Herr Kaiser geht in Rente

15.06.2015

Nick Wilder - Foto: © Mirko Friebel (D)

In den nächsten Jahren werden viele erfolgreiche Makler in den Ruhestand gehen. Der über Jahrzehnte aufgebaute Bestand ist in den meisten Fällen ein in der Ruhestandsplanung fest vorgesehener Bestandteil der eigenen Altersvorsorge – und doch ist dieser Bestandteil oftmals durch mangelhafte Planung der Veräußerung bzw. des Übergangs in seinem Wert gefährdet.

finanzwelt zeigt Ihnen in einer heute startenden Serie die notwendigen Schritte auf, wie Sie das meiste aus Ihrem Vermögenswert „Bestand" herausholen.

Die Bedeutung des Maklerbestands für den Ruhestand

Auch für den Makler gilt, was er seinen Kunden Jahrzehnte lang geraten hat: Nur mit entsprechender Vorsorge ist ein entspannter, finanziell sicherer Ruhestand möglich, in dem man die Früchte der Lebensleistung ernten kann. Der eigene Bestand der Makler, Mehrfachagenten und Vermittler war schon immer ein wesentlicher Teil der Altersvorsorge genau dieser Berufsgruppe. Vielen Kollegen fällt nun altersbedingt auf, dass sie recht kurzfristig vor wichtigen Weichenstellungen stehen:

„Wie kann ich den Vermögenswert ‚Bestand' optimal, aber auch in absehbarer Zeit in Wert setzen?"

finanzwelt wird, beginnend mit dieser Ausgabe, gemeinsam mit Experten aus allen dafür relevanten Bereichen wie Recht und Steuer, aber vor allem aus der Praxis des Bestandsverkaufs und Bestandsübergangs, den Lesern Lösungen für dieses Problemfeld bieten. Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler, ehemaliger Vertriebsvorstand eines großen Versicherers, unterstützt diese Serie als Co-Autor. Wir beginnen in diesem ersten Teil unserer Serie mit einer Gesamtbetrachtung der einzelnen relevanten Aspekte aus der Vogelperspektive, um in den nächsten Ausgaben jeweils einzelne Aspekte in der gebotenen Tiefe zu behandeln und praktisch anwendbare Lösungen aufzuzeigen.

Worüber reden wir? Über nicht weniger als die Altersvorsorge-Planung des Maklers.

Die Altersstruktur der Makler, Mehrfachagenten und Vermittler ähnelt der der Gesamtbevölkerung. Daher ist zu erwarten, dass in den nächsten 10 Jahren große Teile der Maklerschaft das Alter für den Ruhestand erreichen. Leider gibt es keine belastbaren Erhebungen zur Zahl der bestandswirksamen Verträge oder der bestandskräftig betreuten Einzelkunden in diesen Alterskohorten der Maklerschaft, daher ist die Branche in diesen Fragen auf Schätzungen aus Erfahrungswerten angewiesen. Unstrittig ist jedoch, dass die Maklergeneration, die ihre Laufbahn in den 60er bzw. 70er Jahren begonnen hat, erhebliche Bestände aufbauen konnte, die teilweise noch durch die Sogwirkung der Wiedervereinigung wesentlich gesteigert wurden. Die aufgebauten Bestandswerte sind im Schnitt sicherlich nicht unerheblich, in vielen Fällen sogar beachtlich.

Ist keine Fortführung des Maklerbetriebs im Familienkreis geplant, so lässt sich der Vermögenswert „Bestand" grundsätzlich nur durch dessen Übergang an einen fremden Dritten realisieren, der im Gegenzug bestimmte Zahlungen zu leisten willens und in der Lage ist. Daher entscheidet der Erfolg einer Bestandsveräußerung wesentlich über die Versorgung des Maklers im Alter; dabei gemachte Fehler sind grundsätzlich nicht heilbar.

