„In 5 Jahren möchte ich nicht mehr im ‚Driver‘s Seat‘ sitzen!“
03.11.2022
Lisa Brunner, finanzwelt-Redaktion, und Lars Drückhammer, CEO blau direkt / Foto: © Sabrina Henkel
Ende Oktober gehörte der Rückzug von Oliver Pradetto aus der blau direkt-Geschäftsführung zu DEN News der Branche. Im ausführlichen Interview mit finanzwelt im Rahmen der DKM 2022 hat Lars Drückhammer, CEO von blau direkt, tief blicken lassen. Hier erfahren Sie alle Hintergründe zu Warburg Pincus und Oliver Pradetto sowie die Zukunftspläne von Drückhammer selbst und blau direkt, die Sie nirgendwo anders lesen können!
finanzwelt: Im Juli wurde die Zusammenarbeit von blau direkt und Warburg Pincus verkündet, seitdem gab es aber kaum weitere Informationen. Was bedeutet also nun die „Zusammenarbeit“, wie genau sieht diese aus? Lars Dürckhammer: Oliver Pradetto und ich arbeiten seit 25 Jahren zusammen, vor 23 Jahren haben wir blau direkt gegründet. Eins unserer Ziele war dabei immer, dass wir unser Unternehmen so aufbauen, dass es für unsere Mitarbeiter und all unsere Partner perspektivisch sicher aufgestellt ist. Uns war schon länger bewusst, dass wir allein zu klein sein werden, um nötige Investitionen, z.B. im technischen Bereich, auf Dauer zu stemmen. In der Vergangenheit haben wir deshalb immer kooperative Ansätze verfolgt und auch immer wieder mit möglichen Investoren gesprochen.
Ende des letzten Jahres gab es dann ja auch eine ähnliche Entwicklung bei den Kollegen aus München. Das hat für eine erhöhte Dynamik im Markt gesorgt, sodass die Anzahl der Anfragen bei uns deutlich erhöht war. In diesem Zusammenhang kam auch Warburg Pincus auf uns zu. Wir konnten das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich einordnen, haben uns aber wie immer offen gegenüber Gesprächen gezeigt. Und diese verliefen dann von Anfang an sehr positiv, sehr offen, sehr kooperativ, sehr fair. Das hat uns gut gefallen, wie dann auch der strategische Ansatz. So kam es dann zu dieser, wir haben es bisher „Kooperation“ genannt. Dabei findet tatsächlich eine Umstrukturierung und auch ein Anteilstausch statt. Die ersten Prozesse sind bereits umgesetzt worden, d.h. Oliver [Pradetto, a.d.R.] und ich sind rechtlich tatsächlich nicht mehr zu 100 % die Eigentümer von blau direkt. Es wird eine neue Holding eingerichtet, in der wir in Zukunft zu 35 % investiert sein werden. Warburg Pincus hält 65 %.
finanzwelt: Und was möchte blau direkt damit gewinnen? Drückhammer: Es geht uns besonders um drei Themen: Zum einen Corporate Engineering. D.h. wir möchten unsere Strukturen verbessern und die Art, wie wir zukünftig potenzielle neue Unternehmen in die Gruppe integrieren können, optimieren. Das zweite Thema ist Wachstum. Über die letzten 20 Jahre sind wir ausschließlich organisch gewachsen, wenn wir aber die Größenordnung erreichen möchten, die wir anstreben und die Sicherheit für das Team und die Kunden bedeutet, dann müssen wir auch anorganisch wachsen, mit Zugang zum Kapitalmarkt.
Der dritte Aspekt ist das Thema Netzwerk. Besonders für die geplante Internationalisierung, brauchen wir einen entsprechenden Partner. Das funktioniert gut über einen Player, der weltweit aufgestellt und auch in Europa investiert ist, u.a. in der Finanzdienstleistungs- bzw. Finanzbranche. Bisher zwar nicht in Deutschland, aber in UK und auch anderen europäischen Ländern sind die Geschäftsfelder von Warburg Pincus in unserer Branche überragend aufgestellt. Das ist auch ein Punkt, warum wir uns dafür entschieden haben, den Weg gemeinsam mit diesem Investor zu gehen.
„Wir wollen uns weiter am Markt etablieren“
finanzwelt: Sie haben eine Umstrukturierung Ihres Unternehmens angesprochen, was ist dafür geplant? Ist zum Beispiel auch ein Börsengang vorgesehen? Drückhammer: Nein. Wir werden jetzt von einer Personengesellschaft zu einer Kapitalgesellschaft umfirmieren, in Form einer GmbH. Diese Umwandlung ist bereits in vollem Gang. Das ist einer der ersten Schritte. Alle Tochterfirmen werden dann darunter gebündelt. Aber wir werden keine AG. Und im Moment ist auch kein Börsengang geplant. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn es um eine mögliche Exit-Option geht. Das kann dann ein strategischer Partner sein, ein weiteres Investment oder typischer Weise auch ein IPO, aber das ist Moment gar kein Thema. Jetzt geht es erstmal darum, die Strukturen zu schaffen, die Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln.
finanzwelt: Wie sieht Ihre Zukunftsvision für das kommende Jahr aus? – Was steht kurzfristig, vielleicht auch im Hinblick auf Internationalisierung, an und wo möchten Sie hin? Drückhammer: Kurzfristig wird es jetzt erstmal darum gehen, die eben genannten Strukturen umzusetzen, auch intern. Das ist unsere Herausforderung aktuell. Zudem wollen wir uns weiter im Markt etablieren, ggf. auch über strategische Kooperationen. Wie z.B. unser Joint Venture KV Werk mit insuro, bei dem es auch darum geht in diesem Bereich unsere Marktposition zu verstärken und zu erweitern. Wir suchen weitere Optionen am Markt, um strategisch unser Wachstum zu verstärken. Eine Internationalisierung wird sicherlich auch ein Thema sein, allerdings noch nicht im nächsten Jahr.
Über ARISECUR sind wir bereits in Österreich, eine Überlegung ist darüber dann Richtung Osteuropa zu gehen. Der österreichische Versicherungsmarkt ist sehr stark in Osteuropa vernetzt. Der nächste Schritt geht dann in die Richtung Frankreich, Italien, Schweiz. Also Märkte, die dem deutschen Markt durchaus ein bisschen ähnlich sind. Wobei der deutsche Maklermarkt, so wie er existiert, ein Phänomen ist, den es in anderen Märkten kaum gibt. Mittlerweile verfolgen wir aber sowieso den Ansatz einer technischen Plattform für die Versicherungsbranche, weniger den Pool-Gedanken. Auch wenn wir in vielen Köpfen noch der Maklerpool sind, ist unser Selbstverständnis ja das eines Infrastrukturanbieters, einer IT-Plattform. Die Abwicklung der Geschäfte unserer Kunden über uns als Pool ist nur noch eine Finanzierungsform. Über Direktvereinbarungen mit entsprechenden Fees bieten wir aber auch andere Services. Und: wir wickeln die Bestände unserer Partner gar nicht ab, sondern stellen nur Technik, Backoffice-Tätigkeiten und verschiedene Services zur Verfügung.
Welche weiteren Neuerungen es aus dem Hause blau direkt gibt, welche Rolle Oliver Pradetto zukünftig spielt und wie Drückhammers eigene Pläne aussehen, lesen Sie auf Seite 2.