Digitalisierung braucht den Faktor Mensch
10.12.2015
Die Digitalisierung erzeugt Datenmassen und beschleunigt Prozesse in unvorstellbare Größen. Wo bleibt da der Faktor Mensch und wo sind die Risiken? Die Menschen sind der Mehrwert im System.
2015-12-11 (fw/db) Zu 96 Prozent sehen deutsche Unternehmen in wichtigen Branchen die Neuordnung ihrer Prozesse infolge der Digitalisierung für sich als Chance – nur für die wenigsten stehen die Risiken im Vordergrund.
Das hat der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) in einer Studie unter 556 Unternehmen ab 20 Mitarbeitern ermittelt. Befragt wurden Geschäftsführer und Vorstände von Unternehmen aus den Bereichen Automobilbau, Banken, Medien, Pharmaindustrie und Touristik.
Die untersuchten Branchen stehen für 550 Milliarden Euro Umsatz und etwa 2,2 Millionen Mitarbeiter. In diesen fünf Wirtschaftszweigen betrachten sich im Schnitt 37 Prozent der Unternehmen als Vorreiter bei der Digitalisierung.
Bei der Mehrheit hapert es dagegen noch bei der Umsetzung: 56 Prozent der Befragten sehen sich bei der Digitalisierung eher als Nachzügler und weitere 8 Prozent halten sich sogar für abgeschlagen.
„Die Unternehmen müssen bei der Digitalisierung ihres Geschäfts Tempo aufnehmen. In der digitalen Plattform-Ökonomie ist Schnelligkeit ein ganz entscheidender Faktor“, sagt Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer.
Die Unternehmen sollten bei der digitalen Transformation ihres Geschäfts gleichermaßen schnell wie strategisch vorgehen. Dann könnten auch Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden.
Nur die Hälfte hat eine digitale Strategie
Nach den Ergebnissen der Studie hat etwa die Hälfte der Unternehmen – zwischen 44 Prozent der Autohersteller und 57 Prozent der Touristik-Anbieter – eine zentrale Strategie für unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung.
„Eine gute Digitalstrategie sollte ganzheitlich sein und Veränderungen bei Technologien, Wettbewerb und Personalbedarf berücksichtigen“, sagte Rohleder.
Strategien für den Einsatz digitaler Technologien in einzelnen Bereichen reichten nicht aus. Das ist laut Umfrage bei 23 Prozent der Pharma-Unternehmen oder 33 Prozent der Banken der Fall.
„Bei einer Verengung auf Einzelaspekte der Digitalisierung besteht die Gefahr, die Entwicklung grundsätzlich neuer Geschäftsmodelle zu vernachlässigen“, sagte Rohleder.
Darüber hinaus hätten viele Unternehmen noch gar keine Digitalstrategie. In den Medien (34 Prozent) und in der Touristik (35 Prozent) sind es gut ein Drittel, in der Auto- und Pharma-Branche jeweils ein Viertel (25 bzw. 27 Prozent) sowie im Bankensektor 17 Prozent.
Laut der Studie verändert sich für viele Unternehmen die Wettbewerbssituation. Über die Branchen hinweg sagt etwa die Hälfte, dass Wettbewerber aus der Digitalbranche in ihren Markt drängen: Jeweils 45 Prozent der Auto- und Pharma-Produzenten, 53 Prozent der Banken und sogar 62 Prozent der Medienunternehmen. Fast zwei Drittel der Banken (65 Prozent) und gut die Hälfte der der Fahrzeugbauer (54 Prozent) betrachten große Unternehmen der Digitalbranche als Konkurrenz bei disruptiven Neuentwicklungen. Dabei handelt es sich um Innovationen, die Märkte grundlegend verändern, indem sie bestehende Produkte oder Dienste ersetzen. Gleichzeitig haben viele Unternehmen erkannt, dass ihnen Wettbewerber aus ihrer Branche voraus sind, die schon frühzeitig auf die Digitalisierung gesetzt haben.
Personalpolitik bei digitalem Fortschritt
Die Auswirkungen der Digitalisierung zeigen sich auch in Personalfragen. Je nach Branche erwarten zwei Drittel bis drei Viertel der Unternehmen, dass es künftig mehr spezialisierte Tätigkeiten geben wird.
Finanzbranche erwartet Ab- und Umbau von Arbeitsstellen
Gleichzeitig sagt etwa die Hälfte aller Befragten, dass einfache Tätigkeiten wegfallen werden. Etwa ein Viertel (23 Prozent) der Touristik-Manager, ein Drittel der Fahrzeugbauer (32 Prozent) und die Hälfte der Finanzmanager (51 Prozent) erwarten, dass in ihren Unternehmen unter dem Strich Arbeitsplätze abgebaut werden.
