Geht der Comex bald das Gold aus?
05.08.2015
Der Goldpreis notiert in der Nähe des Fünfjahrestiefs. Dabei steigt die physische Nachfrage nach dem Edelmetall rasant an. Entsprechend schmelzen die Lagervorräte an der Derivatebörse Comex wie Eis in der Sonne. Umso spannender wird es werden, wenn ein großer Käufer plötzlich die Auslieferung vom physischem Gold verlangen sollte.
Gold unter Druck: Seit Jahresanfang ist der Preis um 8,4 Prozent auf rund 1085 Dollar je Unze gesunken. Belastet wird die Notierung vor allem von dem steigenden Dollar. Denn der Dollar Index, der die Entwicklung des Greenback gegenüber sechs wichtigen Währungen wie Euro, Yen, britischem Pfund und Schweizer Franken abbildet, ist seit Jahresanfang um 8,6 Prozent auf 98,07 Punkte geklettert. Damit rückt das Mehrjahreshoch von 100,33 Punkten vom März 2015 immer näher. Für Rückenwind für den Dollar sorgen die anhaltenden Beteuerungen der Mitglieder der US-Notenbank, sie wollten im September die Zinsen erhöhen. Zuletzt hat Dennis Lockhart von der Notenbank von Atlanta über das "Wall Street Journal" verlauten lassen, dass die Wirtschaft für eine Zinserhöhung im September bereit sei. „Die Latte für eine Verschiebung liegt sehr hoch, was mich angeht“, sagte Lockhart. Der Finanzmarkt achtet auf Lockharts Aussagen üblicherweise sehr genau, vertritt der Notenbanker doch üblicherweise keine Extrempositionen, sondern schwimmt mit dem Konsensus.
Lagerbestände an der Comex am Rekordtief
Den Preisrückgang bei dem Edelmetall nutzen Anleger, um ihre Bestände kräftig aufzustocken. So hat die US-Münzprägeanstalt im Juli für 170.000 Unzen Goldmünzen verkauft. Das ist der fünfhöchste Wert aller Zeiten. In den vergangenen 24 Monaten hatte der Schnitt bei lediglich 42.708,3 Unzen gelegen. Wegen der starken Nachfrage lagen die Lagervorräte an der Derivatebörse zuletzt bei nur mehr 361.000 Unzen, nachdem sie vor wenigen Tagen mit 351.519 Unzen (10,93 Tonnen) ein neues Rekordtief erreicht hatten. Der Wert der Bestände liegt damit derzeit bei lediglich 390,6 Mio. Dollar. Gleichzeitig läuft die Spekulation am Derivate-Markt weiter auf Hochtouren. So lag der Open Interest, also die Zahl der nicht geschlossenen Futures- und Optionskontrakte, bei 43,5 Millionen. Das Verhältnis zu den Lagerbeständen lag damit bei 123,8. Das ist ein Rekordwert. In normalen Zeiten liegt der Wert meist um die Marke von rund zehn. Was würde passieren, wenn plötzlich ein großer Käufer die Auslieferung von physischem Gold verlangen würde? Dann müsste die US-Notenbank schnell eingreifen und Gold an die Depotbanken, wie JP Morgan liefern, um zu verhindern, dass der Goldpreis nach oben schießt.
„USA, Europa und Japan können keine positiven Realzinsen verkraften“
Während die Stimmung für Gold bei Spekulanten am Futures-Markt schlechter ist denn je, gibt es etliche Finanzprofis, die auf das Edelmetall setzen. „Gold war stark außer Mode. Das ist aber einer der Gründe, weshalb ich Gold mag. Ich erwarte nicht, dass die Realzinsen stark steigen werden“, sagte Axel Merk, Gründer der US-Investmentfirma Merk Investments. Hohe Realzinsen seien ein wichtiger Belastungsfaktor für Gold. Sie werden berechnet, wenn man von den nominellen Zinsen die Inflationsrate abzieht. „Unsere Analyse deutet zudem darauf hin, dass die Dollar-Rally der vergangenen zwölf Monate extrem gewesen sein könnte.“ Der Finanzprofi wäre nicht überrascht, wenn die US-Notenbank in einem Jahr die Geldpolitik langsamer verschärfen würde als andere Zentralbanken. „Wir betrachten den Dollar als anfällig. Wir setzen langfristig auf Gold, weil wir nicht glauben, dass die USA, Europa und Japan in zehn Jahren positive Realzinsen werden verkraften können.“
Ein weiter steigender Dollar könnte zwar kurzfristig den Goldpreis weiter belasten. Für deutliche Kursimpulse könnten vor allem die US-Arbeitsmarktdaten sorgen, die am kommenden Freitag um 14.30 Uhr vorgelegt werden. Allerdings sollte es sich für Anleger lohnen, die sehr günstigen Preise zu nutzen, um die Goldbestände wieder aufzustocken. Denn eine mittelfristige Trendwende beim Dollar nach unten könnte den Goldpreis merklich beflügeln.
Autor: Tino Leukhardt, Senior Sales Ophirum Commodity GmbH