HDI Berufe-Studie 2023: Erhöhter Arbeitsdruck durch Personalmangel

21.09.2023

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Der Fachkräftemangel schlägt immer mehr auf die Belegschaft durch. 59 Prozent aller Berufstätigen berichten von Personalmangel in ihrem Unternehmen. Als häufigstes Resultat werden eine steigende Arbeitsbelastung (31 Prozent), stockende Arbeitsabläufe und -prozesse sowie eine wachsende Bereitschaft zum Jobwechsel (je 14 Prozent) beklagt. Das sind zentrale Ergebnisse der HDI Berufe-Studie, die jährlich bundesweit in Zusammenarbeit mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov Deutschland durchgeführt wird.

Für die HDI Berufe-Studie wurden von Mai bis Juni 2023insgesamt 3.864 Erwerbstätige ab 15 Jahren befragt. Jens Warkentin, Vorsitzender des Vorstands von HDI Deutschland erklärt: „Der Fachkräftemangel ist inzwischen im Herzen der deutschen Wirtschaft angekommen und wird sich in den kommenden Jahren durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge noch verstärken. Das stellt Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen in puncto Leistungsfähigkeit, Prozesssicherheit und Kundenservice.“

Fast jeder zweite Arbeitnehmer (44 Prozent) fühlt sich im Unternehmen nicht gefördert und 50 Prozent können keine Aufstiegschancen erkennen. Doch die Studie zeigt auch Chancen auf: Unternehmen mit einer gezielten Personalstrategie können vielzählige Vorteile bei der Mitarbeiterbindung sowie Gewinnung neuer Talente erzielen.

Hohe Bedeutung guter Personalarbeit für den Geschäftserfolg

Korrelationsanalysen innerhalb der HDI Berufe-Studie 2023 beweisen interessante Zusammenhänge. So sagen Beschäftigte, die sich von ihrem Arbeitgeber gefördert fühlen, weit häufiger als Beschäftigte, die sich nicht gefördert fühlen, dass ihnen „der Beruf viel bedeutet“ (58 Prozent zu nur 37 Prozent) und sie ihn „als sinnstiftend empfinden“ (57 Prozent zu 38 Prozent). Zudem nehmen sie den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft viel häufiger als hilfreich an (63 Prozent zu 42 Prozent) und trauen auch dem mobilen Arbeiten deutlich öfter bessere Ergebnisse zu (48 Prozent zu 37 Prozent).

Caroline Schlienkamp, Personalvorständin der HDI Group und Vorstandsmitglied der Talanx AG resümiert: „Die aktuelle HDI Berufe-Studie zeigt, welche strategische Bedeutung Personalarbeit für den Geschäftserfolg hat. Erst wenn die Menschen spüren, dass ihr Unternehmen auf sie setzt, sie fördert und weiterentwickelt, entstehen starke Bindungen. Die Ergebnisse sollten Arbeitgeber als Chance begreifen: Unternehmen mit einer nachhaltigen und gezielten People-&-Culture-Strategie erarbeiten sich Vorteile im Wettbewerb um die besten Talente.“

Kündigung bei schlechten Vorgesetzten

Jeder zweite Angestellte in Deutschland würde wegen schlechten Vorgesetzten kündigen, bei den unter 40-Jährigen sogar 56 Prozent (45 Prozent bei Älteren). Frauen sind dabei entschlossener als Männer (53 Prozent zu 48 Prozent) und in Westdeutschland sind mehr zur Kündigung bereit als im Osten (51 Prozent zu 47 Prozent). Interessant ist dabei: Die Gehaltshöhe hat auf die Kündigungsbereitschaft nahezu keine Auswirkung.

Nachlassende Berufsbindung – vor allem bei der Generation Y

Zum ersten Mal sagen weniger als die Hälfte aller Erwerbstätigen in Deutschland, dass ihnen „der Beruf viel bedeutet“ (47 Prozent). Das ist der niedrigste Wert seit Start der jährlichen HDI Berufe-Studie 2019. Allein gegenüber 2022 (58 Prozent) ist das ein Rückgang um rund ein Fünftel. Weniger als die Hälfte stimmen inzwischen auch der Aussage zu, dass „sie sich ein Leben ohne Beruf nicht vorstellen können.“ Interessant dabei: Die Berufsbindung der 30- bis 44-Jährigen (entspricht ungefähr der „Generation Y“) ist inzwischen die niedrigste aller Generationen. Nur rund jeder Dritte (37 Prozent) will hier beispielsweise noch der Aussage zustimmen, „dass einen Beruf auszuüben mir mehr bedeutet, als damit Geld zu verdienen“. Das ist der niedrigste Wert im Alters-Vergleich. Selbst in der Generation der 15- bis 29-Jährigen (annähernd die „Generation Z“) liegt die Zustimmung mit 41 Prozent noch signifikant höher.

Höheres Gehalt und 4-Tage-Woche

Die größte Sorge der Erwerbstätigen beim Personalmangel in Deutschland ist, dass die Gesundheit der Beschäftigten und das Arbeitsklima Schaden nehmen (35 Prozent). Als zweitgrößte Sorge gilt aber schon, dass es zu einem Wissensverlust („Brain drain“) kommt, weil Mitarbeiter nicht oder nur verzögert ersetzt werden und so ihre Kenntnisse nicht weitergeben können (29 Prozent).

Als beste Maßnahme für Unternehmen, sich im Wettbewerb, um Personal durchzusetzen, nennen die Beschäftigten eine höhere Entlohnung (46 Prozent). Es folgt die Einführung der 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich (30 Prozent) und jeder Vierte nennt auch mehr Benefits neben dem Gehalt wie etwa Betriebsrenten oder Bonussysteme (25 Prozent).

Arbeiten im Rentenalter immer beliebter

Höhere Entlohnung (26 Prozent) und die 4-Tage-Woche (25 Prozent) sind auch die am häufigsten genannten Bedingungen, unter denen Beschäftigte über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten würden. Nur ein Viertel aller Arbeitnehmer schließt das grundsätzlich für sich aus. Am häufigsten innerhalb der Berufsgruppen können sich mit 82 Prozent die Beschäftigten im IT-Bereich das Weiterarbeiten vorstellen. (mho)