Droht eine nachhaltige Korrektur an den Aktienmärkten?
30.01.2014
Thomas Böckelmann
Die Volatilität ist zurück und Investoren schrecken zurück. Kommt nun eine nachhaltige Korrektur an den Aktienmärkten, wie einige befürchten?
In der vergangenen Woche versammelten sich wieder Hunderte Entscheider aus Politik, Notenbanken und Wirtschaft auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Während einer Diskussionsrunde wurde Larry Summers – Harvard Professor, ehem. Präsidentenberater und Beinahe-Nachfolger von FED Chef Ben Bernanke – gefragt, was das größte Risiko für die Kapitalmärkte in 2014 sei. Seine Antwort kam ohne Zögern ‚macro-prudential complacency'. Hinter diesem komplexen Ausdruck verbirgt sich die Sorge, dass die scheinbare Kontrolle über globale wirtschaftliche Probleme zu einer Art Selbstgefälligkeit und Leichtfertigkeit der Verantwortlichen im Umgang mit Risiken und Herausforderungen führen könnte.
Gestern hat Argentinien überraschend die Bindung seiner Währung Peso an den US-Dollar gelöst. In der Folge kehrte die Unsicherheit an die scheinbar stabilen Kapitalmärkte zurück. Während in den letzten Monaten negative Nachrichten ignoriert wurden, erscheinen diese auf einmal in einem anderen Licht. Zweifel am Erfolg der Liquiditätspolitik der Notenbanken sind binnen weniger Stunden zurückgekehrt. Es stellt sich die Frage, ob die Aktienkurse nach knapp fünf Jahren Rallye der realen wirtschaftlichen Situation zu weit vorweggelaufen sind. Die Anforderungen der Marktteilnehmer an die Berichtssaison der Unternehmen werden daher steigen – Unternehmensergebnisse zunehmend skeptischer beurteilt werden.
Bestimmungsfaktoren für die Einschätzung der Aktienmärkte
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Volkswirtschaft: Positiv**
- Die US-Wirtschaft zeigt Tendenzen eines selbsttragenden Wachstums. Die Wohlstandseffekte aus Aktien- und Immobilienmarkt tragen dazu bei. Eine Verschiebung des Haushaltsstreits und sinkende Energiekosten sind signifikante Vorteile.
- Die chinesische Wirtschaft wächst zwar langsamer, eine befürchtete harte Landung ist jedoch abgewendet. Der Transmissionsprozess von einer Exportnation zu einer mehr binnenorientierten Wirtschaft birgt Risiken, aber auch große Chancen.
- Die japanische Politik trägt erste Früchte im Kampf gegen die Deflation.
- Die Eurozone zeigt erste Lichtblicke in der Peripherie und stabilisiert sich auf niedrigem Niveau. Dennoch sorgt vereinzelter Reformunwille für Unsicherheit – Wachstumsprogramme sind nach der Wahl in Deutschland wahrscheinlicher.
Fundamental: Neutral
- Auf Basis historischer Vergleichsdaten sind Aktien nicht mehr günstig sondern fair bewertet. Nach einer langen Aufwärtsbewegung tendieren Märkte jedoch zum ‚Über-schießen', dass heißt weitere Anstiege in die Überbewertung hinein sind wahrscheinlich.
- Im Zuge der Finanzkrise resultieren Unternehmensgewinne oft aus Kosteneinsparungsprozessen und Schuldenabbau. Nachhaltiges Gewinnwachstum setzt jedoch auch Umsatzsteigerungen zumindest perspektivisch voraus. Der Berichtssaison der Unternehmen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
- Im Jahr 2013 stiegen die Aktienkurse stärker als die Gewinne (Multiple-Expansion). Weiter steigende Kurse setzen daher steigende Gewinne oder eine Höherbewertung z.B. durch Umschichtungen in Aktien voraus.
Technisch: Neutral
- Die Charttechnik deutet zwar auf einen positiven Trend, die jüngste Korrektur bedeutet jedoch vereinzelt eine Neueinschätzung.
- Die Markttechnik auf Basis des Verhaltens der Investoren deutet auf weitere Umschichtungen zugunsten risikobehafteter Anlagen (Risk-On), eine Ausweitung der jüngsten Korrektur könnte dem jedoch entgegenlaufen (Risk-Off).
- Der wachsende Anteil des Computerhandels am Börsenumsatzvolumen basiert weitgehend auf Algorithmen, die technischen Indikatoren folgen.
Sentiment: Negativ
- Umfragen unter Investoren deuten auf eine ‚überkaufte' Situation
- Die Insiderindizes deuten an, dass Unternehmensorgane eigene Aktien tendenziell verkaufen. Dies deutet in der Regel darauf hin, dass Unternehmenslenker die eigenen Papiere für überbewertet halten.
- Die aktuelle Schockreaktion der Märkte auf die argentinischen Nachrichten lässt erahnen, dass die Marktlage weit weniger stabil ist, als die meisten Marktkommentatoren geglaubt haben.
Politik: Neutral
- Geopolitische Risiken sind kaum zu bewerten.
- Die Finanzkrise hat unter handelnden Regierungen einen breiten Konsens begründet – Protektionismus wurde abgewendet.
- Gleichzeitig begründet die Liquiditätspolitik der Notenbanken aber die Gefahr nachlassender Reformbereitschaft.
In der Summe aller Faktoren scheinen die Aktienmärkte fair bewertet. Falls die kommenden Unternehmensdaten aus den USA auf eine positive Entwicklung deuten, könnten an der Seitenlinie geparkte Anlagegelder schnell an die Aktienmärkte zurückkehren. Allerdings ist schwer zu bestimmen, wie sich die in Folge der Korrektur schlechter aussehenden technischen Indikatoren auf die Handelsalgorithmen auswirken. Die Analyse des Anlageverhaltens insbesondere in den Schwellenländern zeigt, dass hier ohne jede Differenzierung agiert wird. Insofern könnte die aktuelle Korrektur noch etwas andauern, bietet aber ab etwa zehn Prozent ein langfristig interessantes Einstiegsniveau bei selektiven Anlagen.
(Autor: Thomas Böckelmann, Geschäftsführer, VEITSBERG Gesellschaft für Vermögensbetreuung mbH)