Eine Alternative mit Potenzial
27.10.2020
Bei Immobilieninvestments stehen vor allem „klassische“ Nutzungsarten wie Büro oder Wohnen im Mittelpunkt. Deutlich weniger im Fokus stehen hingegen Industrieimmobilien, die durchaus interessante Investitionschancen bieten – aus mehreren Gründen.
Am 7. Dezember 1835 ertönte um 9 Uhr morgens am Nürnberger Ludwigsbahnhof ein Kanonenschuss: Der Startschuss für die erste Eisenbahnfahrt Deutschlands – und in gewisser Weise auch für die Industrialisierung hierzulande. So konnten dank des neuen Transportmittels Güter in bislang völlig unvorstellbarer Geschwindigkeit und zudem kostengünstig über weite Strecken transportiert werden. Heute macht die Industrie ca. ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus und beschäftigt mit ca. 5,7 Mio. Menschen und etwa doppelt so viele wie der Logistiksektor. Trotzdem hat die Transportbranche auf dem Investmentmarkt eine deutlich höhere Bedeutung als die Industriebranche. „Industrieimmobilien spielen auf dem deutschen Investmentmarkt zwar eine geringere Rolle als Lager-/Logistikimmobilien, trotzdem gibt es Beispiele größerer Transaktionen. Dazu gehört der Erwerb eines Großteils der Industrieparks Griesheim in Frankfurt durch Swiss Life Asset Managers und die BEOS AG, der Ende 2019 als Erbpacht erfolgte. Erbpachtgeber ist das Chemieunternehmen Clariant“, erläutert Frank Weber, Head of Industrial Agency JLL Germany. Dabei kann sich eine Investition in Produktionsimmobilien durchaus lohnen, zumindest in finanzieller Hinsicht: Laut „5 %-Studie“ von bulwiengesa sind bei solchen Objekten mit Leerständen oder kurzlaufenden Mietverträgen IRR-Renditen von bis zu 10,5 % möglich. Jedoch geben die Studienautoren auch bedenken, dass diese Objekte in der Regel sehr managementintensiv sind und sich deshalb nur für Spezialisten mit entsprechendem Branchen-Know-how und technischer Expertise eignen.
Der Wandel beschleunigt sich
Die Eisenbahn war die Transportrevolution des 19. Jahrhunderts, im 20. Jahrhundert war es der Container: Dank der standardisierten Stahlkisten kann Stückgut nun weltweit deutlich schneller und günstiger verschifft werden als früher, was dazu führte, dass immer mehr produzierende Industrie von den klassischen Industriestaaten in Ländern mit niedrigerem Lohnniveau verlagert wurde. Auch wenn angesichts der Corona-Pandemie darüber diskutiert wird, wieder mehr Produktion ins Inland zurück zu holen, glaubt Frank Weber dennoch daran, dass die Veränderung der deutschen Wirtschaft durch die aktuelle Lage noch schneller gehen wird: „Der Strukturwandel der Industrie in Deutschland ist ein weiter voranschreitender Prozess, der durch COVID-19 zwar nicht in Gang gesetzt, aber in einigen Bereichen beschleunigt wird.“ Der Immobilienexperte sieht in dem Wandel aber auch Investmentopportunitäten: „Durch Werkschließungen freiwerdende bzw. nur noch teilgenutzte Industrieareale u. a. der Maschinenindustrie (Druckmaschinen), Elektro-/IT- oder aber auch Genussmittel- oder Kosmetikindustrie bieten infolge dessen Umnutzungs- und damit auch neue Investitionschancen.“ Wichtig sei dabei vor allem die Lage der Immobilie. „Als Anlageziele kommen zentrumsnahe Standorte in Frage“, so der Immobilienexperte weiter. Die Nutzung brach liegender Immobilie kann auch durchaus einen positiven Einfluss im Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit haben. „Hinzu kommt, dass die Entwicklung dieser sogenannter ‚Brownfields‘ sich positiv auf den Flächenverbrauch auswirkt“, erläutert Frank Weber, der berichtet, dass solche Objekte sowohl für Wohnprojekte als auch für Logistik genutzt werden können. Damit bleibt das Transportwesen weiterhin eng mit der Industrie verbunden – nur eben anders als vor knapp 200 Jahren. (ahu)