Es wird höchste Zeit

01.12.2014

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Über viele Jahre hinweg haben die Lebensversicherer das hohe Lied der Berufsunfähigkeitsversicherung gesungen. Großen Beifall bekamen sie dafür nicht. Gemessen an den steigenden Beschäftigtenzahlen ist der Bestand an Policen sogar rückläufig. Abhilfe schaffen und Vertriebshilfe leisten soll nun der neue Sammelbegriff Arbeitskraftsicherung.

Sie spielen Russisch Roulette mit der eigenen Zukunft. Denn drei Viertel der Bundesbürger haben ihre Arbeitskraft nicht versichert. Und es besteht derzeit, zumindest rein statistisch, wenig Hoffnung, dass sie daran bald etwas ändern werden. Es sei denn, der Vertrieb und die Versicherer geben kräftig Gas. Der erst vor relativ kurzer Zeit eingeführte Begriff der Arbeitskraftsicherung könnte ihnen dabei rein semantisch helfen, werden die Bundesbürger doch nicht mehr mit den emotional negativ belegten Begriffen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit konfrontiert. Etwas für die Zukunft zu sichern klingt allemal erfreulicher als die Vision von düster und dunkel – die im Übrigen auch in den Umsatzzahlen der Vergangenheit zum Ausdruck kommt: BU- und EU-Policen besaßen im Jahr 2008 gerade einmal 23,7 % der Erwerbstätigen, heute sind es 24,1 %. Angesichts einer fortlaufend positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt im selben Zeitraum, ist dies für die am Markt Beteiligten ein beschämendes Ergebnis.

Diese Entwicklung lässt sich allenfalls mit Stillstand auf unterstem Niveau bezeichnen, woran die Versicherer selbst aber nicht ganz unschuldig sind. Sind sie es doch, die sich in der jüngeren Vergangenheit mit einer teils riesigen Beitragsspreizung zwischen zudem immer mehr Berufsgruppen in der Berufsunfähigkeitsversicherung von einer Vielzahl echter Risiken verabschiedet haben. Gerade diejenigen Menschen, die wegen ihrer beruflichen Umstände am dringendsten eine umfassende Absicherung benötigen, können sie nun schlichtweg nicht mehr finanzieren. Oder sie sparen am falschen Ende. Nach Angaben des Analysehauses Franke und Bornberg lag die ungewichtete durchschnittliche BU-Rente, also das Mittel aus selbstständigen Berufsunfähigkeitspolicen und entsprechenden Zusatzverträgen, im vergangenen Jahr bei 771 Euro. Michael Franke, Geschäftsführer des Unternehmens, beklagt: „Diese Werte machen deutlich, dass es viele sinnlose Verträge gibt. So werden BU-Renten auf Hartz IV angerechnet. Eine kleine BU-Rente entlastet damit bestenfalls die Sozialsysteme und kann als Beratungsfehler angesehen werden." An der positiven Entwicklung der Beschäftigungszahlen nehme die BU schon seit Jahren nicht mehr teil. Die Entwicklung der Verträge habe sich zu weit von den Bedürfnissen der meisten Verbraucher abgesetzt.

Mit der Sichterweiterung auf den Bereich Arbeitskraft soll sich nun alles zum Besseren wenden, bezieht diese doch auch die Erwerbsunfähigkeits-, die funktionelle Invaliditäts- und die Grundfähigkeitsversicherung ebenso ein wie Dread Disease-Produkte. Doch nicht jeder kann sich mit dem neuen Begriff anfreunden. So etwa Oliver Brüß, seit einigen Wochen neuer Vorstandssprecher bei der Dialog Lebensversicherung: „Über den Begriff lässt sich trefflich streiten, da ja nicht die Arbeitskraft gesichert, sondern finanzielle Sicherheit bei Ausfall der Arbeitsfähigkeit geschaffen wird. Richtig und zu begrüßen ist, dass das Spektrum der Absicherungsarten erweitert wird und dem Verbraucher Alternativen für seine persönliche Absicherungsentscheidung zur Verfügung stehen." Die klassische Berufsunfähigkeitsversicherung stelle indessen immer noch die beste Lösung dar. Und Rolf Schünemann, Vertriebsvorstand der LV 1871 Unternehmensgruppe, warnt sogar: „Gerade junge Menschen könnten sich von der Vielfalt der Produkte zur Arbeitskraftsicherung überfordert sehen. Deshalb sei die über die Unternehmenstochter TRIAS angebotene „Golden IV" ein Einsteigerprodukt gerade für junge Leute mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten. „Mit der ‚Golden IV' bieten wir zusammen mit dem BGV eine Alternative unterhalb der Berufsunfähigkeitsversicherung und oberhalb der Unfallversicherung an." Sie eigne sich für Personen, für die der Berufsunfähigkeitsschutz aufgrund ihres Berufs nicht bezahlbar sei, und außerdem für Menschen mit Vorerkrankungen. Ähnliches kommt von der Allianz, so Gudrun Trieb, Leiterin Produktentwicklung der Allianz Lebensversicherungs-AG: „Die Notwendigkeit einer angemessenen Absicherung des Erwerbseinkommens ist unbestritten. Allerdings können oder wollen nicht alle Menschen die Beiträge für eine BU aufbringen oder haben Vorerkrankungen, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht mehr möglich machen. Vor diesem Hintergrund haben wir im Jahre 2011 die ‚Allianz KörperSchutzPolice' auf den Markt gebracht." Sie könne die Berufsunfähigkeitsvorsorge zwar nicht vollständig ersetzen, biete aber für körperlich Tätige, denen oft der Broterwerb selbst und nicht die Absicherung des beruflichen Status wichtig sei, eine gute Alternative zu einem deutlich geringeren Beitrag. Gudrun Trieb: „Die Akzeptanz unseres Produkts ist insbesondere bei handwerklich Tätigen groß."

Es gibt sie also, die Alternativen. Doch muss ein Biometrieversicherer am Ende wirklich alle Facetten der Arbeitskraftsicherung abbilden können? Dialog-Chef Brüß sieht dies nicht: „Das ist nicht zwingend notwendig, wie das Beispiel Dread Disease zeigt, das von etlichen erfolgreichen BU-Versicherern nicht angeboten wird, da die Nachfrage gering ist. Notwendig ist indessen – wie immer – eine genaue Beobachtung der Marktentwicklung, um als Anbieter nicht ins Hintertreffen zu geraten. Die Entwicklung von Alternativen zur BU ist nicht nur im Sinne der Verbrauchermündigkeit, sondern vor allem vor dem Postulat der Bezahlbarkeit wichtig." Die Dialog selbst werde deshalb ab Januar 2015 ein BU/EU-Konzept anbieten, aus dessen 5-Sterne-Angeboten der Vermittler die für seinen Kunden am besten geeignete und für dessen Geldbeutel passende Lösung auswählen könne – inklusive Dread Disease- und Pflegerentenoption. _(hwt)

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Arbeitskraftsicherung – Printausgabe 06/2014