Gute Gründe für Value

17.03.2022

David Levine (li.) und Eli Salzmann (re.), Portfolio Manager bei Neuberger Berman / Foto: © Neuberger Berman

In Zeiten der Krise nimmt die Value-vs-Growth-Debatte Fahrt auf. In ihrem Kommentar erläutern Eli Salzmann und David Levine, Portfolio Manager bei Neuberger Berman, inwiefern für sie Value-Titel im aktuellen Wirtschaftsumfeld die Nase vorn haben.

  • Neuberger Berman rechnet mit schwierigen Zeiten für Wachstumswerte und günstigen Bedingungen für Value
  • Schwächere Konjunktur wird Growth-Titeln nicht nützen
  • In den nächsten Jahren sind niedrigere und volatilere Aktienerträge zu erwarten

Vor sechs Monaten hatten Value-Investoren gut reden. Nach dem Ende der Lockdowns wuchs die Weltwirtschaft stark an, mit den USA an der Spitze. Man rechnete mit einer höheren Inflation und dem Ende der Nullzinspolitik.

Wer als Antwort auf ein Jahrzehnt mit schwachem Wirtschaftswachstum auf Wachstumswerte gesetzt hatte, oder angesichts der niedrigen Leitzinsen weiterhin auf hohe zukünftige Gewinne spekulierte, begann nun nach einem Ausstieg zu suchen. Aber was war die Alternative? Wohl kaum passive „Core“-Indexanlagen, da die Märkte von einer Handvoll extrem erfolgreicher Wachstumswerte bestimmt werden. Stattdessen setzten Investoren auf Value. Hier ließen sich konjunktursensitive Unternehmen finden, die von der Erholung profitieren – weniger zinssensitive, günstig bewertete Titel für eine Zeit voller spekulativer Übertreibungen.

Günstige Bedingungen für Substanzwerte

Die Fondsmanager von Neuberger Berman hielten diese Argumentation immer für etwas zu einfach. Ende 2021 war die Inflation höher, hartnäckiger und umfassender als oft prognostiziert. Immer häufiger wurde befürchtet, dass die Teuerung außer Kontrolle geriet oder die Notenbanken gezwungen sein würden, mit einer massiven Straffung der Geldpolitik das Wachstum zu bremsen. Die große Sorge war, dass die Fed selbst nach einem Abschwung die Zinsen weiter anheben müsste. Die Märkte wurden volatiler.

Bei Neuberger Berman hatte man damit bereits gerechnet und sich entsprechend positioniert. Der Vermögensverwalter bleibt bei der Annahme, dass es gute Gründe für Substanzwerte gibt – obwohl der Krieg in der Ukraine das Wirtschaftswachstum dämpfen, die Inflation treiben und für mehr Volatilität sorgen kann. Er rechnet weiterhin mit schwierigen Zeiten für Wachstumswerte und günstigen Bedingungen für Value.

Schlechte Aussichten für Wachstumswerte

Warum sollte eine schwächere Konjunktur Wachstumswerten aber nicht nützen? Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens dürfte in diesem Konjunkturzyklus vielleicht erstmals seit 40 Jahren ein schwächeres Wachstum nicht die Inflation dämpfen und damit auch nicht für niedrigere Zinsen sorgen. Die Fed mag ihren Kampf gegen die Teuerung verlieren, jedoch ist es schwer vorstellbar, dass sie es nicht erst einmal mit Zinserhöhungen versucht. Höhere Zinsen bedeuten allerdings zwangsläufig niedrigere Bewertungen für Aktien mit einer langen Duration – also für Wachstumswerte.

Zweitens halten die Fondsmanager bei Neuberger Berman hochkapitalisierte amerikanische Wachstumswerte noch immer für stark überbewertet – obwohl sie in diesem Jahr bereits um über zehn Prozentpunkte hinter Substanzwerten zurückgeblieben sind. Ein wichtiger Indikator ist in den Augen des Vermögensverwalters der Unterschied zwischen den Kurs-Buchwert-Verhältnissen des Russell 1000 Growth und des Russell 1000 Value. Die Differenz ist heute sogar noch wesentlich größer als auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase.

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