Engpass bei Stuttgarter Büroimmobilien
06.07.2016
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Nach dem Rekordjahr 2015 bekommt der Stuttgarter Markt für Büroimmobilien nun mit Verzögerung die Folgen zu spüren: Der Markt ist weitgehend leergefegt, viele Anfragen können nicht mehr bedient werden, weil die Nachfrage das Angebot mittlerweile zu deutlich übersteigt.
(fw/rm) Das zeigt vor allem die Größe der Vermietungen im ersten Halbjahr: Kleine Flächen dominieren die Abschlüsse, bis 400 m² herrscht eine hohe Dynamik im Markt. Darüber wird die Luft aber schnell dünn – es fehlt an größeren Flächen, die verfügbar sind. Vermietungen mit mehr als 10.000 m² sucht man im abgelaufenen Quartal vergebens. „Die Nachfrage – auch nach großen Flächen – ist da, aber es fehlt das Angebot“, analysiert Sebastian Treier, Team Leader Office Leasing JLL Stuttgart. Auf eine Vermietung mit 9000 m² folgt lange nichts, ehe unterhalb von 3000 m² das Verfolgerfeld beginnt. Zumindest im ersten Quartal hatte es noch zwei Anmietungen in fünfstelliger Höhe gegeben. Doch die sind derzeit nicht mehr in Sicht.
Vermietungsmarkt geht langsam die Luft aus
Insgesamt sind im ersten Halbjahr 2016 rund 104.000 m² Bürofläche vermietet worden, davon 41.700 m² im zweiten Quartal. Das liegt rund ein Drittel unter dem Halbjahreswert des Vorjahres von 147.500 m². Langfristig ist vor allem das zweite Quartal sehr schwach gewesen. Es liegt 36 Prozent unter dem 5-Jahresschnitt. Auch das Halbjahr rangiert 9 Prozent unter dem Langzeitschnitt. „Der Trend zeigt, dass sich der Markt mangels Angebot nicht entfalten kann. Wenn man ganz hart rechnet und die Abschlüsse rausnimmt, die sich seit Monaten angebahnt haben, kommt Stuttgart noch auf geschätzte 70.000 m² im ersten Halbjahr. Das ist nicht gerade viel für eine Stadt dieser Größe und bereits ein klares Alarmsignal, dass der Markt schrittweise zum Erliegen kommen könnte“, warnt Sebastian Treier. Die Prognose von 240.000 m² für das Gesamtjahr scheint zwar noch erreichbar, die Hoffnung, die 300.000er-Marke zu knacken, scheint aber unrealistisch. Zumindest die Anzahl der Deals ist mit 149 auf dem Niveau des Vorjahres, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Deals im Schnitt deutlich kleiner geworden sind. Der statistische Mittelwert liegt nun bei 708 m² und somit rund 28 Prozent kleiner als im Vorjahr. Das zeigt sich auch bei den größten Deals: Im ersten Quartal hatten mit Trelleborg und Bosch noch zwei Industrieunternehmen mit 13.700 m² sowie 9.300 m² für Umsatz gesorgt. „Im zweiten Quartal lassen sich die Vermietungen mit mehr als 1000 m² fast an einer Hand abzählen: Die Techniker Krankenkasse hat in Weilimdorf rund 9000 m² angemietet sowie Bosch 2800 m² in Stuttgart Nord. Dahinter kommen nur noch wenige Abschlüsse mit etwas mehr als 1000 m²“, fasst Treier zusammen. Fast die Hälfte der gesamten Vermietungsfläche im ersten Halbjahr lag in der Kategorie unter 1000 m². Bei der Anzahl der Deals sind es sogar fast 90 Prozent.
