Ein Geschäftsmodell mit vielen Gewinnern

08.11.2024

Laura Wulff, Co-Geschäftsführerin und Chief Growth Officer, Dentolo Deutschland GmbH / Foto: © Dentolo Deutschland GmbH

In einer zunehmend digitalisierten Welt verändern sich die Erwartungen der Kunden an Dienstleistungen und Produkte rasant. Davon ist auch das Versicherungswesen betroffen. Ein Trend, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist das Konzept der Embedded Insurance. Bei dieser Form der Versicherung wird der Versicherungsschutz nahtlos in den Kaufprozess eines Produkts oder einer Dienstleistung integriert. Dies bedeutet, dass Verbraucher passende und ergänzende Versicherungspolicen direkt beim Kauf eines Produkts erwerben können, ohne eine separate Versicherung abschließen zu müssen. Laura Wulff, Co-Geschäftsführerin und Chief Growth Officer beim InsurTech Dentolo Deutschland GmbH mit den Versicherungsmarken Dentolo, Petolo und Vitolo, beleuchtet in diesem Interview, wie Embedded Insurance nicht nur den Komfort für den Kunden erhöht, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Einnahmequellen für Unternehmen und Handel schafft.

finanzwelt: Was versteht man unter Embedded Insurance und welche Arten von Versicherungen werden häufig in dieses Konzept integriert?
Laura Wulff» Von Embedded Insurance spricht man, wenn Versicherungen durch den Händler direkt in den Verkaufsprozess eines Produktes oder einer Dienstleistung integriert werden. Zu den klassischen Beispielen gehören die Reiserücktrittsversicherung, die im Krankheitsfall einspringt und im Reisebüro gleich mit abgeschlossen wird oder eine Police, die beim Diebstahl oder der Beschädigung des Smartphones den Schaden reguliert und im Elektromarkt oder E-Commerce mit angeboten wird. Hinzugekommen sind über die letzten Jahre weitere Versicherungen wie etwa im Veranstaltungsbereich, bei der Nutzung von Co- Working-Büros oder beim Kauf von Elektrogeräten wie Fernsehern oder Notebooks. Vergleichsweise neu ist die Versicherung ‚on top‘ auch im Bereich der Tiergesundheit. Hier sind wir mit unserer Tierversicherung Petolo und der exklusiven Partnerschaft mit Fressnapf einer der Vorreiter.

finanzwelt: Was sind die Vorteile für die Beteiligten im Handel und für die Versicherung? Und wie profitiert der Kunde dabei?
Wulff» Für Versicherungen bedeutet Embedded Insurance eine signifikante Erweiterung ihrer Reichweite und die Erschließung neuer Zielgruppen. Durch Partnerschaften mit Händlern können sie Kunden erreichen, die sonst möglicherweise nicht auf ihre Produkte aufmerksam geworden wären. Dies ist besonders wertvoll in Märkten oder Kundensegmenten, die traditionell schwer zugänglich sind. Außerdem profitieren Versicherungen von Kosteneffizienz, da sie die bestehenden Verkaufsplattformen der Händler nutzen können. Ein Vorteil für Kunden ist vor allem der Convenience- Faktor und ein gewisser Vertrauensvorschuss: Da die passende Versicherung im Zusammenhang mit einem bekannten und vertrauenswürdigen Händler angeboten wird, fühlen sich die Kunden sicherer. Sie sind somit eher bereit, die Versicherung abzuschließen. Im Fall unserer Tierversicherung Petolo lässt sich dies sehr anschaulich darstellen: Momentan testen wir, Petolo direkt am Point-of-Sale in einigen Fressnapf-Märkten anzubieten. Kunden haben direkt vor Ort die Möglichkeit, in einem Tablet die Daten ihres Haustiers einzugeben, um sich ihren individuellen Versicherungsbeitrag berechnen zu lassen oder uns um einen Rückruf für ein Beratungsgespräch zu bitten.

finanzwelt: Auch wenn der Handel initial eine wichtige Rolle spielt, liegt das Onboarding und der gesamte Customer Lifecycle bei der Versicherung und läuft weitgehend automatisiert und digital ab. Warum eignen sich digitale Prozesse hier gut?
Wulff» In der Tat kümmern sich die Versicherer in der Regel um das komplette Handling – vom Onboarding über die Kundenkommunikation bis hin zur Schadensregulierung im Ernstfall. In unserem Fall erfolgt dies auf Basis effizienter digitaler Prozesse. Embedded-Insurance-Lösungen sind nämlich vor allem deshalb so attraktiv, weil die Versicherungen und Produkte sich sinnvoll ergänzen und die Versicherer für die Kunden dank schlanker Prozesse niedrige Beiträge mit hohen Erstattungssummen anbieten können. Und nicht nur viele jüngere Kunden wissen es zu schätzen, wenn sie einen Schaden online melden oder mit der Assekuranz über digitale Kanäle kommunizieren können. Sie sehen die papierlose, transparente Alternative zur klassischen Versicherung als Vorteil und erfahren im Schadensfall eine zügige und unkomplizierte Schadensbegleichung aufgrund der weitreichenden Dunkelverarbeitung und Automatisierung.

finanzwelt: Wie können Versicherer und Händler sicherstellen, dass ihre Embedded-Insurance-Angebote nahtlos in bestehende Verkaufsprozesse integriert werden?
Wulff» Versicherer sollten hier mit einem hohen Grad an technischer Integration arbeiten, also beispielsweise APISchnittstellen bieten, die der Handel leicht auf die eigenen Bedürfnisse anpassen und in die eigenen Systeme implementieren kann. Natürlich kommt es auch auf die Einfachheit in der Handhabung an, denn sowohl die Verkäufer als auch die zukünftigen Versicherten sollen möglichst verständlich zum Abschluss kommen, ohne dabei auf einen Showstopper zu treffen. Schulungen und Support für die Mitarbeiter der Händler sind ebenfalls wichtig, um sicherzustellen, dass sie die Versicherungsprodukte effektiv präsentieren und deren Vorteile klar vermitteln können. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Versicherer und dem Point-of-Sale, also dem Ort, an dem das Produkt verkauft wird, kann aber vor allem auch dazu beitragen, dass eventuelle Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden und dass beide Seiten optimal von der Partnerschaft profitieren.

finanzwelt: Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Welche Trends und Entwicklungen sind im Bereich Embedded Insurance zu erwarten und wie sollte sich die Versicherungswirtschaft darauf vorbereiten?
Wulff» Der Bereich Embedded Insurance hat für alle Beteiligten in den letzten Jahren vieles verändert – und wird es weiter tun. Wir rechnen mit einer weiteren Effizienzsteigerung der digitalen Prozesse aufgrund verstärkter Nutzung von beispielsweise Künstlicher Intelligenz. Mit Hilfe datenbasierter Verfahren wird es in Zukunft immer besser möglich sein, personalisierte und prädiktive Versicherungsangebote zu erstellen, insbesondere wenn weitere Kundendatenbestände rund um die Customer Journey hinzukommen. Features wie Smart Contracts oder Chatbots können hier neue Impulse bringen. All das bietet einerseits Chancen für Versicherer, aber natürlich auch für die Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Entscheidend dafür wird es sein, wie gut es den Akteuren gelingt, ihre technologischen Fähigkeiten ausbauen und ‚digital zu denken‘. (sg)