Glanz und Gloria?
29.08.2023
Imaru Casanova, Portfoliomanagerin Gold und Edelmetalle, VanEck Asset Management; Florian Ielpo, Head of Makro, Multi Asset Lombard Odier Investment Managers (LOIM). Foto: LOIM
Verkehrte Welt. Bereits im vergangenen Jahr hat Gold seine Funktion als Inflationsdämpfer wenig bis gar nicht erfüllt. Das, obwohl die Voraussetzungen eigentlich nicht ganz so schlecht waren. Auch aktuell stehen Edelmetallfonds auf der Verkaufsliste weit oben. Noch. Denn der Wind könnte sich drehen und Gold wieder glänzen. Konstruktiv positiv lautet dann die Einstufung.
2022 stand ganz im Zeichen der Inflationshochs und Verunsicherung der Märkte. Eigentlich ein gutes Szenario für die Anlage in Gold. Doch die Performance des Edelmetalls machte Investoren einen dicken Strich durch die Rechnung. Zurückzuführen war das auch und in entscheidendem Maße auf den starken US-Dollar und die Leitzinserhöhungen vieler Zentralbanken, um der Inflation Herr zu werden. Laut Statista lag der Goldpreis im vergangenen Jahr bei durchschnittlich etwa 1.800 US-Dollar je Feinunze. Damit war der Preis gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert geblieben. Gegenüber dem Jahr 2019 ist der Preis allerdings deutlich gestiegen, was auch auf die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg und die damit einhergehende zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit zurückzuführen ist. 2022 fiel somit für viele Gold-Enthusiasten eher mau aus. Im laufenden Jahr hat das gelbe Edelmetall sich etwas erholt; ein Anstieg um ca. 6 % (in US-Dollar) bzw. mehr als 3 % (in Euro). Zeitweise wurde sogar die Marke von 2.000 US-Dollar getestet und kurzfristig überwunden. Doch was bringt die Zukunft in den verbleibenden Monaten?
Im Spannungsfeld von Inflation und Märkten
„Die Performance des gelben Metalls in diesem Jahr ist wahrscheinlich zu einem erheblichen Teil auf die positive Reaktion auf die US-Preise zurückzuführen. Die langfristige Beziehung bleibt bestehen, aber wenn man die jüngsten Goldwerte gegen die langfristige Beziehung zur US-Inflation aufträgt, steht Gold über dieser Beziehung. Mit anderen Worten, Gold lag zu Beginn des Inflationsschocks im Jahr 2022 bereits weit über seinem fairen Wert: Seine mangelnde Reaktion auf die ‚Inflationswand‘, mit der die USA und die Welt konfrontiert waren, ist wahrscheinlich auf diese anfängliche Überbewertung zurückzuführen“, sagt Florian Ielpo, Head of Makro, Multi Asset bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM) und ergänzt, dass die Differenz zwischen den Nominalzinsen und dem Inflationsausgleich eine wesentliche Rolle für die Performance von Gold spiele. Gold ist folglich eine Währung, die eben keine Zinsen abwirft und es wird gegen den Dollar gehandelt, der seinen Inhabern Zinsen zahlt. Der reale Goldpreis muss daher sinken, wenn die realen US-Zinsen steigen.
Bodenbildung lässt Ausblick positiv erscheinen
Vergegenwärtig man sich die Wertentwicklung des Edelmetalls in den vergangenen sechs Monaten (Stichtag: 11.07.), so fällt auf, dass einem Preisverfall bis Anfang/Mitte März eine Aufwärtsbewegung folgte, die Anfang Mai mit einem Stand von 2.050 US-Dollar ihren Höhepunkt fand. Seitdem hat sich der Goldpreis leicht negativ bis seitwärts bewegt. Gold könnte nun einen neuen Boden um die Marke von 1.900 US-Dollar gefunden haben. Eine relative Stärke. Das betont auch Imaru Casanova, Portfoliomanagerin Gold und Edelmetalle bei VanEck. „Gold zeigt sich trotz eines starken Aktienmarktes und der jüngsten Stärke des US-Dollars widerstandsfähig. Die Abflüsse bei den börsengehandelten Goldbarren haben in diesem Jahr nachgelassen und die Nettozuflüsse waren zwar gering, führten aber zu einem Anstieg der Bestände um 0,38 % im bisherigen Jahresverlauf.“ Zu den weiteren Aussichten äußert sich die Expertin tendenziell positiv. Ein (mögliches) Ende der Zinsanhebungen wäre Rückenwind für das gelbe Edelmetall. „Das Allzeithoch von 2.075 US-Dollar pro Unze scheint unseres Erachtens in greifbarer Nähe. Wir sehen ein makroökonomisches Umfeld, das Gold auf längere Sicht weiterhin begünstigt“, so Casanova.
Eine Schlüsselfrage in diesem Zusammenhang lautet, wie sich die US-Wirtschaft in der nahen Zukunft entwickelt. Der dortige Arbeitsmarkt zeigt sich bis dato robust, Lohnerhöhungen stehen weiter im Raum, die ihrerseits die Inflation befeuern könnten. Und dieses Szenario brächte dann die US-Notenbank auf den Plan. Entgegen Äußerungen vom Frühsommer könnten nun wieder Zinsanstiege anstehen. Wasser in den Wein derjenigen, die auf anziehende Goldnotierungen hoffen. Fest steht, Gold kann (muss aber nicht) ein Diversifikator in einem breit gestreuten Portfolio sein. Werden charttechnische Hürden nachhaltig übersprungen, liegt ein dauerhafter Anstieg im Bereich des Möglichen. Auch die Tatsache, dass die meisten Zentralbanken der Welt als Goldkäufer in Erscheinung treten, lässt Raum für Kursfantasie. Jetzt das Heil einzig und allein in Edelmetallen zu suchen, greift hingegen zu kurz. (ah)