Die Nachfrage stimmt weiterhin, aber das Angebot wird rar
Dabei kann sich Stuttgart nicht über zu wenig Interesse oder mangelnde Attraktivität beklagen: „Viele Nachfragen können wir bei dem aktuellen Engpass im Markt gar nicht bedienen. Ab einer Größe von 2000 m² wird es schon problematisch – derzeit gibt es in dieser Liga nur drei Optionen für Interessenten. Und das sind Neubauten zur Erstvermietung, im Bestand ist mittlerweile gar nichts mehr in dieser Kategorie verfügbar“, bilanziert Treier. Vor allem wegen der Großanmietungen waren die stärksten Teilmärkte Vaihingen (19.000 m²), City und Weilimdorf gleichauf mit je 13.200 m² sowie Stuttgart Nord (10.800 m²) und Feuerbach (10.600 m²). „Vor allem Feuerbach ist für viele Unternehmen aus dem Sektor Medizin und IT interessant. Der Teilmarkt ist praktisch ausverkauft. Früher war dort immer etwas zu haben. Heute kommen auf eine Fläche mindestens drei bis vier Interessenten“, beobachtet Treier.
Stuttgart wandelt sich zum Vermietermarkt
Blickt man auf die Nettoabsorbtion, dann sind binnen eines Jahres 219.500 m² Bürofläche aus dem Stuttgarter Markt abgezogen worden, die Leerstandsquote könnte mittelfristig unter 4 Prozent fallen. Die Folge: „Stuttgart wandelt sich gerade von einem Mieter- in einen Vermietermarkt. Das sieht man daran, dass Vermieter nicht mehr unter dem Druck sind, Rabatte wie mietfreie Monate zu gewähren. Hinzu kommen erschwerende Überbleibsel aus dem Mietermarkt wie Konkurrenzschutzklauseln. Das heißt, ein Interessent kann nicht in ein Geschäftshaus einziehen, weil bereits ein Wettbewerber dort präsent ist, der sich über eine Klausel dagegen abgesichert hat, dass der Interessent ins Haus kommen kann“, sagt Treier. Dies wirkt sich bereits auf die Ansprüche und das Verhalten der Nutzer aus: „Manche Interessenten geben sich mit kleineren Flächen zufrieden, arbeiten beengter, um überhaupt am Standort zu sein. Zudem werden Mieter an den Modernisierungen beteiligt. Und das auch in Fällen, in denen der Vertrag über zehn Jahre läuft.“ Im ersten Halbjahr sind zwar 96.300 m² fertiggestellt worden. Ein Vielfaches der 13.100 m² aus dem ersten Halbjahr des Vorjahres. Die Marktlage entspannen wird das trotzdem nicht, denn nur noch 13 Prozent davon sind frei verfügbar. Insgesamt befinden sich derzeit 156.000 m² im Bau. Mehr als die Hälfte davon in Feuerbach und Vaihingen. Doch brauchen diese noch Zeit. Treier empfiehlt: „Unternehmen müssen aktuell in den Speckgürtel schauen, zum Beispiel das Flugfeld in Böblingen unter die Lupe nehmen. Hier ist auch die nötige Verkehrsanbindung vorhanden.“ Die meisten Unternehmen setzen zudem mittlerweile auf eigene Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund ist die Spitzenmiete auf Jahresfrist erwartungsgemäß von 19,50 Euro auf 20,50 Euro gestiegen. „Zum Jahresende könnten dann auch die 21 Euro erreicht werden“, stellt Treier in Aussicht. Die Durchschnittsmiete ist derweil von 12,70 Euro auf 12,17 Euro zurückgegangen.
