Immobranche könnte Digitalisierungs-Vorreiter werden

09.09.2020

Thomas Knedel, Gründer und Geschäftsführer Triamis GmbH / Foto: © Alessandro de Matteis

Die Immobilienbranche wird erstaunlich selten genannt, wenn nach besonders "transformationsfreundlichen" Wirtschaftsbereichen gefragt wird. Auf den ersten Plätzen landen eher Kandidaten wie die ITK-Branche oder der Finanz- und Versicherungssektor. Tatsächlich weist die Immobranche aber einige Aspekte auf, die sie für eine Vorreiterrolle geradezu prädestinieren.

Inwieweit sich eine Branche für die Digitalisierung eignet, hängt von mehreren Faktoren ab. Vornehmlich kommt es natürlich darauf an, wie produktbezogen – und gegenständlich – die Wertschöpfungskette ausgerichtet ist. Ein hoher Anteil von Handarbeit wirkt sich ebenfalls eher negativ aus. Betrachten wir die Immobilienbranche, fällt selbstverständlich erst einmal die enorme Gegenständlichkeit der Gebäude auf. Diese Handelsgüter müssen aber im Gegensatz zur fertigenden Industrie nicht mehr hergestellt oder transportiert werden. Den Besitzer wechseln Immobilien schon seit Beginn an rein virtuell, insofern lässt sich hier schon mal ein Haken setzen. Wie sieht es aber nun mit den weiteren Tätigkeiten, Dienstleistungen und Transaktionen aus?

Ganzheitlich transformieren, um alle Chancen zu nutzen

Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen hinkt die Immobilienbranche bezüglich des erreichten Digitalisierungsgrads nicht hinterher, sondern bewegt sich sogar leicht über dem Branchendurchschnitt. Die Corona-Krise fungierte dann als zusätzlicher Booster, dessen beschleunigende Wirkung nicht verpuffen sollte. Für immer mehr Aufgaben, administrative Tätigkeiten und Prozesse finden sich heutzutage Anbieter, die mehr oder weniger komplexe Software-Lösungen auf den Markt bringen. Von der ersten Recherche der Objektsuchenden auf Immo-Portalen über die Erstellung virtueller 360°-Besichtigungen bis hin zur digitalen Wohnungsübergabe via PIN-Übermittlung für das Smart-Home-fähige-Schließsystem. Besonders interessant stellen sich diese Möglichkeiten dar, wenn man diese aus einer übergreifenden Perspektive betrachtet und Partner einbindet, deren Kompetenzen dem Nutzer genau im richtigen Moment interessant werden können. Wer sich zum Beispiel seinen Mietvertrag auf das Smartphone schicken lässt, wird sich im nächsten Schritt vielleicht nach einem TK-Anbieter umsehen oder eine passende Hausratversicherung suchen. Praktisch, wenn die App der Wohnungsgesellschaft dann direkt infrage kommende Partner mit einblendet. Diese Applikationen helfen allen Parteien, unangenehme Routineaufgaben zu automatisieren, Wege und Präsenztermine (Corona-Kontakteinschränkungen!) einzusparen und sich schon frühzeitig wertvolle und entscheidungsrelevante Informationen einzuholen. Inwieweit der Kontakt zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern in der Immobilienwirtschaft sich dann tatsächlich virtualisieren lässt, hängt von der Online-Affinität der Beteiligten ab. Wer so flexibel wie möglich agieren möchte, bietet seinen Kunden zu jeder analogen Tätigkeit oder Transaktion also idealerweise auch eine passende digitale Variante an.

Hohe Sicherheitsanforderungen und Notarpflicht

Als angezogene Handbremse bei der Digitalisierung der Immobranche könnten sich aber die relativ hohen Sicherheitsanforderungen erweisen, die relevant werden, wenn es "ernst" wird. Üblicherweise geht es bei Investments sowie dem Verkauf von Immobilien um recht hohe Summen und konsequenzenreiche Transaktionen, die notariell begleitet werden müssen. Zwar existieren schon elektronische Äquivalente zu Unterschrift und Notarsiegel, diese finden momentan aber hauptsächlich im Handelsregisterverkehr Anwendung, dementsprechend drängen Branchen-Insider auf die Zulassung des digitalen Notarvertrags für Immobiliengeschäfte – gerade angesichts der Corona-bedingten Kontakteinschränkungen.

Nähert man sich dem Thema Digitalisierung in der Immobilienbranche vorurteilsfrei und serviceorientiert an, ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, Routineaufgaben auszulagern, Kunden echten Mehrwert zu bieten, das Umsatzpotential zu erweitern und sich persönlich auf den Kern des eigenen Geschäfts zu konzentrieren. Bis auf den Optimierungsbedarf im Bereich der notariellen Beurkundung stehen diesbezüglich schon heute fast alle Ampeln auf Grün.

Gastbeitrag von Thomas Knedel, Gründer und Geschäftsführer Triamis GmbH

www.triamis.de