Droht der "Nexit"?
02.03.2017
Rechtsverbindliches Nexit-Referendum mehr als unwahrscheinlich
Selbst wenn das Basisszenario nicht eintreten und Geert Wilders künftig den Ton in der Zweiten Kammer angeben sollte, ist ein rechtsverbindliches Nexit-Referendum mehr als unwahrscheinlich. Gemäß niederländischem Recht sind Volksbefragungen nicht rechtlich bindend, für eine Entscheidung à la Brexit müsste daher in beiden Kammern ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden. Die Einführung rechtsverbindlicher Referenden wurde zwar verschiedentlich diskutiert, erfordert aber eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Entweder die Erste Kammer oder eine der kleineren Parteien in einer potenziellen Wilders-Koalition (z.B. D66 oder PvdA) würden nahezu sicher mit „Nein“ stimmen.
Besonders wichtig in diesem Zusammenhang: Laut einer im November 2016 in allen EU-Staaten durchgeführten Eurobarometer-Umfrage sind 77 Prozent der Niederländer nach wie vor für die Gemeinschaftswährung und nur 22 Prozent dagegen (im Durchschnitt der EU-28 liegt der Anteil der EU-Befürworter bei nur 58 Prozent).
Die Unsicherheit dürfte anhalten
Da weder das Ergebnis des Brexit-Referendums noch der US-Präsidentschaftswahlen korrekt vorhergesagt wurde und der Populismus überall in Europa an Boden gewinnt, ist verständlich, dass die Märkte mit Sorge auf die anstehenden Wahlen in den Niederlanden blicken. Mit der wachsenden Angst vor einer Regierungsbeteiligung von „Anti-Establishment“-Parteien haben sich die Risikoaufschläge niederländischer und auch französischer sowie italienischer Anleihen geweitet.
Dabei ist der politische Ausblick für die Niederlande zumindest momentan vergleichsweise günstig. In der Praxis gibt es erhebliche Hürden, die einer Wilders-Regierung und einem Nexit-Referendum im Wege stehen und beide äußerst unwahrscheinlich machen. Das wahrscheinlichste Resultat ist eine weitere VVD-geführte Koalition mit Mark Rutte als Ministerpräsident. In diesem Fall wäre nicht nur eine politische Kehrtwende auszuschließen, sondern die Niederlande könnten sogar als Katalysator für die weitere europäische Integration wirken. Für die Märkte wäre dies äußerst positiv.
Auf kurze Sicht würde man die zügige Bildung einer neuen Koalition ohne PVV-Beteiligung vermutlich als – wenn auch vorläufiges – Signal für eine Schwächung der populistischen Strömungen innerhalb Europas betrachten. Ein Signal, das auch seine Wirkung auf die zweite Runde des französischen Präsidentschaftswahlkampfs nicht verfehlen dürfte. Da sich die Koalitionsverhandlungen jedoch über mehrere Wochen hinziehen können, dürfte die Nervosität der Märkte noch einige Zeit anhalten, zumal bei unerwartet gutem Abschneiden der PVV. Dies würde auch die Verhandlungen mit Griechenland, sofern hier bis zum 15. März keine Einigung erzielt wird, und Großbritannien erschweren, da einige Entscheidungen dann womöglich erst nach einer erfolgreichen Regierungsbildung getroffen werden könnten. Selbst wenn sie dem oben skizzierten Basisszenario entsprechen sollte, bestünde das größte Risiko einer heterogenen Koalition darin, dass sie nicht halten und damit vorzeitige Neuwahlen und weitere Unsicherheiten nach sich ziehen könnte.
Marktkommentar von Anna Stupnytska, Volkswirtin bei Fidelity International