Im Ruhestand wohlhabend oder nicht? Wie der Bestand veräußert wird, ist entscheidend. „Veräußert" muss nicht unbedingt „Verkauft" heißen, grundsätzlich eröffnet sich dem Makler eine Vielzahl von Modellen des Bestandsübergangs. Dennoch sind folgende Fragen entscheidend: Was ist ein fremder Dritter gewillt, dem Makler für dessen Bestand in harter Münze zu geben? Wie lässt sich dieser Betrag maximieren? Wie lässt sich die Veräußerung rechtlich und steuerlich optimal gestalten? Was für Stolpersteine stehen der Veräußerung im Einzelfall im Weg und wie lassen diese sich aus dem Weg räumen? Der Wert des jeweiligen Bestands wird wesentlich von der Vorbereitung der Veräußerung bestimmt. Ohne entsprechende Vorbereitung ist es nicht unwahrscheinlich, dass zum Zeitpunkt der erhofften Veräußerung der Bestand aus gewissen Gründen gar nicht veräußerbar sein könnte – und daher wertlos im Sinne von „ohne Wert für Käufer" wäre. Dann ist es eventuell aber schon zu spät, diese Situation ihrem Grunde nach zu retten.

Wichtig ist die Sicht des potenziellen Bestands-Erwerbers.

Um den eigenen Bestand optimal veräußern zu können, werden wir in allen den Wert des Bestands bestimmenden Punkten nicht umhinkommen, die Perspektive eines potenziellen Bestandskäufers einzunehmen, um daraus die notwendigen Handlungen zur Veredlung des zu veräußernden Bestands abzuleiten. Im Falle der Bestandsveräußerung sollen im Wesentlichen solche vertraglichen Beziehungen, die Bestandsvergütungen nach sich ziehen, sowie die bestehenden Kundenkontakte an den Erwerber übergehen. Der Erwerber wünscht ein reibungsloses Fortbestehen der Bestandsvergütungen auslösenden Vertragsbeziehungen, keine oder, wenn doch, möglichst geringe rechtliche wie auch Stornorisiken und einen nahtlosen Übergang vom Bestandsveräußerer. Der potenzielle Erwerber wird zur Abfederung seines Risikos daher unter anderem auf möglichst vollständige Beratungsdokumentation, rechtlich aktuelle Maklerverträge, eine geordnete Aufstellung von Verträgen nach Art, Bestandsprovisionen und Restlaufzeiten, durchschnittlichem Kündigungsrisiko sowie geordneten Kundendaten inklusive Kontakthistorie bestehen. Durchgehende Absicherung durch Haftpflichtversicherung wird ebenfalls Thema sein. Bei Beständen mit Verträgen, die vor dem 22.05.2007 datieren, also grundsätzlichen allen, die von in den Ruhestand gehenden Maklern angeboten werden, sind die damals noch nicht durchgängig per VSH abgesicherten Kundenbeziehungen problematisch. Aber auch hier gibt es Lösungen, über die die finanzwelt im Rahmen dieser Serie berichten wird. „Für die Bewertung eines jeweiligen Bestands ist die sachliche, rechtliche und schnell für einen Dritten überblickbare Vollständigkeit und Ordnung entscheidend", so Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler. „Ist der Überblick über einen Bestand mühselig, lückenhaft oder nur unvollständig herzustellen, so werden erfahrungsgemäß große Risikoabschläge vorgenommen, wenn nicht gar ganz auf den Bestand verzichtet wird."

Gibt es die optimale Rechtsform des Maklerbetriebs im Hinblick auf die Bestandsveräußerung?

