Im Osten geht die Sonne auf

28.02.2023

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In den vergangenen Jahren stand die US-Volkswirtschaft eindeutig im Fokus bei den Anlegern. Es ging stets aufwärts bei unseren Nachbarn jenseits des Atlantiks. Europa hinkte hinterher. Und China, das teilweise exorbitante Wachstumsraten vermeldete, kam im Zuge der Corona-Krise arg ins Straucheln. Nun könnte sich der Wind drehen und Asien den USA den Rang ablaufen. Auch die Vorzeichen für die europäische Volkswirtschaft sind besser als gedacht. Berater sollten 2023 den Verlauf der regionalen Märkte stärker als in der Vergangenheit im Blick haben.

Die USA bleiben auf Kurs. Für den einen oder anderen Beobachter ziemlich überraschend ist die dortige Wirtschaft 2022 um mehr als 2 % gewachsen. Immerhin. Auch wenn der Zuwachs im Vorjahresvergleich, als die Wirtschaft um 5,9 % wuchs, signifikant geringer ausfiel. Insbesondere der Wachstumspfad im 2. Halbjahr des vergangenen Jahres überraschte, wenngleich das 4. Quartal etwas schwächer ausfiel. Trotzdem war das Wirtschaftswachstum höher als allgemein erwartet. Laut offiziellen Angaben ist die Entwicklung im Schlussquartal vor allem durch Zuwächse bei den Konsumausgaben zu erklären. Wie wird sich nun die US-amerikanische Notenbank Fed positionieren?

Zinsanhebungen belasten Immobilienbranche und Tech-Konzerne

In den USA ist das erwartete Niveau, auf das die Fed die Zinssätze senken wird (auch bekannt als Endsatz), hartnäckig stabil und bewegt sich seit November letzten Jahres, als die Kerninflation endlich in Bewegung kam, um die 5 % herum. Da die Fed stärker von Daten abhängig ist, werden alle Augen auf die veröffentlichten Zahlen gerichtet sein, insbesondere auf den bevorstehenden Beschäftigungskostenindex (Employment Cost Index ECI), der eine zuverlässigere und umfassendere Bewertung der Lohndynamik und damit der Kerninflationsdynamik ermöglicht“, sagt Kevin Thozet, Mitglied des Investment Committee von Carmignac. Folglich könnte die Notenbank angesichts der wirtschaftlichen Lage den Fuß vom Gas bzw. von starken Zinsanhebungen nehmen und es „ruhiger“ angehen lassen. Dafür spricht auch die Entwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt. Aufgrund der schnellen Zinsanhebungen durch die Zentralbanken sind die Kreditkosten explodiert Die Immobilienbranche leidet unter den Folgen, insbesondere dort, wo die früheste und markanteste geldpolitische Straffung erfolgte – in den USA. „In den USA ist die Stimmung der Wohnungsbauer (NAHB-Index) auf dem tiefsten Stand seit der Weltwirtschaftskrise Ende der 2000er Jahre – von der Corona-Krise einmal abgesehen. Im Dezember lag die Zahl der Baubeginne privater Bauherren mit 1,4 Millionen zwar immer noch dicht am langfristigen Durchschnitt, aber deutlich unter dem im April erreichten Spitzenwert von 1,8 Millionen“, wirft Olivier de Berranger, CIO bei LFDE, ein. Und noch eine weitere Entwicklung in den USA zeigt, dass es zwar 2023 nicht dramatisch, aber doch nach unten gehen könnte. Die Entlassungswelle bei großen US-Technologieunternehmen ist nicht aufzuhalten. Nach Jahren des Wachstums stellen sich die Unternehmen auf vergleichsweise magere Zeiten ein. Amazon, Meta, Microsoft, um nur einige Namen zu nennen. Der US-Stern verglüht nicht, aber das Leuchten ist nicht so dominant und strahlend wie noch in der Vergangenheit.

Europa auf der Aufholjagd?

Bis vor kurzem war es noch eine ausgemachte Sache. Wir schlittern in eine (harte) Rezession hinein. Doch in den vergangenen Wochen haben sich die dunklen Wolken etwas verzogen. Die Aussichten sind besser. Zu dieser Einschätzung kommen auch die Ökonomen von DB Research, der Forschungseinrichtung der Deutschen Bank, in ihrem neuen Konjunktur-Ausblick „Focus Europe“. Sie gehen für Deutschland und Europa von jeweils einem deutlich besseren Wirtschaftswachstum bei niedriger Inflation als bisher angenommen aus. „In den letzten Wochen hat sich der Euroraum trotz höherer Energiepreise und strengerer finanzieller Bedingungen als widerstandsfähig erwiesen. Nachdem der Einkaufsmanagerindex (EMI) der Eurozone im Oktober zunächst ein Tiefstand von etwa 47 Punkten erreichte, kletterte er im Januar wieder auf über 50 Punkte. Dies deutet eher auf eine Stagnation als auf einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit hin. Währenddessen stieg die deutsche Industrieproduktion im November an, obwohl die Auftragseingänge im Laufe des Monats stark zurückgegangen sind. Dieser Rückgang lässt sich dadurch erklären, dass sich während der Pandemie ein großer Rückstau an Auftragsbeständen aufgebaut hat. Die vorläufigen deutschen BIP-Zahlen für das Jahr 2022 skizzieren sogar ein leichtes Wirtschaftswachstum für das letzte Quartal“, so eine jüngste Einschätzung aus dem Hause PIMCO. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte man daher sagen, wir kommen mit einem „blauen Auge“ davon. Allerdings ist der europäische Kontinent zu heterogen, um eine allgemeingültige Aussage zu machen.

Rückenwind in Asien?

Und das führt uns bei der kleinen Rundreise nach Asien. Dem Zentrum der Wirtschaftsstärke, zumindest bis vor Corona. 2022 ist die Weltmacht um 3 % gewachsen. Das klingt im historischen Vergleich als mickrig. Doch ist es mehr, als Insider erwartet hatten nach einem Jahr strikter COVID-Restriktionen und Lockdowns. Die Probleme hatten sich aufgehäuft. Die schwächelnde Weltwirtschaft führte zu weniger Nachfrage. Wichtige Industriezentren wie Shanghai waren durch den harten politischen Kurs des Zero-COVID stillgelegt. Der Konsum ging zurück. „2023 verspricht ein gutes Jahr für die chinesische Wirtschaft zu werden. Aber dieser Aufschwung wird anders sein als früher“, sagt Erik Lueth, Global Emerging Market Economist bei Legal & General Investment Management. Die Konjunkturerholung werde dem Experten zufolge weniger rohstoffintensiv ausfallen und auch weniger positive Auswirkungen auf den Westen haben. Die Mobilität nimmt wieder zu, der überregionale Güterverkehr zieht an und auch am Immobilienmarkt geht es langsam wieder bergauf. Zudem hat Peking einen vollen Instrumentenkasten und könnte geld- und fiskalpolitisch unterstützend eingreifen. (ah)

Fazit

Die großen Tech-Konzerne in den USA werden es 2023 schwieriger haben. Gewinnrevisionen werden insbesondere bei unseren atlantischen Partnern ein Thema sein. Europa laviert sich durch die Krise mit leicht verbessertem Ausblick. Die „globale Hoffnung“ ruht in diesem Jahr auf den Wachstumsmotor China, der wieder Tritt fassen sollte.