Ein stagnierender, in Teilen rückläufiger Markt

17.12.2014

Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung, ING Deutschland

Die Zinswende hat die Immobilienbranche heftig getroffen. Viele Projekte liegen auf Eis. Investoren zeigen sich vorsichtig und abwartend. Ist das Gröbste nun überstanden? Fährt die Immobilienbranche 2024 wieder in vergleichsweiser ruhigerer See? Mit welchen Tools können Sie nun im Vertrieb punkten? Gesprächsstoff in Hülle und Fülle. finanzwelt im Talk mit Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung, ING Deutschland.

finanzwelt: Die gestiegenen Leitzinsen haben den Immobilien- und Finanzierungsmarkt ziemlich durcheinandergewirbelt. Zu schnell und zu hoch urteilen viele. Wie nehmen Sie das wahr?

Thomas Hein» Nur allein auf die gestiegenen Zinsen zu schauen, wäre ein Fehler. Zum einen sind sie nach einer langen Niedrigzinsphase gefühlt schnell gestiegen – das Allzeithoch ist allerdings noch weit entfernt. Zum anderen kommen aktuell viele Faktoren im Umfeld dazu, die ebenfalls Auswirkungen auf die Baufinanzierungsentscheidung haben: Hohe Baukosten, Handwerkermangel, gestiegene Energiekosten – um nur einige zu nennen. In Kombination mit der Zinssituation sind die Kundinnen und Kunden gegenwärtig stark verunsichert. Sie warten lieber länger, als dass sie schnell zuschlagen. Das Ergebnis ist ein stagnierender, in Teilen rückläufiger Markt.

finanzwelt: Der Immobilienmarkt war davor recht überhitzt, jetzt kühlt er hier und da ab. Wie beobachten Sie diese Effekte?

Hein» Auf dem Immobilienmarkt sehen wir gegenwärtig nicht, dass die Preise signifikant weiter fallen. Regional kann es zu dem einen oder anderen Einbruch kommen, aber bundesweit lässt sich das nicht übertragen. Solange Wohnungen und Häuser auf dem Markt fehlen, ist eine Gefahr der Überhitzung genauso wenig zu erwarten wie ein Rückgang der Immobilienpreise. Zumindest kurzfristig nicht. Es bleibt abzuwarten, wie sich das – auch internationale – politische und wirtschaftliche Geschehen in Zukunft entwickelt.

finanzwelt: Wer jetzt baut, braucht gute Nerven. Die Baukosten sind immer noch hoch, Genehmigungen dauern immer noch lange und Erleichterungen sind seitens der Politik kaum spürbar. Wie sollen die 400.000 Wohnungen entstehen?

Hein» Dazu müssen Sie eigentlich unsere Politikerinnen und Politiker befragen. Die entscheiden, wie es mit dem Wohnungsbau weitergeht. Natürlich ist es wichtig, dass der Markt die Phase der lähmenden Unsicherheit überwindet und wieder ein Stück Sicherheit einkehrt. Dazu braucht es aber Stabilität – bei den Zinsen, den Nebenkosten, der staatlichen Förderung und der Gesetzgebung. Gerade die letzten beiden Punkte sind von großer Bedeutung. Sobald hier mehr Klarheit herrscht, wird sich das spürbar auf die Bauintensität niederschlagen.

finanzwelt: Bei vielen Banken sind nicht nur die Zinsen höher, es werden auch weniger Kredite bewilligt und man braucht mehr Eigenkapital. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Hein» Auch für uns gilt: Die Anzahl der Kredite ist marktbedingt zurückgegangen. Die Zinsen sind hoch, dadurch können sich grundsätzlich weniger Menschen eine Immobilie leisten. Ein wichtiges Thema für die Vermittlerinnen und Vermittler ist es daher, die Kapitaldienstfähigkeit jedes einzelnen zu analysieren. Wie teuer ist die Immobilie, wieviel Eigenkapital ist vorhanden, welche Rate kann ich mir leisten, wie lange kann ich finanzieren – die Antworten sind abhängig von der ganz individuellen, persönlichen Situation. Natürlich spielt das Eigenkapital immer eine wichtige Rolle. Ist man älter, braucht es mehr, ist man jünger braucht es wahrscheinlich weniger. Aber auch das lässt sich nicht einfach über einen Kamm scheren. Man muss ganz genau auf den Einzelfall schauen. Was aber für alle stimmt: Jedes Vorhaben sollte mit einem angemessenen Eigenkapitaleinsatz untermauert werden

finanzwelt: Digitalisierung erleichtert die Genehmigungsprozesse sehr. Die ING ist da meines Wissens sehr gut aufgestellt. Wie schnell erfährt der Kunde im Schnitt, ob er den Kredit und zu welchen Konditionen bewilligt bekommt?

Hein» Die Konditionen lassen sich bereits direkt im Beratungsgespräch konkret ermitteln – vorausgesetzt, der erfasste Antrag ist vollständig und reif für die Einreichung. Die Zusage erhält die Kundin bzw. der Kunde innerhalb von drei Tagen, in vielen Fällen aber auch schon deutlich schneller.

finanzwelt: Mit welchen Prozessen unterstützen Sie zusätzlich den Vertrieb?

Hein» Wir haben viele Prozesse digitalisiert und im Partnerportal bereitgestellt – für die effiziente Antragsbearbeitung sind hier alle relevanten Informationen inklusive Rechner hinterlegt. Der Antrag selbst kann schnell und direkt aus dem Portal per Upload bei uns eingereicht werden und ist so direkt an Ort und Stelle. Wir investieren aber auch in mehr Manpower. Ob ein Digitalisierungs- oder – ganz neu – ein Nachhaltigkeitsbeauftragter, die Schulungsreihe mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen oder die von unserem Key-Account-Management und der Vertriebsbetreuung durchgeführten Webinare: Die Partnerinnen oder Partner der ING können mit allem erdenklichen Support rechnen. Auch im Beratungsgespräch selbst bieten wir Unterstützung - mit einem Online-Sanierungstool genauso wie mit einer Liveübertragungssoftware. Die Angebote sind da - jetzt muss jeder Einzelne nur dafür sorgen, dass er sie annimmt und sich fit für die Zukunft macht. Hier sehen wir noch Potenzial.

finanzwelt: Womit rechnen Sie im nächsten Jahr? Wird es eine leichte Absenkung geben?

Hein» Voraussichtlich erst einmal nicht. Wenn überhaupt, könnte die Europäische Zentralbank zum Ende dieses Jahres noch einmal die Leitzinsen anheben. Sicher ist das aber noch lange nicht. Der Drahtseilakt zwischen zunehmenden Konjunktursorgen, aber gleichzeitig zu hoher Inflation wird immer schwieriger. Sommer nächsten Jahres könnte es zu einer ersten leichten Entspannung bei den Zinsen kommen. Aber das ist wirklich sehr mit Vorsicht zu genießen. Die Prognose hängt einfach von zu vielen Rahmenbedingungen ab. (lvs)