Grundsätzlich ja; aus vielen Gründen ist die für die Bestandsveräußerung optimale Rechtsform des Maklerbetriebs die der juristischen Person – also der AG, der GmbH oder der UG, im Einzelfall auch der GmbH & Co. KG. Vielfach werden in Deutschland Maklerbetriebe jedoch als Einzelunternehmen geführt, was einen Makler bei einer Bestandsveräußerung vor erheblichen Herausforderungen stellt. Worin genau besteht der Unterschied und lassen sich Lösungen finden? Der Unterschied liegt in der Bestandsübertragung entweder per Einzelrechtserwerb im Falle eines Einzelunternehmens (Denglisch: Asset Deal) gegen den eines Beteiligungserwerbs im Falle einer juristischen Person (Denglisch: Share Deal). Die sich hinsichtlich Datenschutzes, rechtlicher, steuerlicher sowie haftungsrechtlicher Aspekte ergebenden Unterschiede sind dabei erheblich. Kurz gefasst kann der Bestandserwerb bei einem „Share Deal" durch den Verkauf der Gesellschaftsanteile an der juristischen Person vollzogen werden, es bleiben alle Besitztümer, insbesondere alle vertraglichen Beziehungen, unverändert bei der juristischen Person, die Veränderung vollzieht sich nur auf der Ebene des Besitzes der Gesellschaftsanteile. Beim Einzelrechtserwerb, dem „Asset Deal", muss grundsätzlich jeder einzelne Vertrag, jedes einzelne Asset jeweils für sich übergehen. Hier kann es zu Problemen mit Datenschutz, bestandskräftigen Maklerverträgen und der praktischen Umsetzbarkeit des Einzelrechtsübergangs kommen. Auch hier wird unsere Serie praktikable Hilfestellungen bieten.

Achtung, Datenschutz! Am Datenschutzgesetz kann vieles scheitern.

Die rechtlichen Regelungen zum Datenschutz sind umfänglich und werden von der Maklerschaft, jedenfalls soweit es um eine potenzielle Bestandsveräußerung geht, noch zu wenig gewürdigt. Der Datenschutz kann im Falle des „Asset Deals", also des Einzelrechtserwerbs bei einem Einzelunternehmen, zum Deal-Breaker werden und einen Bestand im schlimmsten Falle praktisch unverkäuflich machen. Warum? Bei einem Einzelrechtserwerb geht grundsätzlich jeder einzelne Vertrag getrennt über. Diese Übertragung der den Kunden jeweils betreffenden Verträge bedeutet aber auch, dass eben diese Daten übertragen werden. In der Regel hat jedoch der entsprechende Kunde der Übertragung seiner Daten an den Erwerber des Bestands nicht zugestimmt. Wenn diese Daten ohne eine solche Zustimmung übergehen, macht sich der veräußernde Makler grundsätzlich haftbar. Besonders brisant wird es, wenn der zu veräußernde Bestand hauptsächlich Lebens,- Kranken,- oder BU-Versicherungen enthält, denn diese sind per Bundesdatenschutzgesetz als „sensible Daten" zu qualifizieren, bei deren unbefugter Weitergabe und Verarbeitung sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen. Ein großer Bestand von vielen hunderten oder gar tausenden Kunden ohne bestehende Einwilligung jedes einzelnen Kunden in die Weitergabe seiner Daten wäre, selbst wenn die Bestandsprovisionen üppig fließen würden, aus rechtlichen und organisatorischen Gründen kaum verkäuflich. Im schlimmsten Falle müsste von jedem einzelnen Kunden die Zustimmung zur Weitergabe seiner Daten an den Erwerber eingeholt werden. Enthält der bestehende Maklervertrag in jedem Fall eine entsprechende Klausel, so ist die Lage ein wenig entspannter. Dennoch: Nach geltender Rechtsauffassung müsste bei einigen Daten der Erwerber des Bestands bereits bei Abschluss des jeweiligen Maklervertrags benannt werden. Eigentlich unmöglich. Auch diesen Aspekt werden wir im Rahmen der Serie in den nächsten Ausgaben würdigen und mit Experten aus Datenschutzrecht und Praxis Lösungen aufzeigen.

