„Europa ist das Powerhouse für Dividenden“
26.06.2024
Boris Anbinder, Portfoliomanager bei Metzler Asset Management / Foto: © Metzler
Im Frühsommer ist Ausschüttungszeit. Eine gute Gelegenheit, sich die Argumente für entsprechende Dividendenfonds wieder einmal zu Gemüte zu führen. Finanzwelt im Austausch mit Boris Anbinder, Portfoliomanager bei Metzler Asset Management.
finanzwelt: Deutsche Unternehmen schütten so viel aus wie nie. Dabei stagnieren oder sinken doch die Gewinne der Konzerne. Wie lautet die Erklärung?
Boris Anbinder» Für viele deutsche Konzerne ist der Weltmarkt wichtiger und dort sieht das konjunkturelle Bild deutlich freundlicher aus. Die Bilanzen dieser Unternehmen sind solide, höhere Dividendenzahlungen sind finanziell vertretbar. Zudem springen vermehrt kleinere und mittelständische Unternehmen auf den Dividendenzug auf.
finanzwelt: Was macht grundsätzlich den Reiz von Dividendenfonds für Anleger aus?
Anbinder» Dividendenzahlungen von Unternehmen mit beständiger und profitabler Geschäftsstrategie können Anleger als verlässliche Ertragsquelle einplanen. Zudem haben Dividenden großen Einfluss auf den Anlageerfolg – in Europa machen reinvestierte Dividenden etwa die Hälfte des langfristigen Gesamtertrags aus. Langfristig orientierte Anleger profitieren zudem von attraktiven Einstiegsdividendenrendi ten. Im Durchschnitt sind die Ausschüttungen europäischer Aktienunternehmen, gemessen am MSCI Europe Index, in den vergangenen 20 Jahren jährlich um fast 5 % gestiegen.
finanzwelt: In welchen Segmenten werden Sie bei Ihrer Suche fündig? Punktet Europa bei Dividenden gegenüber den USA?
Anbinder» Europa ist das Powerhouse für Dividenden. Die Dividendenrenditen sind hier strukturell höher als in den USA. Allerdings kommen bei US-Aktien deutlich häufiger Aktienrückkäufe hinzu. Inzwischen kaufen aber auch vermehrt europäische Unternehmen Aktien zurück. Entscheidend für uns ist eine gute Kapitalallokation der Unternehmen. Diese sollte sich zusammensetzen aus Wachstumsinvestitionen und Übernahmen, die künftiges Wachstum versprechen, sowie aus Dividenden, Aktienrückkaufprogrammen und Sonderdividenden, die den Aktionär am Unternehmenserfolg teilhaben lassen. Zunehmend finden wir solche Unternehmen im Small- und Mid-Cap-Segment. Zudem setzen wir auf die richtige Balance unterschiedlicher Dividendenkategorien. Das Fundament bilden Qualitätsunternehmen mit überdurchschnittlicher Dividendenrendite und einer progressiven Dividendenhistorie. Zusätzlich haben wir Werte mit starkem Dividendenwachstum oder einem hohen Total-Shareholder-Return im Portfolio. Die Gewichtung ist flexibel, je nach Marktumfeld.
finanzwelt: Gibt es Segmente, die Sie trotz hoher Dividendenrendite meiden?
Anbinder» Übermäßig hohe Dividendenausschüttungen können auf einen Mangel an Wachstumsmöglichkeiten sowie Strukturprobleme hindeuten, sie sind oft ein Zeichen für angeschlagene Geschäftsmodelle. Die Sektoren Chemie, Grundstoffe und Telekommunikation weisen zum Beispiel optisch hohe Dividendenrenditen auf. Bei einigen Unternehmen dieser Branchen dürften zukünftige Dividendenzahlungen aber deutlich geringer ausfallen. Das zeigt, dass die Titelselektion im Dividendenbereich besonders entscheidend ist.
finanzwelt: Inwiefern integrieren Sie Nachhaltigkeitsaspekte in Ihre Dividenden-Strategie?
Anbinder» Das Berücksichtigen von ESG-Kriterien ist integraler Bestandteil in jeder Stufe des Investmentprozesses, mit dem Ziel, das Rendite-Risiko-Profil des Portfolios zu verbessern. Das beginnt mit der Beachtung von etwa 120 Normen und Konventionen und führt über Ausschlüsse bis hin zur ESG-Integration mit tiefergehenden Unternehmensanalysen und Engagement. (ah)