„Global statt lokal“

28.07.2013

Europa, die USA oder lieber doch Schwellenländer? In turbulenten Börsenzeiten ist eine breite Aufstellung zwecks Streuung der Risiken wichtiger. Globale Aktienfonds sind daher Basisinvestments für jeden langfristigen Vermögensaufbau. Im finanzwelt-Interview bezog Dr. Nils Ernst, Fondsmanager DWS Global Growth, Stellung zu seiner Investmentstrategie.

finanzwelt: Investoren, die die Wachstumspotenziale der globalisierten Welt erfassen möchten, empfiehlt sich ein internationaler Aktienfonds. Manche Experten sind aber auch der Meinung, dem Fondsmanagement nicht zu viel Freiraum zu lassen und sich deshalb aus den gewünschten Regionen die geeigneten Fonds herauszusuchen.

Dr. Ernst: Insgesamt kommt es darauf an, wie viel Geld man zur Verfügung hat und wie weit man es aufteilen möchte. Wer beispielsweise nur über geringe Mittel verfügt, wählt am besten einen internationalen Aktienfonds, der sollte in keinem Depot fehlen. Weltweit anlegende Aktienfonds unterliegen normalerweise keinen Beschränkungen hinsichtlich der regionalen Aufteilung des Fondsvermögens. Wir fokussieren uns daher nicht auf eine Region oder Branche, sondern suchen eben weltweit nach Opportunitäten und Trends, die sich langfristig lohnen und zukunftsträchtig sind. Dabei analysieren wir Unternehmen und Industrien ausschließlich durch die Brille eines langfristig ausgerichteten Investors und versuchen, uns ein möglichst unabhängiges Bild der ökonomischen Substanz einer Firma zu machen.

finanzwelt: Nach welchen Kriterien wählen Sie letztlich aus?

Dr. Ernst: Wir suchen gezielt Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Wachstum auf der Gewinn- und Umsatzseite. Das Investitionsuniversum gliedere ich dabei in drei Gruppen: Zum einen die Global Players, die mittlerweile einen signifikanten Umsatzanteil in den Schwellenländern generieren. Zum anderen gestandene Unternehmen aus Europa und den USA, die erfolgreich in einem Nischenmarkt (Preissetzungsmacht, hohe Margen) zu Hause sind. Außerdem halten wir Ausschau nach Unternehmen aus den Schwellenländern. Die variable Quote der Direktinvestments in den Emerging Markets kann dabei zwischen 5 und 30 % liegen. Dies ist ein zentrales Unterscheidungsmerkmal unseres Fonds gegenüber anderen weltweit investierenden Aktienfonds. Momentan liegt dieser Anteil bei 12 %.

finanzwelt: Diese Flexibilität zeichnet Sie aus, speziell im aktuellen Markumfeld.

Dr. Ernst: In der Tat kommt uns die variable Quote des Schwellenländeranteils auch momentan sehr entgegen. Das Fondsmanagement kann dann die Risiken breiter streuen, indem es die Gewichtung der aufstrebenden Staaten entsprechend senkt.

finanzwelt: Der DWS Global Growth zielt auf Wachstumswerte ab. Die Suche nach Wachstum ist derzeit keine einfache Aufgabe.

Dr. Ernst: Weltweit findet eine Verschiebung der Wachstumsdynamik statt. Investoren sind mit einer „neuen" Welt konfrontiert – einer Welt, die sich zunehmend in zwei Geschwindigkeiten dreht. So steht ein vergleichsweise schnelles, hohes Wachstum in den Schwellenländern einem langsameren Wachstum in den „alten" Industrieländern gegenüber. Ferner wird ihre Wirtschaftsentwicklung durch die Notwendigkeit zum Staatsschuldenabbau gebremst, insbesondere auf dem europäischen Kontinent und in den USA. Vor diesem Hintergrund sind Wachstumswerte aktuell ein rares Gut. Hier liegt auch das Unterscheidungsmerkmal zum Wachstumsboom Anfang des Jahrtausends. Die Bewertungen vieler Unternehmen waren zu dieser Zeit oftmals astronomisch, beispielsweise in der Internetbranche. Heute sind die Bewertungen fair. Dies bedeutet, dass das Umfeld für Investoren lukrativer ist als damals.