Bestandsveräußerung unter Pool-Partnern

Unter Würdigung der vorstehenden, nicht unerheblichen rechtlichen und organisatorischen Probleme bei der Bestandsveräußerung bietet sich der Bestandsverkauf unter Pool-Partnern als ein möglicher Ausweg für Einzelmakler an. In einer solchen Konstellation kann es dem Makler ermöglicht werden, seine Bestände ohne die erheblichen Probleme eines „Asset Deals" an andere Pool-Partner oder verbundene Dritte überzuleiten. Der Grund: Der Pool ist grundsätzlich Vertragspartner der Versicherer, der Vergütungsanspruch besteht regelhaft zwischen Pool und Pool-Partner. Verkürzt gesagt gehen bei einem solchen „virtuellen Bestandsübergang" hauptsächlich die Vergütungsansprüche von einem Pool-Partner zum anderen über, die weiteren bestehenden vertraglichen Verhältnisse werden nicht berührt. Selbstverständlich ist diese Vorgehensweise in der Praxis nicht ganz so einfach wie verkürzt geschildert, dennoch bieten viele Pools bei dieser Art der Bestandsveräußerung aktiv Hilfestellung als Teil ihrer Dienstleistung für ihre Mitglieder an. finanzwelt wird in einer der nächsten Ausgaben die Angebote der Pools bei der Bestandsveräußerung unter Pool-Partnern im Überblick schildern und deren Hilfeleistungen beim Übergang von Beständen von Einzelmaklern genau beleuchten. Für viele Einzelmakler werden sich hieraus neue Impulse ergeben.

Das Vertragliche: Was muss geregelt werden?

Die regelungsbedürftigen Vertragsbestandteile, neben der Feststellung was genau wie übertragen wird, sind vielfältig. Dr. Hans-Georg Jenssen, geschäftsführender Vorstand des VDVM Verband Deutscher Versicherungsmakler, nannte kürzlich im Rahmen einer Präsentation zum Thema „Unternehmensnachfolge – Bewertung, Recht, Finanzierung" auf dem Norddeutschen Versicherungstag als Vertragsbestandteile: Kaufgegenstand, Kaufpreis und Zahlungsmodalitäten, Gewährleistung und Garantien. Bei den Haftungsregelungen sind es: Haftungsfreistellungsvereinbarung, Stornohaftung, Wettbewerbsverbot, Bestandsschutzklausel, Mitwirkungspflichten, Weiterleitungsklausel, Unternehmensfortführung, Mitarbeiterverträge etc. Auch diese regelungsbedürftigen Aspekte wird finanzwelt mit Experten aus Recht und Praxis für Sie erschließen und Lösungen anbieten.

Nichts tun ist keine Lösung. Maklerverträge bestehen nach dem Tod des Maklers nicht fort.

In Kenntnis der vorgenannten Probleme – besonders beim „Asset Deal", der für den Einzelmakler die Regel darstellen dürfte – kann der Makler versucht sein, einfach gar nichts zu tun, seinen als Einzelbetrieb organisierten Maklerbetrieb einfach weiter laufen zu lassen und die entsprechenden Bestandsvergütungen weiterhin regelmäßig aus seinen vertraglichen Beziehungen mit den Versicherern abgerechnet zu erhalten. In manchen Fällen kann dies auch eine sachlich richtige Lösung sein. Dennoch: Ist eine Familie zu versorgen, so wird dies keine Lösung sein. Stirbt dieser Makler, so ist es äußerst fragwürdig, ob der einzelne Maklervertrag, der mit dem jeweiligen Kunden geschlossen wurde, den Tod des Maklers überlebt. Der Maklervertrag ist grundsätzlich ein Geschäftsbesorgungsvertrag, der nach § 673 BGB mit dem Tod des Beauftragten erlischt, im beispielhaften Falle mit dem Tod des Maklers. Will der Makler seine Hinterbliebenen über seinen Tod hinaus durch die aufgebauten Bestandsvergütungs-Ansprüche versorgen, so ist er gezwungen, seine Bestandsveräußerung zu planen und durchzuführen, sonst kann die Lebensleistung mit seinem Tod verloren sein.

Planungshorizont: Wann müssen Sie mit der Vorbereitung der Bestandsveräußerung beginnen?

Nach Expertenmeinung ist ein Vorlauf von ca. fünf Jahren für eine geordnete und wirtschaftlich optimale Bestandsveräußerung ideal. Auch hier werden wir Ihnen im Rahmen dieser Serie die erforderlichen Grundinformationen und Hilfestellungen eröffnen. (cs)

Co-Autor Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler

Printausgabe 03 / 2015