Fundierte Unternehmensbewertung ist wichtiger Bestandteil der Aktienanalyse

19.08.2022

Alexander Dominicus, Portfoliomanager bei MainFirst / Foto: © MainFirst

Keine Frage. Die Inflation wird sich noch eine ganze Weile auf einem verhältnismäßig hohen Niveau bewegen. Das könnte tendenziell eher gegen Wachstums- und für Value-Werte sprechen. Wie solide ist das Comeback von Value? Alexander Dominicus ist Portfoliomanager bei MainFirst und Mitglied des MainFirst Top European Ideas Fund und des MainFirst Germany Fund Management Teams.

finanzwelt: Das 1. Halbjahr 2022 werden Investoren nicht in bester Erinnerung behalten, weil es so negativ wie lange nicht mehr war. Finger weg von Aktien-Investments? Alexander Dominicus» Nein, das wäre doch nicht zielführend. Natürlich ist das gegenwärtige Umfeld schwierig und sehr herausfordernd. Das sollte jedoch nicht dazu verleiten, dem Kapitalmarkt gänzlich den Rücken zu kehren. Wir stehen am Anfang einer ‚neuen Ära‘. Die vergangene Dekade war durch negative Zinsen gekennzeichnet. Jetzt erleben wir höhere Inflationsraten und der Zins ist wieder zurück. Dennoch eröffnet auch diese Zeit durchaus zahlreiche Möglichkeiten zum Generieren von Überrenditen.

finanzwelt: Sie sprachen das Umfeld an. Welche Themen dominieren das Geschehen? Dominicus» Die Themen, die derzeit die Finanzakteure in Atem halten, sind seit geraumer Zeit dieselben. Die sich manifestierenden inflationären Tendenzen, das nachlassende globale Wachstum und die kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine. Diese Gemengelage hält den Kapitalmarkt in Bann und sorgte für massive Abverkäufe, insbesondere bei einigen Highflyern der Vergangenheit, den Wachstumswerten. Dem Umfeld können sich selbstverständlich auch Substanzwerte nicht entziehen, aber doch weit weniger als Growth-Titel.

finanzwelt: Der bisherige Jahresverlauf zeigte auch, dass in Zeiten steigender Inflation und Zinserhöhungen Value-Aktien wieder in den Fokus der Anleger rückten. Ein laues Lüftchen oder bleibt der Rückenwind für Substanzwerte? Dominicus» Value-Aktien, also Titel mit niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnissen, hatten über viele Jahre gegenüber den Growth-Highflyern und Tech-Aktien das Nachsehen. Das Blatt hat sich gewendet. Die Bewertungsdiskrepanz zwischen Growth und Value ist, auch im historischen Vergleich, immer noch hoch. Natürlich wurden auch Substanzwerte jüngst in Mitleidenschaft gezogen – gleichwohl weniger als viele gehypte Wachstumswerte. Ansteigende Zinsen fallen nicht so sehr ins Gewicht. Bei allem ist es ratsam, genauer hinzuschauen und auf die Qualität der Unternehmen zu achten. Value ist eben nicht gleich Value. In der Summe sind wir der Ansicht, dass gerade im Umfeld steigender Zinsen eine fundierte Unternehmensbewertung wichtiger Bestandteil der Aktienanalyse ist. Wir sind überzeugt davon, wer eine gute Firma zu einem zu hohen Preis kauft, hat zwar eine gute Firma im Portfolio, aber wahrscheinlich kein gutes Investment.

finanzwelt: Apropos nachhaltig – wie geht Ihr Haus mit diesem Megathema um? Dominicus» Für uns als unabhängige Multi-Investment Boutique mit einem aktiven Managementansatz ist es wichtig, dass wir der Integration von ESG-Kriterien in unseren Investmentprozessen eine zentrale Bedeutung beimessen. So achten wir beispielsweise auf angemessene Offenlegung von ESG-Themen bei den Unternehmen und sind hierbei im steten Austausch mit dem Management. Darüber hinaus haben wir uns mit der Unterzeichnung der PRI (Principles of Responsible Investing) dazu verpflichtet, Investoreninteressen mit gesellschaftlichen Zielvorstellungen in Einklang zu bringen. (ah)