Die Talsohle durchschritten
21.05.2014
Greg Saichin
Die einst gefeierten Schwellenländer haben schon bessere Zeiten erlebt. Investoren ziehen ihr Geld ab, Währungen fallen teilweise auf Rekordtiefs. Wie geht es nun weiter? finanzwelt fragte Greg Saichin, Chefanlagestratege für Schwellenländeranleihen bei Allianz Global Investors.
finanzwelt: Viele Investoren haben sich aus Schwellenländer-Investments zurückgezogen, seit die Fed den langsamen Ausstieg aus den geldmarktpolitischen Lockerungsmaßnahmen in Aussicht gestellt hat. Ist die Investment-Situation in den Schwellenländern noch ungetrübt?
Saichin: Trotz der jüngsten Entwicklungen überzeugen Schwellenländeranleihen weiter aus fundamentaler Sicht. Einige der größten Emerging Markets haben in den letzten Jahren Politikschritte in die richtige Richtung gemacht. Befürchtungen einer neuen Emerging-Market-Krise sind somit unbegründet: Die meisten Schwellenländer verfügen über hohe Währungsreserven und sind deutlich weniger als damals verwundbar durch auf Fremdwährung lautende Schulden.
finanzwelt: Inwiefern ist die Zeit reif für Schwellenländeranleihen in lokalen Währungen? Berücksichtigen Sie neben Investmentgrade-Ratings auch Hochzinsanleihen?
Saichin: Schwellenländeranleihen in lokaler Währung bleiben interessant, da die Emerging Markets heute bessere Verschuldungskennziffern aufweisen als die entwickelten Länder. In vielen Industrieländern dürften angesichts des demografischen Wandels und eines strukturell nachlassenden Wachstums die Anleiherenditen niedrig bleiben. Investoren werden daher bei ihrer Suche nach Rendite weiter in Schwellenländern aktiv sein. Hinzu kommt: In den letzten zwölf Monaten haben viele Schwellenländerwährungen gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Das macht diese Währungen auch aus Risiko-Rendite-Sicht wieder attraktiver. Was das Anlageuniversum betrifft, so nutzen wir das volle Spektrum, also Investmentgrade- und Hochzinsanleihen. Welche Rolle beide Kategorien in den einzelnen Portfolien spielen, hängt vom jeweiligen Fonds-Risikoprofil ab.
finanzwelt: Müssen Investoren, im Vergleich zu früher, heute stärker differenzieren, wenn es um Schwellenländer-Investments geht?
Saichin: Schwellenländeranleihe-Investoren setzen auf den strukturellen Aufwärtstrend in diesen Ländern. Nachdem sie im Schnitt einen Investmentgrade-Status erreicht haben, unterliegt die Anlageklasse nicht mehr demselben Ausfallrisiko wie in der Vergangenheit. Auf der anderen Seite lastet jedoch die Tapering-Diskussion auf den Emerging Markets: Der quasi unerschöpfliche Strombilliger Liquidität ist versiegt und strukturelle Schwächen einzelner Staaten treten klarer hervor. Für erfahrene Investoren, die die jeweiligen Stärken und Schwächen identifizieren können, stellt die jetzige Situation aber weniger ein Risiko als vielmehr eine Chance dar.
finanzwelt: Welche Märkte und Segmente finden Sie augenblicklich spannend?
Saichin: Trotz der Rückschläge in den vergangenen Monaten sind wir weiterhin der Überzeugung, dass Schwellenländeranleihen – vor allem in lokaler Währung – aus einer Relative-Value-Betrachtung heraus das globale Fixed-Income-Spektrum dominieren. Bei regionaler Betrachtung sehen wir gute Chancen in Mittel- und Osteuropa: Aufgrund der Ukraine-Krise wurde Kapital aus dieser Region abgezogen und ist nach Lateinamerika und Asien geflossen. Sollte sich die Situation in der Ukraine beruhigen, könnten Anlagen in dieser Region deutlich outperformen. (ah)