Es ist wichtiger denn je, den Vertrieb miteinzubinden
15.10.2018
Foto: © Sabrina Henkel, finanzwelt
finanzwelt: Frau Markovic-Sobau, kommen wir noch mal zum Krankentagegeld. Vielleicht können Sie das ein wenig erklären, wie der Kunde bei längerer Krankheit abgesichert ist. Was ist, wenn der Kunde dann krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird?
Markovic-Sobau: Es ist nicht generell geregelt: Es ist von den jeweiligen Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeits-Tarifen und dem entsprechenden Bedingungswerk abhängig. Sind die aufeinander abgestimmt? Bei Policen aus einem Haus gibt es da in der Regel auch keine Lücken. Und auch im Fall einer Differenz zwischen Krankentagegeld und rückwirkender BU-Zahlungen wir die in diesem Falle stets zu Gunsten des Kunden ausfallen.
Schünemann: Übrigens kamen die Anstöße, dass sich Kranken- und Lebensversicherer zusammentun, vom Makler. Er hat die Versicherer darauf hingewiesen und gesagt: ‚Ich sehe und erlebe da Lücken im Risikoschutz für meine Kunden‘. Ein gutes Beispiel dafür, dass der Vertrieb oft die Triebfeder für Verbesserungen in der Produktentwicklung ist.
Mischler: Man erkennt daran zwei Sachen. Erstens, dass eben doch kein reiner Produktverkauf stattfindet, sondern der Makler den gesamten Kunden und dessen Problem behandelt. Und man erkennt, dass es wichtiger denn je ist, den Vertrieb in die Produktentwicklung miteinzubinden.
Markovic-Sobau: Es ist wichtig, die Distanz zum Kunden zu überwinden. Nicht nur im Vertrieb, sondern auch im Leistungsfall. Und auch das erleben wir immer mehr, dass sich Makler im Leistungsfall einbringen und eng mit uns, dem Versicherer, zusammenarbeiten.
Schünemann: Ich finde gut, dass wir hier beim wichtigsten Punkt unserer Diskussion angelangt sind. Dem Leistungsfall. Und hier braucht der Makler meiner Meinung nach mehr professionelle Unterstützung. Deshalb arbeiten wir mit dem BU-Expertenservice zusammen. Denn dieser Aspekt ist alles andere als trivial, da kann auch viel zum Nachteil des Kunden falsch gemacht werden und mit dem BU-Expertenservice hat man einen neutralen Marktexperten, der Makler und Kunden unabhängig berät. Und man hat einen guten Filter. Denn bei der Erfahrung dieser neutralen Dienstleister macht es wirklich keinen Sinn, einen Antrag auf Leistung zu stellen, wenn die Jungs vom BU-Expertenservice sagen, er wird nicht durchgehen. Dann ersparen sich alle viel Ärger und Arbeit.
Mischler: Das ist auch für die Reputation der BU besser: Es ist in der Wahrnehmung des Kunden etwas ganz anderes, wenn ein Experte dem Kunden sagt, dass er nicht BU ist, als wenn es der Versicherer tut. Wenn der Versicherer das sagt, dann denkt der Kunde „Ja klar, der Versicherer will nicht zahlen“.
finanzwelt: Was kann der Makler tun, um Biometrie-Profi zu werden?
Mischler: Weg vom Produktverkauf, hin zum Thema ganzheitliche Beratung. Dieser erste Step ist wichtig. Dann muss der Makler aufzeigen, welche Lösungen es gibt, aber auch, wo eventuelle Stolperfallen sind. Er muss aufzeigen, was abgesichert ist und was nicht, damit auch keine falsche Erwartungshaltung geweckt wird. Hier ist Transparenz wichtig.
Markovic-Sobau: Wir müssen uns auch Zeit nehmen, um die Hintergründe und unsere Erfahrungen zu vermitteln. Warum tun wir das, was wir tun? Wir müssen die Fakten aufzeigen, warum das Produkt wichtig ist. Auch mal Anekdoten erzählen. Wir müssen auch die Thematik des medizinischen Fortschritts näher bringen, warum vieles teurer wird und deshalb eine finanzielle Absicherung wichtig ist. So schaffen wir im Austausch mit Maklern ein Verständnis und eine Know-how-Sicherung. Und wir müssen uns – auch im eigenen Interesse – darum kümmern, dass die Versicherten gesund bleiben.
finanzwelt: Kommen wir zum Schluss zur Politik. Überall, wo der Gesetzgeber in die freie Wirtschaft eingreift und der Markt es nicht von selbst regelt, ist das eigentlich nicht gut. In unserer Branche war die KV Provisions-Deckelung und Stornofrist-Anhebung allerdings nötig. Welchen Eingriff vom Gesetzgeber würden Sie begrüßen?
Markovic-Sobau: Ich würde mir keine staatlichen Eingriffe in diesem Bereich wünschen. Es ist bedauerlich, aber verständlich, dass es so kam. Es ist schade, dass wir die Themen nicht selbst im Verband lösen konnten. Aktuell sorgt der Gesetzgeber dafür, dass der Zufluss in die Private Krankenversicherung immer weniger wird.
Schünemann: Mein Wunsch an die Politik? Sie soll offen und ehrlich sagen, dass private Arbeitskraftabsicherung extrem wichtig ist. Und ansonsten sich lieber aus vertrieblichen Dingen raushalten.
Mischler: Was will der Gesetzgeber eigentlich? Will er den Berater ärmer machen? Das ist dann nicht mit einer Verbesserung der Beratungsqualität zu erklären. Ich kann mir nicht vorstellen, wie politische Parteien, die sich für Arbeitnehmerinteressen einsetzen, für Honorarberatung sein können. Wer kann sich denn Honorarberatung überhaupt leisten? Eine Reduktion der Abschlusskosten hat für den Kunden kaum spürbare Effekte. Außer, dass es dann weniger gute Beratung und vermutlich noch mehr unterversicherte Menschen geben würde.
Richartz: Die Diskussion über einen Provisionsdeckel führt zu einer Verunsicherung unserer Berater und unserer Kunden. Was kommt dann? Vermittlung nur noch gegen Honorar? Beratung nur für Wohlhabende? Kann das im Sinne der Politik sein, dass sich Geringverdiener keine Beratung mehr leisten können?
Markovic-Sobau: Im Bereich der Medizin wird vor der Zwei-Klassen-Medizin gewarnt, aber im Finanzvertrieb wird die Zwei-Klassen-Gesellschaft als in Ordnung betrachtet. Deshalb
kann ich den Ruf nach der Politik nicht verstehen.
Mischler: Das provisionsbasierte Modell ist die sozial verträglichste Beratung: Derjenige, der wenig Geld hat und deshalb günstige Produkte kauft, muss weniger für die Beratung bezahlen als derjenige, der mehr Geld hat und teurere Produkte abschließt. Eine Abschaffung würde zu einer zwei Klassen-Beratung führen.
(lvs)