Ein Produkt für jedermann

02.08.2015

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Unfallversicherungen sind eher ein Massenprodukt und mittlerweile auch bei den meisten Verbraucherschützern über jeden Zweifel erhaben. Und die Kunden machen es den Maklern leicht, weil sie durch attraktiv niedrige Prämien gelockt werden. Dabei sind diese Policen auch im Kontext Arbeitskraftsicherung unverzichtbar – und sogar die Basis für die Weiterentwicklung komplexer Lösungen.

Wer über Arbeitskraft spricht, landet schnell bei den üblichen Verdächtigen – BU, Grundfähigkeiten- und EU-Versicherung, Multirisk und Dread Disease. Eine Variante wird dabei rasch übersehen: die Unfallversicherung. Aber welche Rolle kommt ihr in diesem Kontext eigentlich zu? Christian Gesell, Produktmanager Existenzschutzversicherung bei AXA, klärt auf: „AXA bietet zwei Lösungen. Das ist zum einen die klassische Risiko-Unfallversicherung, denn gerade Berufe, die in der BU-Versicherung einen hohen Beitrag zahlen müssen, können durch die Risiko-Unfallversicherung Versicherungsschutz zu einem bezahlbaren Beitrag erhalten. Dabei leistet die Risiko-Unfallversicherung bereits ab einem geringem Invaliditätsgrad.“ Seit 2006 habe das Unternehmen die Risiko-Unfallversicherung allerdings um weitere Leistungsauslöser erweitert. Und hierbei bewusst auf eine reine Rentenabsicherung gesetzt – die Existenzschutzversicherung. Gesell: „Diese Alternative bietet nahezu allen Berufsgruppen Versicherungsschutz. Neben der klassischen Definition der Unfallversicherung führen definierte dauerhafte Funktionseinschränkungen, resultierend aus Krankheit oder Unfall, zu einem Leistungsfall.“ Im Gegensatz zur BU-Versicherung oder der Risiko-Unfallversicherung gebe es keinen berufsbedingten Beitragsunterschied. Bekannt sei dieses Konzept auch unter Funktionaler Invaliditätsversicherung oder Multirisk-Unfall. Gemeint ist damit die Highend-Lösung.

Doch auch die originäre Unfallversicherung lebt – und wie!

Kaum ein Produkt verkauft sich ähnlich gut. Wobei Makler häufig mit denselben Fragen konfrontiert werden. Etwa der nach der Höhe der richtigen Versicherungssumme. Stephen Voss, Vorstandsvorsitzender Baden-Badener Versicherung, will sich da nicht auf eine Faustformel einlassen: „Der Lebensstandard ist letztlich abhängig von den finanziellen Mitteln, die für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Daher sollte die Versicherungssumme so bemessen sein, dass auch bei völligem Ausfall der Arbeitskraft kein finanzieller Schaden entsteht. Hier hat jeder Kunde seine individuellen Bedürfnisse.“ Auch die Frage, wie das Zusammenspiel zwischen Versicherungssumme und Progression aussehen sollte, hält er nur für eingeschränkt beantwortbar: „Eine generelle Faustregel gibt es nicht. Legt man für sich fest, dass bei schweren Verletzungen eine höhere Kapitalsumme erst zur Auszahlung kommen soll, wählt man in aller Regel eine niedrigere Versicherungssumme mit hoher Progression.“ Gesell wiederum legt auf die Berechnungsbasis besonderen Wert: „Entscheidend ist die Invaliditätsgrundsumme. Diese sollte möglichst hoch gewählt werden. Da Progressionen Beitragszuschläge erfordern, reicht im Normalfall eine Progression von 350 % aus, um mit einer höheren Grundsumme eine ausreichende Summe bei Vollinvalidität abzusichern.“ Bei einem schweren Polytraumata liege der durchschnittliche Invaliditätsgrad bei ca. 35 %. Hier seien hohe Progressionen kaum wirksam.

Immer mehr Unfallversicherer überbieten sich im

Wettbewerb mit einer Anhebung des Leistungsniveaus

oder mit sonstigen „Zugaben“.

Nach welchen Kriterien sollten Makler entscheiden – Preis oder Leistung? Gesell rät bei klassischen Modellen zum Blick auf die Prämie. Doch Peter Schneider, Geschäftsführer bei MORGEN & MORGEN, entgegnet: „Leider wählen viele Marktteilnehmer die Produkte der Unfallversicherung immer noch nach dem Preis aus. Und die Versicherer überbieten sich zurzeit dabei, zusätzliche Leistungen anzubieten, die zum Teil recht weit von den originären Leistungen einer Unfallversicherung entfernt sind. Dies macht den Überblick nicht einfach.“ So sind in den vergangenen Monaten einige Versicherer mit Zusatzleistungen wie einem Frakturen- oder einem Komageld auf den Markt gekommen. Hat das wirklich noch originär mit der Unfallversicherung zu tun? Für Voss nur bedingt: „Die Frakturen ja, denn als Folge eines Unfalls im Sinne der Unfallbedingungen können bei Frakturen, je nach Schwere, verschiedene Leistungsarten aus der Unfallversicherung zum Tragen kommen – z.B. Leistungen bei Invalidität oder ein Krankenhaustage- bzw. ein Genesungsgeld bei stationärer Behandlung. Komageld dagegen hat originär weniger mit der Unfallversicherung zu tun.“ Dass dieses als Leistungserweiterung mit angeboten werde, resultiere aus der hohen Nachfrage und der Möglichkeit, das Produkt Unfallversicherung noch attraktiver zu gestalten.

Ob diese „Zugaben“ für die Kunden am Ende wirklich entscheidend sind, sei dahin gestellt. Gesell hat da eine klare Meinung: „In der Risiko-Unfallversicherung ist es wichtig, eine risikogerechte Versicherungssumme abzuschließen, damit im Fall der Vollinvalidität die Kosten für den Umbau der Wohnung oder ein Umbau des Autos finanziert werden können.“ Und Schneider mag mit Kritik an einzelnen Versicherern nicht hinter dem Berg halten: „Es gibt mittlerweile einen regelrechten Wettbewerb, wer die meisten Extras anbietet und somit in den unterschiedlichsten Vergleichsübersichten die meisten Häkchen erhalten kann. Letztlich ist es doch auch Aufgabe einer Unfallversicherung, aus dem Zusammenspiel von Versicherungssumme, Progressionsstaffel und Gliedertaxe im Falle einer unfallbedingten Invalidität für den Kunden die höchstmögliche Entschädigungsleistung zu einem vorgegebenen Preis zu erhalten.“ Teilweise könne man den Eindruck bekommen, dass durch den Wettbewerb um die Extras von der eigentlichen Stärke oder Schwäche eines Produkts eher abgelenkt werde oder vielleicht sogar abgelenkt werden solle. (hwt)

finanzwelt extra 04/2015 | Arbeitskraftsicherung