Fintech oder der Faktor Mensch?
06.01.2016
Die Aufregung um die Fintech-Branche erinnert an den Hype im „Neuen Markt“, wo Startups auch das Blaue vom Himmel herunter versprachen. Bei Finanzen und Geld zählt aber der Faktor Mensch.
2016-01-07 (fw/db) Die Assekuranz und die Banken müssen jetzt in 2016 aus ihrem digitalen Tiefschlaf erwachen und vor allem ihre Geschäftsmodelle und ihre „Führungskräfte“ im Vertrieb überprüfen.
Start-ups im „Neuen Markt der FinTech-Unternehmen“ werden versuchen mit digitalen Finanz-Lösungen den Massenmarkt zu erreichen oder zumindest die Gelder von Investoren für ihre Geschäftsideen einzusammeln. Im Jahr 2015 hat es das Marketing und die Werbung für digitale Vergleichs-, Verkaufs- und Verwaltungsportale sogar in die teure Werbung im Fernsehen geschafft. Experten wie das Ehepaar Geißen werben für Verivox und andere „digitale Reichmacher“ wie Check24 bemühen sich um die Aufmerksamkeit des Publikums.
Die digitalen Vergleichs-, Verkaufs- und Verwaltungsportale wollen komplexe Themen mit einfachen, übersichtlichen und schnellen Tools an die Verbraucher bringen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein bis ein Vergleichs- und Kaufempfehlungs-App der Vereine der Verbraucherschützer damit kostenpflichtig als „Finanztest-App“ konkurriert.
Versicherungs-Apps wie Knip, GetSafe sowie Clark & Co werden auf Kundenfang gehen. Ob sie einen langfristigen Nutzwert für Kunden haben, echte Mehrwerte bieten oder nur eine einfache Übersicht über bestehende Versicherungsverträge anbieten wird sich zeigen.
Einfachheit, Übersicht und Schnelligkeit sollen auch Banking-Apps wie „Nummer 26“ voranbringen. Der Funktionsumfang wird stetig verbessert, das kostenlose Geldabheben, das Bezahlen mit dem Handy oder jeglicher Finanzierungs- und Kreditvergleich per Smartphone soll den Banken mit ihren „scheinbar“ veralteten Geschäftsmodellen das Leben schwerer machen.
Sterben „Bankfilialen“ und „Generalagenturen“ aus?
Die klassische Filiale einer Bank wirkt auf die Besucher etwas altbacken. Alles ist ruhig, die Räume sind steril und die Mitarbeiter sind zwar freundlich, aber verstecken sich hinter einem „Bankschalter“ vor dem das Publikum hinter einer auf dem Boden angezeigten Distanzlinie anstehen muss bis sie der „Schalterbeamte“ aufruft. Die Mitarbeiter einer Bank dürfen zumeist keine persönliche Nähe zu Kunden zeigen und sich selbst nicht mal nach eigenem Geschmack einkleiden. Die Abläufe sind kompliziert, standardisiert und zumeist alles andere als nutzerfreundlich. Bankfilialen dieser Art, nach dem Muster einer örtlichen „Sparkasse“ sind vom Aussterben bedroht, da ist die Postbank-Filiale in einem Einkaufszentrum oder Schreibwarengeschäft schon allein von der Freiheit für das Personal im Vorteil. In diesen Markt wollen Fintech-Unternehmen in 2016 eindringen.
Die klassische Versicherungsagentur ist auch ein Beispiel. Da sitzt ein „Generalagent“, keine Angst das Wort „Agent“ steht hier nicht für einen aktiven Mitarbeiter der Staatssicherheit, sondern eher für einen „Versicherungsbeamten im Außendienst“ der „Kundenbestände“ verwaltet. Mit so etwas wollen die neuen Anbieter auf dem Handy konkurrieren.
finanzwelt-Fazit: Ob dieser „Neue Markt“ der Fintech-Unternehmen bei Assekuranz und Banken funktioniert wird sich im Vertrieb entscheiden, da Kunden das Thema Geld und Finanzen etwa so lieben wie ihre jährliche Pflicht zu einer Steuererklärung. Die digitale App der Finanzämter, mit dem schönen Namen ELSTER, ist auch nicht gerade ein Liebling des deutschen Publikums geworden.
Es hängt also in der Zukunft eher davon ab, wer es am besten versteht das Thema Versicherungen und Bankgeschäfte als ein wirklich spannendes, unterhaltendes und sinnvolles Erlebnis dem Publikum darzustellen.
Vermittlungsunternehmer und Versicherungsmakler haben da gute Chancen, wenn sie Charisma und Persönlichkeit haben, sofern sie für ihre Kunden immer nah und da sind. Die Nähe kann ab und zu auch per App unterstützt werden. Es ist aber der Mensch für den und mit dem die Finanzbranche arbeitet. Nur das zählt und wird über den Sinn und Erfolg der Fintech-Startups entscheiden.
Der Autor Dietmar Braun ist seit über 20 Jahren Dozent an der Dualen Hochschule Stuttgart (DHBW), freier Fachjournalist Wirtschaft (DFJV) und Berater für digitale Assekuranz- und Bank-Strategien.