Digitale Bank zwischen Wunsch und Realität

23.10.2014

Es gibt viele Stolpersteine auf dem Weg zur digitalen Bank. Der Trend zur Digitalisierung ist jedoch nicht umkehrbar. Ohne Menschen geht es nicht, diese betreuen den Live-Chat- oder Vor-Ort-Service.

2014-10-24 (fw/db) Investitionen in digitale Kanäle stehen auf der Agenda fast aller Banken. Dennoch erfüllen sie die Erwartungen an einen vollvirtuellen Informations-, Kommunikations-, Transaktions- und Vertriebskanal heute durchschnittlich erst zu 58 Prozent. Noch längst sind nicht alle Produkte und Prozesse online abgebildet und ein flexibler Kanalwechsel, das sogenannte Cross Channel Banking, ist selten reibungslos möglich.

So die Studie „Online-Banking“ von PASS IT-Consulting Dipl.-Inf. G. Rienecker GmbH & Co. KG. Diese analysiert 50 Webauftritten von Banken in der DACH-Region im Vergleich zu einem idealtypischen Referenzmodell. Ergänzend wurden rund 62.000 Webseitenbesucher befragt.

Erlebnis, Komfort und Leistung über alle Kanäle hinweg – das Idealbild des „Omnikanal-Vertriebs“ suche der Bankkunde auch 2014 weitgehend vergeblich, so das Fazit der Autoren der Studie.

„Anstatt innovativ und dynamisch agieren viele Banken nach wie vor noch sehr verhalten und orientieren sich an Konzepten, die aus den Anfängen des Internet-Vertriebs stammen“, fasst Christine Spietz, Head of Business Research bei der PASS Consulting Group, die Studienergebnisse zusammen. Kaum ein Institut kann online auf breiter Linie überzeugen. Konsequente, auf die Wünsche der Nutzer abgestimmte Gesamtkonzepte seien selten.

Online-Abschlüsse nur für die Hälfte der Produkte möglich

Beim Online-Verkaufs-Prozess steckt die Tücke im Detail. Auch wenn im Einzelfall alle Produkte online abgeschlossen werden können, sind die Qualität der Inhalte und die Bedienung der Angebote oft ausbaufähig. Auf einem guten Weg ist die Kombination von Information und Beratung. Hier erfüllen die Banken die idealtypischen Anforderungen im Durchschnitt immerhin zu 59 Prozent.

Deutlicher Nachholbedarf zeigt sich beim Online-Abschluss, der aktuell nur für 51 Prozent der 252 analysierten Produkte möglich ist.

Insel-Lösungen anstatt Vernetzung

Die Virtualisierung im Retailbanking bedeutet nicht, dass eine Mensch-zu-Mensch-Interaktion verzichtbar sei – sie gewinne im Gegenteil, so die Autoren der Studie, an Bedeutung. Ein Beratungs- und Verkaufsprozess könne auf dem Smartphone beginnen, auf dem PC fortgesetzt und mit einem Bankberater „online“ per Chat oder „offline“ persönlich in der Filiale, zum Abschluss gebracht werden.

Anstelle von Vernetzung sei die Realität allerdings von erzwungenen Kanalwechseln geprägt. So verweigerten im Rahmen der Mystery Analysen mehrere Banken eine telefonische Auskunft zum Produktangebot.

Von 250 E-Mails blieben 30 unbeantwortet, 41 Mal erhielten die Tester einen Werbetext oder wurden auf andere Kanäle wie die Filiale vor Ort verwiesen. Weitgehend vergeblich sucht man bei den Banken nach interaktiven Beratungsangeboten – dabei sind gerade diese die Basis hin zum flexiblen Wechsel zwischen den Kanälen (Cross Channel Banking).

Einen Live-Chat bieten aktuell nur neun Banken an, Video-Telefonie und Co-Browsing ist bei zwei Instituten möglich.

„Verglichen mit anderen Branchen ein mageres Ergebnis – in der Telekommunikation existiert z.B. kaum noch ein Portal ohne Chat. Immerhin 25 Prozent der Bankkunden erachteten diesen Kanal im Rahmen der Befragung als wichtig“, betont Expertin Spietz.

Zukunftsfähigkeit erfordert Initiative

Der Weg zur digitalen Bank ist für viele Institute der DACH-Region noch steinig und weit. Der größte Aufholbedarf besteht vor allem im Online-Abschluss, bei der Optimierung für mobile Endgeräte und in der kanalübergreifenden Vernetzung der Prozesse.

„Banken, die den digitalen Anschluss verpassen, landen über kurz oder lang auf dem Abstellgleis“, kommentiert Spietz. Zum einen werden Kunden ihren Zugang zur Bank zukünftig frei wählen und flexibel zwischen den Zugangskanälen wechseln, zum anderen steigt der Konkurrenzdruck.

Dietmar Braun