Durch Strafzinsen geplagt

14.04.2016

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„Spare in der Zeit, so hast du in der Not“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Doch was ist zu tun, wenn das Sparen aufgrund einschneidender Regulation unmissverständlich erschwert wird?

So hadert auch die Krankenversicherungsbranche darüber, dass sich über bisherige, klassische Spar- oder Geldparkvehikel kaum noch vernünftige Renditen erzielen lassen. Auch wenn Kunde oder Vermittler es sich anders wünschen, die Beiträge für die Gesundheit werden sowohl in der gesetzlichen (GKV) als auch privaten Krankenversicherung (PKV) mutmaßlich weiter ansteigen. Wesentliche Treiber dieser Entwicklung sind nebst steigender Ausgaben für Gesundheit auf der Kostenseite im Allgemeinen, insbesondere die derzeitigen, durch die EZB-getriebenen Zinsauswirkungen auf der Einnahmenseite der Krankenversicherer. Mehr denn je verändern aktuelle Entwicklungen des Marktes sowie anhaltend lockerer geldpolitischer Kurs der Europäischen Zentralbank das Spielfeld des Kapitalmarktes. Dem Strafzins geschuldet, konstatiert etwa der mehr als 200 Mrd. Euro schwere Gesundheitsfonds im Jahr 2015 gar erstmalig ein negatives Zinsergebnis von 1,8 Mio. Euro. Obgleich mit Zuschüssen aus der Staatskasse gefördert, zeichnete sich infolgedessen der Jahresbeginn flächendeckend von steigenden Beiträgen in der GKV aus. Im Durchschnitt erhöhten die gesetzlichen Kassen zu Jahresbeginn um 0,2 %.

Vervielfacht sich der GKV-Beitrag?

Ein Ende dieser Beitragssteigerungen sieht der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen nicht. Aufgrund bestehender Kosten- wie Einnahmensituation rechnen Experten für das Jahr 2019 mit einem Zusatzbeitrag von 1,8 % – wohlgemerkt bei vorsichtigen Schätzungen. Derweil beträgt der Höchstbeitrag in der GKV mittlerweile rund 800 Euro. „Unter anderem hängt dies mit den individuellen Steigerungen der GKV-Beiträge zusammen, zum Beispiel durch die jährliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze oder Gehaltserhöhungen“, informiert die Dortmunder SIGNAL IDUNA Gruppe. „Unter Berücksichtigung der besseren und garantierten Leistungen bleibt demnach die PKV auch für Selbstständige sehr interessant, da die Beiträge auch dann immer noch deutlich unter dem Höchstbeitrag der GKV liegen“, so Dr. Ralf Kantak, Vorstandsvorsitzender Süddeutsche Krankenversicherung a.G.

Opfer der EZB-Zinspolitik.

Nichtsdestotrotz schlägt die anhaltende widrige Zinswucht der Notenbanken nicht minder aufseiten der PKV ein, ist ein Teil der Versichertenprämien immerhin derart am Kapitalmarkt anzulegen, dass ein entsprechender Kapitalstock als Altersrückstellung für die Kunden aufgebaut wird. In diesem Idealtypus bilden Privatversicherte über Jahre hinweg stetig steigende, sogenannte Alterungsrückstellungen, mit denen die typischerweise höheren Kosten im Alter „geglättet“, das heißt, über den gesamten Lebenszyklus verteilt werden können. In diesem Zusammenhang nehmen jedoch verschiedene Faktoren, wie medizinisch-technischer Fortschritt, allgemeine Inflation, steigende Lebenserwartung und eben das Zinsniveau, Einfluss auf die Kosten von medizinischen Behandlungen und insbesondere darauf, wie viel „Vorsorge“ die PKV-Anbieter nachhaltig einkalkulieren müssen.

Aktuare sind keine Hellseher.

Da Entwicklungen wesentlicher Einflussgrößen bei der Kalkulation der Tarife vorab noch nicht bekannt sein können, müssen Gesellschaften mit der Zeit durch maßgeschneiderte Beitragsanpassungen entsprechend „nachjustieren“. Inflation und medizinischen Fortschritt vorauseilend in Prämien einkalkulieren, wie jüngst sinngemäß von Axel Kleinlein, Chef des Bunds der Versicherten, eingefordert, dürfen Versicherer indes nicht. So kann kein Aktuar beim Kalkulieren des Tarifs schon heute Kenntnisstand über die Inflationsrate von 2030 besitzen oder ob es in einigen Jahren Drohnenärzte mit Chefarztwissenstechnologie gibt und inwieweit dies schlussendlich die Ausgabenseite be- oder entlastet. Vielmehr sind die Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet, jedes Jahr aufs Neue die tatsächlichen Ausgaben in ihren Tarifen mit bestehenden kalkulierten Daten zu vergleichen. Erst bei einer Abweichung um mehr als 10 % müssen die Versicherer gegebenenfalls die Beiträge anpassen. Ergänzend wird die Anpassung in Zeiten wie diesen häufig genutzt, um den Rechnungszins auf realistisches Niveau zu reduzieren. Diese Regelung führt bisweilen dazu, dass nach mehrjährigen Phasen ohne Beitragsanpassung später bei einem Anspringen des auslösenden Faktors die Leistungssteigerungen aus den Vorjahren eingepreist werden müssen – wie etwa jüngst bei der DKV: „Nach einigen Jahren mit nur geringen Beitragsanpassungen müssen wir in diesem Jahr die Beiträge stärker erhöhen, und zwar um 5,7 % über alle Tarife hinweg – 7,8 % nur Vollversicherungstarife“, so DKV-Pressesprecherin Sybille Schneider. In diesem Zusammenhang würde der PKV-Verband eine Anpassung der gesetzlichen Kalkulationsgrundlagen begrüßen, die eine stetigere und damit moderatere Beitragsentwicklung erlauben würde. „Dieser Vorschlag wird auch von der Verbraucherzentrale unterstützt. Der Gesetzgeber hat das bisher nicht aufgegriffen“, heißt es hierzu vom PKV-Verband aus Köln.

