Ein Ruck muss her
18.10.2023
Die Altersvorsorge ist ein beliebtes, komplexes und viel diskutiertes Thema. Es muss sich was tun. Zu viele Menschen werden in der Gesellschaft abgehängt, können wenig vorsorgen und lassen mitunter auch Förderungen liegen. Die Fokusgruppe Altersvorsorge, eingesetzt von der Regierung, hat im Sommer ihre Pläne für die Modernisierung vorgestellt. Eine Übersicht.
Das Demografieproblem ist nicht neu. Ganz im Gegenteil. Die Bevölkerung wird zunehmend älter. Das wirkt sich natürlich auf das Altersvorsorgesystem aus. Was tun? Komplizierte Produkte, versehen mit etwaigen Garantien, sind vor vielen Jahren das Nonplusultra gewesen. Die Betonung liegt auf der „Vergangenheit“. Seit geraumer Zeit wird der Garantie-Faktor in Frage gestellt. Mehr kapitalmarktnahe Produktlösungen statt einer Riester-Rente, die oftmals mit hohen Kosten in Verbindung gebracht wird? Wie sieht eine moderne, private Altersvorsorge aus?
Reform, Reförmchen oder was?
„Wir empfehlen, die Private Altersvorsorge grundlegend zu reformieren", sagte FDP-Politiker Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, bei der Vorstellung der Ergebnisse einer Expertengruppe. Im Sommer hat die Fokusgruppe ihren Abschlussbericht präsentiert. Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe sind nicht bindend. Aufgrund der unterschiedlichen Positionen der Regierungspartner gibt es, innerhalb der Koalition noch einiges zu klären, bevor ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden kann. Was ist von den Vorschlägen zu halten? Wie positionieren sich die Verbände?
Markant ist, dass auf Garantien und verpflichtende lebenslange Renten verzichtet werden soll. Eine Absage erteilt die Expertengruppe den Plänen zur Einführung eines Staatsfonds. In diesem Zusammenhang wurde in der Vergangenheit viel diskutiert – beispilsweise die Idee einer Deutschlandrente. Das soll also in der Schublade bleiben bzw. nicht weiter verfolgt werden. Der Deutsche Fondsverband BVI kommentiert die Beschlüsse in einem Positionspapier folgendermaßen: „Die Empfehlungen der Fokusgruppe bedeuten einen Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge, den wir ausdrücklich begrüßen. Ziel ist es, Produkte mit höheren Renditen als bei den bisherigen Riester-Verträgen zu ermöglichen. Darüber hinaus rät die Fokusgruppe, die Idee eines Staatsfonds in der privaten Altersvorsorge nicht weiter zu verfolgen. Die Abkehr der Fokusgruppe von dieser Idee ist ein wichtiges Signal. Denn ein Eingriff des Staates in den privaten Markt verhindert Produktvielfalt und fairen Wettbewerb.“
Der Bund der Versicherten e. V. (BdV) sieht den Abschlussbericht etwas kritischer. Zwar seien darin durchaus gute Aspekte und Ansätze enthalten, aber der große Wurf fehle. „Die Fokusgruppe hat die Chance versäumt, die Weichen für ein staatlich organisiertes und verbindliches Standardprodukt zu stellen. Der große Wurf bleibt leider aus. Stattdessen müssen sich die Bürgerinnen und Bürger weiterhin eigenständig informieren, wie sie an eine faire und einträgliche zusätzliche Altersvorsorge kommen. Das ist für viele keine einfache Aufgabe“, sagt Stephen Rehmke, Vorstandssprecher beim BdV. Licht und Schatten im vorliegenden Papier sieht auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Positiv wird die Absage eines Staatsfonds gewertet. Der mögliche Wegfall von Garantien sorgt hingegen für Unverständnis. „Die Fokusgruppe hat sich klar gegen einen Staatsfonds ausgesprochen. Das ist ein erfreuliches Votum für Vielfalt und Wettbewerb zum Vorteil der Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. Der Bericht verkenne jedoch, dass Alterssicherung viel mehr ist als nur Vermögensaufbau. „Die Bedeutung lebenslanger Renten und Mindestgarantien für die Menschen wird leider unterschätzt.“
Absage an zu viel Staat
Wie
sieht eigentlich das Stimmungsbild in der Bevölkerung aus? Alles beim Alten
belassen? Soll der Staat mehr regeln oder doch lieber den Marktkräften
vertrauen? Das Deutsche Institut für Vermögensbildung
und Alterssicherung (DIVA) hat in einer Erhebung herausgefunden, dass die
Mehrheit eindeutig gegen einen staatlich verantworteten Fonds für die
Altersvorsorge wäre. So sprechen die Ergebnisse eine eindeutige
Sprache. Mehr als 60 % vertrauen privaten mehr als staatlichen Angeboten. Gut
zwei Drittel der Befragten trauen dem Staat ein professionelles Fondsmanagement
nicht zu. Und ca. 75 % hätten Sorge, dass die Politik Mittel für die
Altersvorsorge zweckentfremde, so das DIVA. Reformbedarf bei Riester sehen mehr
als 64 % der Befragten. Und knapp 74 % sind der Auffassung, dass der Staat auch
das reine Aktiensparen fördern solle.
Fazit
Die private Altersvorsorge unterliegt einem Systemwandel. Langfristig ist es durchaus ertragreicher, Gelder in kapitalmarktnahe Produkte zu investieren. Natürlich ist das ein Investment über Jahre oder Jahrzehnte. Das müssen Sie Ihren Kunden stets vor Augen halten. Schnelle Gewinne sind auch am Börsenparkett eher Ausnahme statt Regel. Altersvorsorgeprodukte müssen generell einfacher und transparenter werden, Stichwort: Riester-Zulagenförderung. Ohne Verständnis gibt es auf beiden Seiten nur Verlierer. Positiv stimmt, dass die Fokusgruppe insgesamt wesentliche Aspekte aufgegriffen hat. Hoffentlich kommt im Gesetzesentwurf etwas Gutes bei raus. Schließlich betrifft das Thema alle – und zwar umfassend. (ah)