EZB vor zweiter Leitzinssenkung

11.09.2024

Wenn am 12. September 2024 die Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammenkommen, rechnet der Markt mit der Verkündung einer erneuten Zinssenkung. Der Vorstandsvorsitzende der Dr. Klein Privatkunden AG, Michael Neumann, ordnet diesen Schritt ein und schaut auf die Entwicklung von Bauzinsen, Inflation und Immobilienpreisen.

Es scheint, als kennen die Baufinanzierungszinsen derzeit nur eine Richtung: seitwärts. Und das bereits seit Jahresbeginn. Da war es dann doch auffällig, als sich die Zinskurve in der zweiten Julihäfte plötzlich abwärts neigte – wenn auch nur leicht. Grund hierfür war die Sorge in den USA, die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hätte womöglich den richtigen Zeitpunkt für eine erste Zinssenkung Ende Juli verpasst, und das Land könnte in eine Rezession rutschen. Dies führte zu einer höheren Nachfrage nach deutschen Bundesanleihen, folglich zu sinkender Rendite und damit letztlich auch zu leicht rückläufigen Bauzinsen. Anfang August war es damit jedoch bereits vorbei, und es setzte eine kleine Aufwärtsbewegung bis Mitte des Monats ein. „Seit einigen Wochen erleben wir nun wieder ein Zinsniveau, das eher impulslos seitwärts verläuft“, resümiert Michael Neumann. Doch auch wenn die Zinsen den Sommer über keine großen Sprünge taten und sich auf einem inzwischen bekannten Level bewegen, ist noch immer ein Abwarten bei Bauvorhaben zu spüren. „Dabei ist der Zins nur ein Faktor, der andere sind die hohen Baukosten“, erklärt der Vorstandvorsitzende von Dr. Klein. „Auch bei Anschlussfinanzierungen sehen wir ein sehr abwartendes Verhalten seitens der Kunden. Wer noch nicht verlängern muss, tut das derzeit nicht. Anders ist es beim Kauf: Hier spüren viele, dass sie nicht auf rückläufige Zinsen spekulieren sollten, weil das ein unwahrscheinliches Szenario ist und zugleich auch die Immobilienpreise perspektivisch wieder zulegen werden.“

Gegenwärtige Inflation: Ziel in Sicht – doch EZB bleibt vorsichtig

Die Daten, die das Statistikamt Eurostat jüngst veröffentlichte, stimmen positiv: 2,2 Prozent betrug die vorläufige Inflation im Euro-Währungsraum im August 2024 – 0,4 Prozentpunkte weniger als im Juli. Das ist ein deutlicher Schritt in Richtung der von der EZB anvisierten Zwei-Prozent-Marke, die in Deutschland bereits im August erreicht wurde. Diese Entwicklung, zusammen mit der zunehmenden Schwäche der europäischen Wirtschaft – insbesondere in Deutschland –, macht eine weitere Lockerung der Geldpolitik wahrscheinlich. Aller Voraussicht nach werden die Zentralbanker also bei ihrer Sitzung am 12. September 2024 den Leitzins senken – vermutlich um 25 Basispunkte. Damit bliebe die EZB jedoch trotz der positiven Inflationsentwicklung zurückhaltend. Michael Neumann erklärt dies wie folgt: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Inflation in den kommenden Monaten nicht weiter sinken, sondern eher wieder steigen wird. Grund hierfür ist der Wegfall eines wichtigen Basiseffekts: Die Preise für Energie sind im vorigen Herbst gefallen, weshalb die niedrigen Energiepreise von heute die Inflationsrate nicht weiter drücken können. Hinzukommt, dass die Kerninflation weiter spürbar ist und deutlich über der Zwei-Prozent-Hürde liegt. Vor diesem Hintergrund wird die EZB nach wie vor verhalten agieren.“

Die Bauzinsen tangiert all das wenig, denn sie haben die nun anstehende Senkung des Leitzinses bereits eingepreist. Laut dem Zinsexperten von Dr. Klein rechnet der Markt im September zudem fest mit einem ersten Lockerungsschritt der US-Notenbank sowie mit weiteren Zinssenkungen der Fed in den kommenden Monaten. Auch dieses Szenario haben die Bauzinsen schon vorweggenommen. Das bedeutet: Die Seitwärtsbewegung wird sich in den kommenden Wochen fortsetzen und dabei kaum Ausschläge aufweisen. Aktuell beträgt der repräsentative Bestzins von Dr. Klein 3,13 Prozent für eine 10-jährige Baufinanzierung (Stand: 10.09.2024).

Zukunft der Immobilienpreise: Tendenz aufwärts

Weitere Daten geben Grund für Optimismus: Laut Angaben des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP) wuchs das Volumen der Immobiliendarlehen im zweiten Quartal 2024 auf 31,2 Milliarden Euro – ein Plus von 15,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Hauptverantwortlich für diese positive Entwicklung sind die Finanzierungen von Wohnimmobilien. „Es geht spürbar aufwärts, die Talsohle scheint durchschritten“, ordnet Neumann ein. „Wir sehen, dass die ersten beiden Quartale in 2024 deutlich über den Vorjahresquartalen lagen und dass das zweite Quartal in diesem Jahr das erste übertroffen hat. Ich rechne damit, dass sich der Markt auf dem jetzigen Niveau mindestens stabilisiert. Damit würden auch die Ergebnisse des dritten und vierten Quartals 2024 deutlich über den Vorjahresquartalen liegen. Den Stand von 2021 oder dem ersten Halbjahr 2022 werden wir aber auch in 2025 noch nicht wieder sehen.“

Neben dem Finanzierungsvolumen zogen laut dem Immobilienindex des VDP auch die Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal an – um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. „Der Preisrückgang bei den Immobilien ist beendet, es geht wieder bergauf“, so Neumann. „Zwar werden wir keine Steigerungen von zehn und mehr Prozent wie bis Mitte 2022 und den Vorjahren sehen, aber ich gehe davon aus, dass die Immobilienpreise sukzessive wieder steigen werden.“ Dabei trifft ein nach wie vor nicht belebtes Neubaugeschäft auf ein wieder abnehmendes Angebot an Bestandsobjekten und eine deutlich anziehende Nachfrage. Letzteres erklärt Neumann mit den Reallohnzuwächsen, stabilen Zinsen sowie einem kleineren Preisrückgang bei den Immobilien in den vergangenen zwei Jahren. „Außerdem steigen die Mieten dynamisch weiter und machen Kaufen im Vergleich zum Mieten attraktiver. Ich empfehle Kaufwilligen daher, den derzeit günstigen Zeitpunkt für den Immobilienerwerb zu nutzen“, so das Fazit des Vorstandsvorsitzenden von Dr. Klein.