Investment hat sich auf hohem Niveau konsolidiert – doch das Angebot wird knapp
Auf dem Investmentmarkt macht sich der Engpass derweil noch nicht ganz so deutlich bemerkbar. Nach 340 Mio. Euro Transaktionsvolumen im ersten Quartal ging es nun im abgelaufenen auf 300 Mio. Euro zurück. Insgesamt steht das erste Halbjahr mit 640 Mio. Euro aber immer noch gut da – wenn auch niedriger als in den beiden vorangegangenen Jahren. Langfristig gesehen, liegt das erste Halbjahr aber 34 Prozent über dem eigenen 5-Jahres-Schnitt. Nach Nutzungsarten aufgeteilt, entfallen auf Büros 68 Prozent beziehungsweise 434 Mio. Euro – im Bundesvergleich ein relativ hoher Wert. „Der Stuttgarter Investmentmarkt für Büroimmobilien ist nach wie vor sehr, sehr gut. Der positive Trend hält also weiter an. Wir beobachten dabei, dass bei Core-Produkten die Rendite erneut deutlich unter Druck gerät. Besonders gefragt sind reine Büro- aber auch Geschäftshäuser. Im Stuttgarter Central Business District kombinieren diese meist Handelseinheiten im Erdgeschoss und Büros darüber. Wenn etwas Neues auf den Markt kommt, ist es schnell vergriffen“, fasst Alexander Veiel, Niederlassungsleiter JLL Stuttgart, die aktuelle Marktlage zusammen. Die Prognose von 1,2 Mrd. Euro Transaktionsvolumen für das Gesamtjahr hat somit weiterhin Bestand. Auch wenn kein Kauf die 100-Mio.-Grenze geknackt hat, sind drei Transaktionen mit mehr als 50 Mio. Euro verbucht worden. Darunter das Europe Plaza und das City Plaza. „Das Gros der Transaktionen im Core-Bereich bewegt sich weiterhin zwischen 50 und 100 Mio. Euro. Allerdings wird es bereits ab 20 Mio. Euro für viele schwer, überhaupt etwas zu finden beziehungsweise zum Zug zu kommen. Investoren müssen in Stuttgart derzeit auch etwas Glück haben, dass entsprechende Objekte wie das Citygate vollvermietet angeboten werden“, erklärt der Niederlassungsleiter. Veiel sieht aber auch Wolken am Stuttgarter Horizont aufziehen: „Trotz des erfreulichen Volumens im ersten Halbjahr 2016, bleibt ein massives Problem beim Angebot. Es gibt weiterhin relativ wenige Projektentwicklungen in der Landeshauptstadt. Diejenigen, die vor der Fertigstellung stehen, kommen am Ende dann aber auch bis knapp an die 100 Mio. Euro heran.“
Investoren richten ihren Blick auf Core plus in den Randlagen
Dass das Angebot knapp ist, belegt die Aufteilung in Risikoklassen: Core ging von 54 Prozent im Vorjahr auf 36 Prozent zurück, während Core plus von 35 Prozent auf 50 Prozent zulegte. Auch Value Add und opportunistische Produkte tauschten die Plätze. Value Add fällt auf 3 Prozent, hingegen entfielen 11 Prozent des Transaktionsvolumens auf opportunistische Objekte. „In den Randlagen ist eher die Kategorie Core plus zu haben. Diese ist wegen der höheren Renditemöglichkeiten zwar auch nachgefragt, allerdings müssen Risiken vor dem Kauf auch genauer geprüft und abgewogen werden“, gibt Veiel zu bedenken. Auf Käuferseite waren traditionelle die Asset/Fonds Manager mit 50 Prozent Marktanteil vor Spezialfonds mit 21 Prozent aktiv. Auf Verkäuferseite nutzten Entwickler das positive Marktumfeld um sich von ihren Beständen zu trennen. Sie machten 28 Prozent des Volumens aus. Etwas höher war derweil der Anteil ausländischer Investoren im Markt, der von 37 auf 40 Prozent stieg. Per Saldo haben sie ihre Bestände um 25 Mio. Euro ausgebaut. Die Rendite hat derweil mit 4,15 Prozent einen neuen Rekordwert erreicht. Zu Jahresbeginn hatte sie noch bei 4,55 Prozent gelegen. „Doch das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Die Rendite wird in der aktuellen Marktlage weiter unter Druck geraten und bis Jahresende voraussichtlich auf 4,10 Prozent sinken“, prognostiziert Veiel. www.jll.de