Digitalisierung und der Kampf um den Anschluss
16.11.2021
Myrko Rudolph, Geschäftsführer der exapture GmbH / Foto: © exapture GmbH
Myrko Rudolph, Geschäftsführer der exapture GmbH, über den aktuellen Stand der Digitalisierung im deutschen Mittelstand und warum sich der Eindruck vom Innovationsbooster Pandemie als Fehleinschätzung herausstellt.
„Schon in den ersten Monaten, nachdem sich das Corona-Virus seinen Weg nach Europa gebahnt hat, las der aufmerksame Beobachter die immer gleichen Schlagzeilen. Überall war die Rede vom ‚pandemiebedingten Digitalisierungsschub‘. Frei nach dem Motto, auch in schweren Zeiten immer das Positive zu sehen, bemühte ein jeder dieses Bild des lange vernachlässigten Feldes; das Bild von einer gesamten Wirtschaftsmacht Deutschland, die von maximal widrigen Umständen erst zu ihrem Glück gezwungen werden musste – im Grunde zunächst keine falsche Einschätzung. In jeder nicht strikt auf Präsenz ausgelegten Branche machten sich Entscheider ernsthafte Gedanken um alternative Arbeitsmethoden. Manch einer mag ergänzen, dass sie dies nicht ganz freiwillig taten, und damit wahrscheinlich auch gar nicht so falsch liegen. Sei es drum, das Ergebnis zählt – und dies erstrahlt als vollständig digitalisierte Arbeitswelt, richtig? Leider zeichnen Zahlen und Daten einer zuletzt durchgeführten Bitkom-Studie ein etwas anderes Bild der Realität.
Wunsch als Vater des Gedanken
Deutschland hatte sich vor der Pandemie durch jahrelange Untätigkeit einen eklatanten digitalen Rückstand in allen Lebensbereichen eingehandelt und dafür nicht nur inländisch Kritik einstecken müssen, sondern auch im Ausland ob der schlechten Platzierungen im Vergleich für Verwunderung gesorgt. Dass sich eine Industrienation von derartigem Reichtum und internationalen Stellenwert sowohl verwalterisch als auch wirtschaftlich weiterhin derart analog aufstellt, blieb schwer begreiflich. Dieser Stachel scheint tief und schmerzhaft zu sitzen, sodass sich allesamt beim ersten Anzeichen der Besserung sofort auf das Thema stürzten und deutliche Verbesserungen erkannt haben wollten. Dass eine pandemische Ausnahmesituation Unternehmen mit Büroarbeit, Verwaltungen und Bildungsstätten in New- Work-Gefilde treibt und zu einem radikalen Umdenken bewegt, zeugt allerdings noch nicht von einer erfolgreichen Digitalisierung. Was tatsächlich geschah? Ein Prozess, der sich eigentlich über Jahre hinweg natürlich entwickeln sollte, brach nun als Zwang über eine unvorbereitete Gesellschaft herein. Allein die Verwendung digitaler Anwendungen im Arbeitsalltag digitalisiert noch nicht das Unternehmen.
Nachhaltigkeit fehlt
In der Bitkom-Studie zeigt sich die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Wahrheit am deutlichsten in Zahlen. Als postitver Aspekt lässt sich festhalten, dass 64 % der befragten Unternehmen angeben, digitale Technologien helfen ihnen durch die Pandemie.¹ Bestätigt dies noch die verbreitete These, erzählen die Umfrageergebnisse zur fehlenden Digitalkompetenz eine andere Geschichte: Beinahe die Hälfte der Studienteilnehmer gibt an, dass den Mitarbeitern das nötige Know-how fehle, um die Modernisierung weiter voranzutreiben, und exakt 50 % sehen sich als Nachzügler auf diesem Gebiet.² Viele von ihnen mussten wahrscheinlich rasch reagieren und neue Prozesse integrieren. Die passende Technik für dieses Unterfangen lässt sich schnell und einfach erwerben, darauf geschultes Personal jedoch nicht. Wenn die Pandemie eines erhöht hat, dann den Druck zur Digitalisierung und nicht ihren Grad selbst. Auch jetzt bewegen wir uns immer noch im Bereich des Anstoßes und ja – wer unbedingt einen positiven Aspekt finden möchte, kann dies der Pandemie auf die Fahne schreiben. Doch nun heißt es dranbleiben, um die guten Ansätze auch zu vergolden und eine nachhaltige Digitalisierung voranzutreiben.“
Weitere Informationen finden Sie unter www.exapture.de
1 https://www.bitkom.org/sites/default/files/2021-05/bitkom-prasentation-digital-office-05-05-2021_final.pdf 2 ebd.
Kolumne von Myrko Rudolph, Geschäftsführer exapture GmbH