Eine giftige Mischung aus Lügen, Abzocke und Renditewahn

06.03.2023

Hannes Jaenicke, TV Moderator / Foto: © WDR/Annika Fußwinkel

Nein, im finanzwelt-Interview mit Schauspieler und Aktivist Hannes Jaenicke geht es nicht um Wirecard und Konsorten, was man bei der Überschrift leicht annehmen könnte. Es geht um ein Thema, das uns alle betrifft: Gesundes Essen und Tier Tierwohl. Hannes Jaenicke engagiert sich nicht nur sehr für adäquate Tierhaltung und gesundes Essen, sondern deckt in seinem jüngst veröffentlichen Buch auch schonungslos die Machenschaften der Industrie auf. Im Interview mit Chefredakteur und Landwirtssohn Lenard von Stockhausen geht es nicht gegen die Bauern, sondern die industrielle Massentierhaltung. Es geht um die Verbrechen der Lebensmittelindustrie und dann doch auch ein wenig um ESG-konforme Investments.

finanzwelt: Wie kamst Du auf die Idee, dieses Buch zu schreiben und was waren Deine Quellen?

Hannes Jaenicke» Die Idee kam wie immer nicht von mir, ich bin eigentlich zu faul oder ausgebucht, um nachts unbedingt noch Bücher schreiben zu müssen. Aber nach der Ausstrahlung unserer Schweine-Doku, die‚ Im Einsatz für das Schwein‘ hieß, hatte ich Anfragen von Verlagen, alle sagten ‚Hannes mach‘ ein Buch dazu‘, also habe ich mich breitquatschen lassen – ich habe es einerseits bitter bereut, weil ich vier Monate mit sehr unappetitlichen und unerfreulichen Themen beschäftigt war, das hat meiner Laune nicht gutgetan. Ich habe es gemacht, weil ich der Überzeugung bin, dass jeder Verbraucher, jeder Esser, jeder Genießer das verdammte Recht hat, zu wissen, was auf seinem Teller liegt. Genau dieses Recht wird uns von diversen Seiten abgesprochen.

finanzwelt: Dem Verbraucher wird immer die Schuld zugeschoben. Man wolle es ja billig, aber wenn man gewisse Dinge nicht weiß und tagtäglich vor Augen geführt wird, bekommt man das ja nicht mit. Eigentlich müsste es – wie bei der Zigarettenpackung – eine Warnung geben mit abschreckenden Bildern.

Jaenicke» Genau das beschreibe ich in meinem Buch, die Lebensmittelindustrie benimmt sich genauso wie früher die Tabakindustrie. Wir werden aktiv und wissentlich belogen. Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht informieren, weil wir bequeme Verbraucher sind, sondern weil die Industrie uns nach Strich und Faden verschaukelt. Sie verkauft uns Sachen als gesund, nachhaltig und tierfreundlich, dabei sind sie genau das Gegenteil. Das ist eine giftige Mischung aus Lügen, Verbrauchertäuschung, Abzocke, Renditewahn, eine gefährliche Kombination von Lobbyismus – Geiz-ist-geil-Mentalität und Untätigkeit der Politik. Das Ganze geht auf Kosten der Verbraucher, ihrer Gesundheit, und vor allem zerstört es kleine Bauerhöfe, kleinparzellige, aber nachhaltige Landwirtschaft. Die sind ein Dorn im Auge der Großkonzerne.

finanzwelt: Man darf ja auch nicht mehr zuhause schlachten… Jaenicke» Wer hat das wohl durchgedrückt? Das ist alles purer Lobbyismus! Man versteckt sich hinter einem Hygienegesetz – was völliger Quatsch ist – denn die Lebensmittelskandale der letzten Jahre kamen alle aus Großbetrieben.

finanzwelt: Es ist ja auch viel schwieriger, einen Großbetrieb hygienisch sauber zu halten, da gibt es die gefährlichen Keime, die man z. B. auch in Krankenhäusern hat, die kommen in einem ländlichen Kleinbetrieb nicht vor. Du hast ja darüber geschrieben, was auf den Teller kommt, was hat Dich da am meisten abgeschreckt?

Jaenicke» Ich dachte bisher, auch aufgrund unserer Dreharbeiten, dass Mastschweine in der Massentierhaltung die ärmsten Kreaturen sind. Ich bin aber durch die Recherche zum Thema Milch und Milchkühe mittlerweile anderer Meinung. Milchkühen in der industriellen Massenproduktion geht es nicht besser – eine normale Kuh hat eine Lebenserwartung von 24 bis 26 Jahren, eine Milchkuh von vier bis sechs Jahren. Kühe produzierten vor 50 Jahren 2.000 Liter Milch pro Jahr, heute schaffen sie dank Qualzucht bis zu 14.000 Liter. Milchkühe sind dünnbeinige, überzüchtete, ausgemergelte Milchtanks. Sie sind anfällig für Krankheiten, die Euter sind oft chronisch entzündet, und das Ergebnis trinken wir dann. Deshalb trinke ich seit Jahren nur noch Hafermilch.

finanzwelt: Das wäre meine nächste Frage gewesen, isst Du überhaupt Fleisch und konsumierst Du noch Milch und Eier?

Jaenicke» Ich bin seit 40 Jahren Vegetarier, ich trinke keine Milch, bin zu etwa 90 % Veganer.

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