„Die Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass die Beschäftigung infolge der Digitalisierung stabil bleibt oder sogar zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden“, sagt Rohleder. „Digitale Technologien steigern die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Die Digitalisierung ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden.“
Klar sei, dass der Bedarf an IT-Spezialisten steigen wird, in den untersuchten Branchen am stärksten bei Banken, Autobauern und Pharma-Unternehmen.
„Die Unternehmen brauchen nicht nur IT-Experten für den Betrieb ihrer IT-Systeme, sondern um ihre Kernkompetenzen weiterzuentwickeln“, so Rohleder.
Regulierung als Hindernis für Digitalisierung
Das Thema Regulierung ist in drei Branchen unter den beiden wichtigsten Hemmnissen gelandet. So sagen 81 Prozent der Banken, dass Innovationen im Finanzbereich durch eine zu starke Regulierung gebremst werden. Das Gleiche gilt aus Sicht der Pharma-Unternehmen (61 Prozent) für das Gesundheitssystem. Nach Ansicht der Autobauer fehlt es beim autonomen Fahren noch an einem rechtlichen Rahmen, zum Beispiel bei Haftungsfragen. Die Medien-Manager beklagen an erster Stelle die mangelnde Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte (88 Prozent) und die Touristik-Manager fehlende IT-Experten in ihren Unternehmen (58 Prozent).
Die wichtigsten Handlungsfelder für die Politik sind über die Branchen hinweg der Breitbandausbau (66 Prozent), Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel (50 Prozent) und mehr Engagement bei der IT-Sicherheit (47 Prozent). Ebenfalls häufig genannt werden einheitliche Datenschutzgesetze in Europa (38 Prozent) und die Förderung von Industrie 4.0 (29 Prozent).
„Wir müssen die Digitalisierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen. Start-ups müssen besser gefördert, der Breitbandausbau politisch flankiert, die Jugend muss fit für die digitale Zukunft gemacht und Beschäftigte lebenslang weitergebildet werden“, sagte Rohleder.
Zudem gelte es, digitale Technologien erfolgreich zu entwickeln und zu vermarkten.
„Dazu müssen wir Orte schaffen, an denen Global Player, Mittelstand und Start-ups mit Wissenschaftlern und Forschern gemeinsam an digitalen Lösungen arbeiten können“, Rohleder.
Übersicht über die wichtigsten Digitaltrends geben die vom Bitkom veröffentlichten Studien zu einzelnen Branchen:
Gesundheitswesen: Hier wird Big Data in zehn Jahren Medizinern dabei helfen, Krankheiten zu diagnostizieren und individuelle Therapien zu entwickeln. Die Telemedizin wird zum Alltag gehören. In vielen Operationssälen werden Roboter eingesetzt, mit 3D-Druck-Verfahren Prothesen und Implantate gefertigt und Mikrochips eingesetzt, um die Funktionen von Organen zu überprüfen.
Assekuranz und Banken: In der Branche entwickelt sich das Smartphone zum Dreh- und Angelpunkt für Bankgeschäfte. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Filialen drastisch ab. Finanzberatung wird stärker online und intelligent automatisiert erfolgen. In Geschäften zahlen Kunden in zehn Jahren mit Smartphones und Wearables. In vielen Läden ist dafür nicht mal mehr eine Kasse notwendig. Zudem sagen 61 Prozent der Finanzmanager, dass Bargeld nicht mehr das dominierende Zahlungsmittel sein wird.
Automobilindustrie: Beim Thema Intelligente Mobilität rechnet die Hälfte der befragten Manager aus der Fahrzeugbranche damit, dass sich selbstfahrende Autos spätestens in 15 Jahren in der Breite durchgesetzt haben. Die Vernetzung von Fahrzeugen und der Trend zur Elektromobilität werden neue Mobilitätskonzepte ermöglichen und viele neue Geschäftsmodelle schaffen.
finanzwelt-Fazit: Spannend wird es für Versicherungsmakler und Vermittlungsunternehmer im Feld der Lösungen der Assekuranz und Banken. Hier unterstützen digitale Chancen in der Kommunikation, beim Service, in der Verwaltung und Dokumentation. Das persönliche Gespräch mit der Erörterung individueller Risiken und deren Deckungsmöglichkeiten wird an Wert und Bedeutung gerade in der digitalen Datenflut deutlich zunehmen. Der Faktor Mensch ist der Mehrwert zur Digitalisierung. Daten gewinnen ist kein Problem in Zeiten von Big Data, sie zu beobachten und richtig zu bewerten aber schon. Risikomanagement wird immer mehr zu einer gefragten Dienstleistung, in einer Zeit, wo sich neue Risiken und ihre Folgewirkungen immer schneller entwickeln.
Dietmar Braun