Unternehmenskennziffern wichtig.

Grundsätzlich müssen private Anbieter aktuell ihre historisch gewachsenen Kapitalanlagen – so lag die Nettoverzinsung in 2014 immerhin bei beachtlichen 3,9 % – den Herausforderungen aus steigenden Gesundheitsausgaben wie Niedrigzins entgegensetzen und das derzeitige Szenario mit teilsweise gut dotierten Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB) abfedern. Dies mit Erfolg, wie nicht nur eine neue Untersuchung des Map-Reports zeigt, wonach Anbieter privater Krankenvollversicherungen ihre Beiträge in den Jahren 2000 bis 2015 um durchschnittlich gerade einmal 3,6 % pro Jahr erhöht haben – die Beitragsanpassungsspanne lag an dieser Stelle von jährlich 0,5 % bis zu 5,4 %.

Worauf der Vertrieb achten muss.

Für Vermittler heißt dies generell nicht nur auf Qualität des ausgewählten Tarifs zu achten, sondern zusätzlich Faktoren wie RfB, vorhandenes Eigenkapital, Nettoverzinsung oder auch Geschäftsergebnisse des jeweiligen Versicherers im Auge zu behalten. Diese Kennzahlen stellten laut Experten wesentliche Ratgeber dar, die auf Beitragserhöhungen hinweisen könnten. Während in der GKV die Leistungen bei jeder Gesellschaft zu 95 % identisch sind, ist das Angebot in der PKV deutlich vielfältiger. Die Verantwortung der einzelnen Unternehmen für ihre Geschäftspolitik ist deutlich ausgeprägter, weil es etwa Institutionen wie den Gesundheitsfonds nicht gibt. Insoweit spielt die Auswahl der richtigen Gesellschaft bei der PKV eine wichtigere Rolle.

Kunden sind aktiv anzusprechen.

Makler sollten insbesondere Bestandskunden, die von einer monetär einschneidend hohen Beitragserhöhung betroffen sind, über die Vielzahl von beitragsschonenden Optionen aufklären. Denn gerade die Versicherten, die derzeit notwendige Beitragsanpassungen vornahmen, sind nicht ohne Grund im Fokus von kommerziellen „Wechselberater“ oder „Tarifoptimierern“ geraten, um teilweise unter dem Deckmantel der Honorarberatung Verträge derart umzustricken, dass der Versicherte unbedacht auf wichtige Leistungen verzichtet, weil das „Erfolgshonorar“ solcher Berater sich einseitig an der Höhe der Beitragsersparnis bemisst.

Tarifwechsel-Leitlinie zum Schutz des Kunden.

Um diesbezüglich vorzugreifen, hat die Branche Leitlinien zum unternehmensinternen Tarifwechsel erarbeitet, die Vermittler und Makler zum Vorteil ihrer Kunden nutzen können: „Das Tarifwechselrecht gibt den Versicherten den Anspruch auf eine persönliche und bedarfsgerechte sowie kostenlose Beratung durch das Unternehmen beim Wunsch nach einem Tarifwechsel. Die vorliegenden Tarifwechsel-Leitlinien erläutern und konkretisieren nicht nur die geltende Rechtslage, sondern gehen auch deutlich über das gesetzliche Tarifwechselrecht hinaus“, heißt es hierzu aus dem Hause der INTER Krankenversicherung. Eine branchenweite sinnige Unterstützung, die infolge weiterer möglicher Beitragsanpassungen einzelner Gesellschaften künftig für mehr Aufklärung beim Kunden sorgen sollte. (mo) Info „Nicht ohne“ Die Beitragssteigerungen in der GKV werden von den Versicherten nicht so direkt wahrgenommen, aber sie sind deutlich. Betrachtet wird ein freiwillig gesetzlich Versicherter mit einem Jahreseinkommen von 60.000 EUR brutto:

  • 2015: Beitragssatz 15,5 %, Beitragsbemessungsgrenze 4.125,00 EUR monatlich
  • 2016: Beitragssatz 15,7 %, Beitragsbemessungsgrenze 4.237,50 EUR monatlich Der Arbeitgeberanteil liegt in beiden Jahren bei konstant 7,3 % Es ergeben sich folgende Eigenanteile für den GKV-Schutz beim Arbeitnehmer: 2015: 8,2 % * 4.125,00 EUR = 338,25 EUR 2016: 8,4 % * 4.237,50 EUR = 355,95 EUR
  • Dies entspricht einer Steigerung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Eigenanteils von 5,2 %

Diese Steigerung ist, so lange der AG-Anteil zur KV bei 7,3 % eingefroren ist und der zusätzlich zu tragende Eigenanteil jährlich um 0,2 %-Punkte ansteigt, jährlich zu erwarten. Quelle: Süddeutsche Krankenversicherung a.G. – März 2016 (Beitragsanpassung PKV / finanzwelt 02/2016)