Eine Zinserhöhung dürfte eher eine Erleichterung darstellen als eine Bedrohung
03.05.2015
*Damien Buchet, Head of Emerging Markets Fixed Income bei AXA Investment Managers, erklärt im Interview mit finanzwelt, wie sich eine restriktivere US-Geldpolitik auf die Schwellenländer auswirkt und warum die niedrigen Rohstoffpreise für viele Länder auch ihre guten Seiten haben.*
finanzwelt: Herr Buchet, nach einer langen Phase extrem niedriger Zinsen dürfte die erste Zinserhöhung der US-Notenbank Fed nun kurz bevorstehen. In der Vergangenheit haben Verschärfungen der Geldpolitik häufig zu einer Kapitalflucht aus Schwellenländern geführt – mit entsprechenden Folgen für die Währungen der Länder und Emerging-Markets-Anleihen. Worauf müssen sich Investoren diesmal einstellen?
Buchet: Wir rechnen damit, dass die Folgen des aktuellen Zinserhöhungszyklus weniger drastisch ausfallen als die von vergleichbaren Zyklen in der Vergangenheit. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat die Fed die Märkte sehr gut auf ihren ersten Zinsschritt vorbereitet. Und zum anderen hat die Stärke des US-Dollar in den vergangenen Monaten ohnehin bereits ähnliche Effekte wie eine restriktivere Geldpolitik. Wir erwarten daher nicht, dass die Märkte überstürzt auf den ersten Zinsschritt der Fed reagieren werden. Im Gegenteil: Dieser Schritt dürfte das Ende der Dollar-Stärke ankündigen und somit eher eine Erleichterung als eine Bedrohung für die Märkte sein.
finanzwelt: Viele Schwellenländer kämpfen derzeit allerdings auch noch mit einer weiteren Belastung: den niedrigen Rohstoffpreisen. Welche Folgen hat dies für die Zahlungsfähigkeit der großen Rohstoffexporteure?
Buchet: Rating-Herabstufungen und Zahlungsausfälle werden in diesem Jahr sicher häufiger vorkommen als im vergangenen. Zu einem systemischen Problem wird sich dies allerdings nicht auswachsen – dafür sind die meisten Schwellenländer und Unternehmen in den Schwellenländern zu gut aufgestellt. Wir sollten nicht vergessen, dass sich die Bonität der Emittenten aus den Emerging Markets derzeit auf einem hohen Niveau befindet, so dass eine leichte Verschlechterung verkraftbar ist. Hinzu kommt, dass viele Emittenten sich nicht nur in US-Dollar verschulden, sondern über Rohstoffexporte auch Einnahmen in US-Dollar haben. Dadurch entsteht ein Sicherheitspuffer. Und allgemein hat die Schwäche vieler Schwellenländerwährungen gegenüber dem US-Dollar die Effekte der sinkenden Rohstoffpreise abgefedert.
finanzwelt: Sie sprechen die Stärke des US-Dollar an: Welche Länder leiden besonders darunter?
Buchet: Hier unterscheiden wir Schwellenländer nach verschiedenen Kategorien. Für exportlastige Volkswirtschaften, vor allem die aus Südostasien, dürfte die Kombination aus einem starken US-Dollar und niedrigen Rohstoffpreisen eher positiv sein. Die osteuropäischen Schwellenländer handeln vor allem mit anderen Ländern Europas. Daher dürften die Auswirkungen des starken US-Dollar auf sie begrenzt sein. Für reformorientierte Länder wie Mexiko oder Indien schließlich sollten die Effekte dank ihrer innenpolitischen Maßnahmen verkraftbar sein. Das höchste Risiko besteht letztlich für Länder, die unter politischen Problemen leiden, Länder wie Brasilien, Südafrika und in gewissem Ausmaß auch die Türkei.
finanzwelt: Von welchen Ländern würden Sie sich derzeit eher fernhalten, welche halten Sie für aussichtsreich?
Buchet: Wir investieren derzeit nicht in der Ukraine und in Venezuela, denn wir erwarten in beiden Ländern Umschuldungen. Dagegen sind wir weiter fest davon überzeugt, dass es in Russland nicht zu einem Zahlungsausfall kommen wird. Die russische Wirtschaft verfügt über genügend Liquidität um sich in diesem und dem nächsten Jahr zu refinanzieren. Daher halten wir günstig bewertete Anleihen von Emittenten wie dem russischen Staat, Gazprom oder Lukoil weiter für attraktiv. Gleiches gilt für türkische Staats- und Unternehmensanleihen mit eher kurzer Duration sowie für Titel aus Indien und Indonesien.
(Das Interview führte Alexander Heftrich)