine Bürde. „Die ohnehin schon viel zu hohe Staatsverschuldung innerhalb der EU steigt immer weiter, zuletzt nochmals sprunghaft durch den von der Politik verursachten Lockdown. Hier hätte man alternative Maßnahmen wählen können, die die am stärksten vom Corona-Virus bedrohten Bevölkerungsschichten gezielt und effektiv schützen, ohne jedoch gleichzeitig das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben fast vollständig abzuwürgen. Die Folge des gewählten Weges waren massive Kollateralschäden, die jetzt durch höhere Staatsausgaben aufgefangen werden sollen“, so Dr. Schmitz.
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