Greiffbar – Investments zum Anfassen
28.10.2022
Volker Schilling, Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff capital management AG / Foto: © Greiff capital management AG
Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?
Personalkarussell
Am Jahrmarkt der politischen Eitelkeiten gab es in der abgelaufenen Woche neue Schausteller. Das Personalkarussell in Großbritannien lief zuletzt derart auf Hochtouren, dass bereits gemunkelt wurde, dass Downing Street No. 10 jetzt eine Drehtüre bekommt. Premierministerin Liz Truss war schneller wieder draußen als die Drehscheibenfreiwilligen auf der Kirmes. Mit 50 Tagen die kürzeste Amtszeit eines Premiers seit 1834. Immerhin erlebte sie zwei Monarchien in ihrer Amtszeit. Ihr Nachfolger Rishi Sunak, seines Zeichens Investmentbanker, mit einem geschätzten Vermögen von über 800 Mio. Euro, beendete die wirtschafts- und finanzpolitische Geisterbahnfahrt seiner Vorgängerin. Zuerst stehe die Konsolidierung der Finanzen und das Vertrauen in eine solide Wirtschaftspolitik im Vordergrund. Wir dürfen gespannt sein, wie Sunak das 40 Milliarden-Loch stopfen will und zeitgleich die Briten in der Krise unterstützen möchte. Vielleicht kommt er auf ähnliche Gedanken wie die neue italienische Volksfestkönigin Giorgia Meloni, die mehr Forderungen an die EU hat. Warten wir es ab, vorerst kehrt am Währungs- und Börsenplatz in Großbritannien Ruhe ein.
Kursachterbahn
Ganz anders an den weltweiten Börsen. Nach der Kursachterbahnfahrt im laufenden Jahr und dem Tiefpunkt Anfang Oktober setzen die Kurse zu einer Erholung an. Ob dies nur die Gegenbewegung auf einem Freefalltower ist oder eine dauerhafte Aufwärtsfahrt im Riesenrad, ist noch nicht geklärt. Allerdings ist die übergroße Absicherung der Börsenprofis vor weiteren Kursverlusten eher ein Signal für steigende Kurse. Ich bleibe daher bei meiner Einschätzung, dass das 4. Quartal quasi das Oktoberfest für Anleger wird. US-Zwischenwahlen und saisonale Effekte sprechen ebenfalls dafür. Die Losbude der Anleger, die Börse, hat allerdings neue Gewinner und Verlierer ausgemacht. Während die Big Techs wie Microsoft, Amazon, Meta & Co reihenweise als Nieten daherkommen, profitieren Valuewerte wie Luxusgüter, Energietitel oder Medizintechnik. Allerdings sitzen derzeit mehrheitlich die Privatanleger in den Fahrgeschäften, die wie nach einer heftiger Autoscooterfahrt etwas lädiert sind, aber immer noch Fahrchips nachschieben. Die professionellen Jahrmarktbetreiber versichern zunehmend den Ausfall ihres Geschäftes und könnten daher zum Jahresende auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn es wieder heißt: „Jetzt noch zusteigen bitte und ab geht die Fahrt …!“
Schiffschaukelbremser
Wer beruflich die Geschwindigkeit an einer Schiffschaukel regelt, achtet darauf, dass es nicht aus dem Ruder läuft. So zum Beispiel die europäische Notenbank EZB und ihre oberste Bremserin Christine Lagarde, die leider versäumt hatte, rechtzeitig die Inflation zu bremsen und daher jetzt gezwungen ist, massive Bremsmanöver einzuleiten. Weitere 0,75 % Zinsanhebung diese Woche auf jetzt 2 %. Endlich wieder Zinsen möchte man sagen, wären da nicht die Bremsspuren in der Wirtschaft. Und was macht die Inflationsschaukel? Bisher schaukelt sie munter weiter. Warten wir es ab, ob sie wirklich langsamer wird. Das Wort
Schiffschaukelbremser wird aber noch in einem anderen Zusammenhang gerne verwendet, nämlich dann, wenn es sich um eine feige oder ängstliche Person handelt. Etwa jemand, der sich nicht zu sagen traut, dass man im Hafen seiner Schiffschaukel keinen zusätzlichen chinesischen Aussteller haben möchte und daher trotzdem zustimmt, ihm einen Platz einzuräumen. Was für ein Rummel diese Woche.
Ihr Volker Schilling
Kolumne von Volker Schilling, Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff capital management AG