Fristlose Kündigung des freien Handelsvertreters: Umgang mit dem Handelsvertreterausgleich

22.09.2022

Rechtsanwalt Tim Banerjee / Foto: © Banerjee & Kollegen

Es kommt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen freien Handelsvertretern und deren Gesellschaften, die vor Gericht landen. In der Regel geht es dabei ums Geld, und das zumeist im Kontext der Kündigung des freien Handelsvertreters.

Kommt es zwischen Handelsvertretern und ihren Gesellschaften zum Streit, geht es in den allermeisten Fällen ums Geld. In der Regel wird über den sogenannten Handelsvertreterausgleich und Provisionszahlungen diskutiert. Gehen diese Streitigkeiten ungünstig aus, kann das für den Handelsvertreter richtig teuer werden und sogar die Existenz gefährden. Unter dem Handelsvertreterausgleich versteht man die Vergütung, die zum Ende des Vertragsverhältnisses zwischen Handelsvertreter und einem Unternehmen gezahlt wird, um die Vorteile auszugleichen, die der Handelsvertreter dem Unternehmen eingebracht hat. Der Handelsvertreterausgleich ist rechtlich im Handelsgesetzbuch in § 89 b geregelt.

Das ist besonders dann der Fall, wenn die Gesellschaft den Vertrag mit dem freien Handelsvertreter (fristlos) kündigt. Dann versuchen Gesellschaften in der Regel, den Handelsvertreterausgleich zu versagen. Das müssen freie Handelsvertreter aber nicht hinnehmen. Mit einem interessanten Beschluss hat sich das Oberlandesgericht Köln (01.03.2021, Az.: 19 U 148/20) deutlich auf Seiten freier Handelsvertreter bei Streitigkeiten über den Handelsvertreterausgleich nach fristloser Kündigung positioniert und stellt einiges zu den Rechten des Handelsvertreters in dieser Situation klar. Der Kläger war wegen Steuerhinterziehung zu 180 Tagessätzen verurteilt worden. Daraufhin hatte seine Auftraggeberin, eine Versicherung, ihn fristlos gekündigt und wollte den Ausgleich nach 14 Jahren Tätigkeit nicht zahlen.

Fristlose Kündigung: wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens notwendig

Die fristlose Kündigung haben sowohl das Landgericht Köln in erster Instanz (Az.: 89 O 21/20) als auch das Berufungsgericht bejaht. Streitig blieb aber das Urteil des Landgerichts, dass keine Gründe dafür vorlagen, die zum Entfall des Ausgleiches führen konnten. Daher wurde die Versicherungsgesellschaft verurteilt, diese in einer sechsstelligen Höhe zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Insbesondere wenn eine Vorstrafe oder ein sonstiges Handeln nichts mit dem Vertragsverhältnis zu tun haben, darf es nicht zum Entfall des Ausgleiches kommen.

Das Oberlandesgericht Köln verweist in seiner Urteilsbegründung deutlich darauf, dass die Versagung des Handelsvertreterausgleichs voraussetzt, dass das Unternehmen das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Versicherungsvertreters vorlag. Die Gründe müssten derart schwerwiegend sein, dass die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Vertrags nicht zugemutet werden könne. Es gilt im Rahmen einer Interessenabwägung ebenso festzustellen, ob die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses für die Gesellschaft wirklich unzumutbar sei. Dabei sei das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen.

Kündigungsgründe dürfen nicht in der Privatsphäre oder Lebensführung des Handelsvertreters liegen

Für jede außerordentliche Kündigung ist ein wichtiger Grund erforderlich. Das ist in § 89a Abs. 1 HGB geregelt und liegt dann vor, wenn der Gesellschaft unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Außerdem muss der außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung vorausgehen. Nur ausnahmsweise kann sie entfallen.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln und die abgelehnte Berufung durch die Versicherungsgesellschaft sind hochrelevant für Streitigkeiten über den Entfall des Ausgleichsanspruches. Das Oberlandesgericht Köln hat erstmalig klarstellt, dass die Kündigungsgründe das Vertragsverhältnis betreffen müssen und nicht etwa in der Privatsphäre oder Lebensführung des Handelsvertreters liegen sollen, um einen Entfall des Ausgleichsanspruches zu rechtfertigen.

Bei schuldhafter Kündigung kein Handelsvertreterausgleich

Auf der anderen Seite sind Handelsvertreter für eine rechtskonforme Geschäftstätigkeit selbst verantwortlich. In einem vor dem Oberlandesgericht München verhandelten Fall (Urteil vom 08.02.2018, Az.: 23 U 1932/17) wurde der Handelsvertretervertrag nach mehr als 20 Jahren wegen des „unbefugten Speichern von Daten und Betriebsgeheimnissen“ außerordentlich gekündigt. In einem erstinstanzlichen Teilurteil hatte das Landgericht der Gesellschaft recht gegeben und die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund bestätigt. Die Klageanträge der Handelsvertreterin auf Zahlung von 178.500 Euro sowie auf Erteilung eines Buchauszugs über alle abgeschlossenen Geschäfte wurden dabei abgewiesen. Gegen dieses Teilurteil hatte die Handelsvertreterin Berufung vor dem Oberlandesgericht eingelegt. Das Oberlandesgericht München hat bestätigt, dass die korrekt war und ihr überdies ihren Handelsvertreterausgleich und Schadenersatz versagt. Die Handelsvertreterin hat die Kündigung schuldhaft herbeigeführt, sodass ihr kein Handelsvertreterausgleich zusteht.

Die Beispiele aus der Praxis zeigen, dass Gesellschaften Schwierigkeiten haben, die Versagung des Ausgleichsanspruches zu argumentieren. Die Chancen für Handelsvertreter, auch bei einer fristlosen Kündigung durch den Auftraggeber den Handelsvertreterausgleich zu erhalten, sind sehr groß, selbst bei einer tendenziell schwierigen Ausgangslage. Sollte nachgewiesen werden, dass die Kündigung ohne schuldhaftes Zutun des Handelsvertreters beziehungsweise generell zu Unrecht erfolgte, steht dem Handelsvertreter immer sein Ausgleichsanspruch zu. Aber es existiert keine Garantie, dass bei jeder Verfehlung die Gerichte aufseiten des Handelsvertreters stehen. Daher benötigen Handelsvertreter eine rechtssichere Struktur, um ihre Geschäfte auszuüben.

Gastbeitrag von Tim Banerjee, Rechtsanwalt Wirtschaftskanzlei Banerjee & Kollegen, u.a. spezialisiert auf Vertriebs- & Versicherungsrecht, Mönchengladbach