Ausblick: Polen, Ukraine und Nordirland

14.06.2016

Helmut Kurz

Europa kommt bei der Fußball-EM in Frankreich zusammen. Doch trotz der Hochstimmung rund um das Sportereignis sehen sich sowohl Gastgeber Frankreich als auch die Gruppengegner der deutschen Nationalmannschaft derzeit großen wirtschaftlichen und politischen Spannungen ausgesetzt.

(fw/rm) Gastgeber Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone und gilt als eines der ökonomischen Sorgenkinder Europas. „Trotz zahlreicher weltweit erfolgreicher Unternehmen, die auch für Anleger interessant sind, bleibt das Land seit Jahren im Wachstum hinter Deutschland zurück“, sagt Helmut Kurz, Leiter Immobilienaktien/REITs und Makrostrategie bei ELLWANGER & GEIGER. „Der rigide Arbeitsmarkt hat eine Arbeitslosenquote von über zehn Prozent zur Folge. Trotzdem zeigt sich bei der geplanten Arbeitsmarktreform eine ausgesprochene Reformunwilligkeit. Sie äußert sich in heftigen Demonstrationen gegen die Regierung und insbesondere gegen den unbeliebten Staatspräsidenten François Hollande“, so Kurz. Diese Entwicklungen trügen zudem zu einer zunehmenden Skepsis gegenüber der EU bei. Hinzu komme die Terrorgefahr, die das Land seit den Anschlägen im vergangenen November im Ausnahmezustand gefangen hält. Polen – nächster Gruppengegner Deutschlands in der Vorrunde – ist nicht nur eine starke Fußballnation, sondern auch eine ökonomische Erfolgsgeschichte in Osteuropa. „Mit einem erwarteten Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent in diesem Jahr und niedrigen Arbeitslosenzahlen steht Polen gut da“, sagt Kurz. „Zudem stärkt die geringere Inflation die Kaufkraft der Privathaushalte“, so Kurz weiter. Seit die nationalkonservative Regierung 2015 im Amt ist, habe sich die Stimmung der ausländischen Investoren jedoch spürbar verschlechtert. Das hänge sowohl mit den Maßnahmen gegen die oft in ausländischem Besitz befindlichen Banken als auch mit der Auseinandersetzung Polens mit der EU über die Reform des Verfassungsgerichts zusammen. Bei Gruppengegner Ukraine spaltet der Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und der prowestlichen Regierung das Land. Auch wirtschaftlich gibt es große Defizite: „Die Ukraine hat die niedrigsten Löhne in ganz Europa, ist aber von Korruption, Rechtsunsicherheit und Bürokratie geplagt, welche die Entfaltung des enormen Potenzials des Landes verhindern“, so Kurz. Einige westeuropäische Banken hätten ihr Engagement daher aufgegeben beziehungsweise versuchten, ihre verlustträchtigen Töchter in der Ukraine abzustoßen. Doch es gibt auch positive Entwicklungen: „Nach zwei Jahren schwerer Rezession verzeichnet die Ukraine in diesem Jahr erstmals wieder ein Wirtschaftswachstum“, sagt Kurz. Fußball-Leichtgewicht Nordirland, der finale Gruppengegner Deutschlands, sieht sich derzeit dem Szenario eines möglichen „Brexits“ gegenüber. „Die britische Provinz wäre von den Auswirkungen eines Austritts Großbritanniens aus der EU massiv betroffen“, so Kurz. Sie könnte nicht nur die offene Landesgrenze zur Republik Irland verlieren, sondern auch die hohen Agrarsubventionen sowie die Beihilfen der EU aus den Strukturfonds – jährlich rund 430 Millionen Euro. „Eine hohe Summe für das unter hoher Jugendarbeitslosigkeit und unterdurchschnittlicher Wirtschaftskraft leidende Nordirland“ sagt Kurz. www.ellwanger-geiger.de