finanzwelt: Finanzberatern, die sich mit Schwellenländern auseinandersetzen, fallen zunächst Akronyme wie „BRIC" ein. Ihr Engagement in diesen vier Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China) ist sehr gering – aktuell haben Sie lediglich einen russischen und einen indischen Wert im Fonds. Wie erklärt sich das?

Dr. Ernst: Das hat zentral mit meinem Verständnis von Emerging Markets zu tun. Unternehmen, die in Staaten beheimatet sind, die in der Lage sind, aufgrund ihrer strukturellen Vorteile aus sich heraus zu wachsen, finden unser Interesse. Sozusagen die ehemals zweite Reihe der Schwellenländer (Türkei, Mexiko, Indonesien). Natürlich gilt auch bei diesen Staaten, dass wir die Tagespolitik im Auge behalten müssen und uns entsprechend positionieren. Die Türkei beispielsweise war im vergangenen Jahr einer der besten Aktienmärkte weltweit. Grundsätzlich hat sich an dieser Story wenig geändert – trotzdem ist unser Türkei-Exposure aktuell sehr gering. Die BRIC-Staaten auf der anderen Seite gehören heutzutage nicht mehr zu den klassischen Schwellenländern.

finanzwelt: Wachstumswerte der Schwellenländer unterscheiden sich auch in ihrem Reifegrad von denen in den Industriestaaten.

Dr. Ernst: Viele Unternehmen der Schwellenländer befinden sich noch in der Frühphase, das heißt, der Fokus liegt auf dem Investieren, noch nicht auf dem zu erzielenden Gewinn. Das unterscheidet sie von den Unternehmen der Industriestaaten, die oftmals schon in der Kern- und Reifephase sind und Gewinne ausweisen. Frühphasenunternehmen machen ungefähr einen Anteil von 10 bis 15 % in unserem Fonds aus.

finanzwelt: Seit circa neun Jahren sind Sie Fondsmanager des DWS Global Growth, der mittlerweile ein Fondsvermögen von über 640 Millionen Euro hat. Was kennzeichnet Sie im Besonderen?

Dr. Ernst: Sicherlich profitiert unser Fonds ganz zentral von einemgroßen hauseigenen Research-Team und dessen Schlagkraft. Damit meine ich die über 70 Mitarbeiter auf der Aktienseite in Frankfurt. Kurze Wege zu den einzelnen Spezialisten erhöhen die Synergieeffekte. Sie können neue Ideen in 4-Augen-Gesprächen unmittelbar entwickeln und umsetzen.

finanzwelt: Auf Ein-Jahres-Sicht liegt Ihre Performance (Stichtag 31.05.13) etwas hinter der Benchmark MSCI World zurück. Welche Erklärung haben Sie hierfür?

Dr. Ernst: In den vergangenen sechs Monaten haben wir es nicht geschafft, die Benchmark zu schlagen. Hier sollte man aber berücksichtigen, dass unser Fonds ein langfristig orientiertes Basisinvestment ist. Davon abgesehen ist es natürlich das Ziel, eine bessere Wertentwicklung als die Benchmark zu generieren.

Dr. Nils Ernst trat im November 2004 bei der DWS ein. Zuvor arbeitete er während seiner Promotionszeit als Investment Consultant bei der FERI Institutional Management GmbH in Bad Homburg. Er ist verantwortlicher Portfoliomanager für den DWS Global Growth und den DWS Top 50 Welt.

(Das Interview führte Alexander Heftrich)

Interview mit Dr. Nils Ernst - Printausgabe 04/2013