Eine giftige Mischung aus Lügen, Abzocke und Renditewahn
06.03.2023
Hannes Jaenicke, TV Moderator / Foto: © WDR/Annika Fußwinkel
finanzwelt: …oder es ist sehr teuer. Ich habe gerade dieser Tage ‚aus Versehen‘ sehr viel Geld für ein Biosteak gezahlt. Es liegt auch in der Hand der Verbraucher, dass tierische Produkte aus guter Tierhaltung und -aufzucht teurer sind und man nicht jeden Tag Fleisch auf dem Teller haben muss, es gab doch früher den ‚Sonntagsbraten‘… Unser Wohlstand verführt dazu, mehr als nötig zu verbrauchen und zu konsumieren.
Jaenicke» Ja, wenn wir mehr wie unsere Großeltern oder Eltern leben und konsumieren würden, sehe die Welt sehr viel anders aus.
finanzwelt: Ich finde es sehr gut, dass Du mit Deinem Buch das Bewusstsein für „bewussteres“ Essen weckst, die Menschen müssen aufgerüttelt werden, dass es so nicht weitergehen kann, es darf nicht gleichgültig sein. Bewusste Ernährung hat nicht immer was mit Geld zu tun, sondern eher auch mal auf etwas zu verzichten, damit geht man nicht zugrunde. Jaenicke» Wenn Menschen wüssten, wie ungesund konventionelle Nahrung ist, würden sie schnell verstehen, dass das alles auf Kosten unseres Gesundheitssystems geht. Das ganze überzuckerte, fettige Essen wie z. B. Fertiggerichte und Fastfood macht nachweisbar krank. Rotes Fleisch steht laut WHO seit Jahren im Verdacht, Krebs zu erzeugen, eine Putenfleischstudie ergibt ein ähnliches Ergebnis. Zucker und Fett sind schädlich, die extrem schnell gezüchteten Hühner und Puten sind ungesunde Produkte. Dann lieber einmal die Woche ein teures Biohuhn, das ist schmackhafter und gesünder.
finanzwelt: Es gibt noch einen anderen Aspekt, den ich ziemlich wichtig finde, nämlich die medikamentöse Belastung bei der Fleischproduktion. Wir haben ja mittlerweile schon die resistenten Keime – sogenannte Krankenhauskeime – wir sind doch schon am Ende der Fahnenstange angelangt mit den zur Verfügung stehenden Antibiotika, weil in der Massentierzucht die Tiere mit Antibiotika voll-gestopft sind. Da kommen dann selbst Breitbandantibiotika in der notwendigen Behandlung von Patienten nicht mehr gegen an. Das ist eine ganz bedenkliche Entwicklung!
Jaenicke» Ich habe darüber ein Kapitel in meinem Buch geschrieben. Es gibt WHO-Studien, die beweisen, dass es weltweit pro Jahr über 700.000 Tote aufgrund von Resistenzen gegen Antibiotika gibt. Mittlerweile werden in Deutschland sogar Reserveantibiotika in der Massentierhaltung eingesetzt. Das sind Mittel, die für die Behandlung von Menschen zurückgehalten werden, wenn nichts anderes mehr wirkt. Und die werden nun auch in der Massentierhaltung eingesetzt, der Weltärzteverband warnt eindringlich vor dem Einsatz der Reserveantibiotika bei der Massentierhaltung, weil sie sonst bei Patienten nicht mehr wirken. Weder Regierung noch Pharma-Industrie unternehmen etwas dagegen.
finanzwelt: Im Moment ist ein großer Trend das nachhaltige Investieren. Aber was da von der EU festgelegt wurde, was alles nachhaltig ist (sein soll), da fasst man sich an den Kopf.
Jaenicke» Das wäre meine Frage an den Fachmann, welche Anlage ist glaubhaft ‚grün‘? So etwas suche ich seit Jahren. Wenn man sich sogenannte grüne oder nachhaltige Fonds genauer ansieht, findet man darin oft auch Shell, Total, Exon Mobil. Wo kann man sein Geld denn wirklich ‚sauber‘ anlegen?
finanzwelt: Es gibt wenige Berater, die die einzelnen Fonds sorgfältig durchgecheckt haben und es auch regelmäßig tun, weil ja Aktien ausgetauscht werden könnten. Ich bin in puncto Nachhaltigkeit gar kein Freund von Aktienfonds, sondern von Impact Investing. Da wird Geld in ein nachhaltiges Projekt investiert, z. B. in Start-ups. Da investiert man nicht in Aktien, sondern in Firmen, wie beispielsweise in nachhaltige Energie oder in Wald und Landwirtschaft, die nach-haltig wirtschaften. Das ist zwar schwierig herauszufinden, aber es geht. Noch mal zum Thema Resistenzen: Generell muss der Umgang mit Tieren überdacht werden, dass sie nicht mit Medikamenten vollgepumpt werden, weil sie bei der Massenhaltung krank werden oder man den Schweinen die Schwänze amputiert – was für das Tier fatale gesundheitliche Folgen hat – die Schnäbel bei den Hühnern abschneidet oder Hörner bei den Milchkühen.
Jaenicke» Alles, was den Tieren an Schmerzen und Stress angetan wird, das essen wir mit.
finanzwelt: Das ist etwas, was bei den Schlachthöfen komplett unterschätzt wird, dass die Tiere vor dem Töten einem unglaublichen Stress und Todesangst ausgesetzt werden, was auch auf den Geschmack des Fleisches Einfluss hat.
Jaenicke» Am Beispiel der Rügenwalder Wurstfabrik, die mittlerweile mehr Umsatz mit veganer Wurst macht, sieht man, dass sich Umdenken lohnen kann. Da finde ich es fast egal, ob das aus finanziellen oder ethischen Gründen geschieht, Hauptsache es setzt ein Umdenken ein. (lvs)